Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

zwanzig Piaster, weil es mir ist eine Ehre, dich zu sehen
in meinem Hause."

Der Handel war also abgeschlossen, und jedenfalls
sehr zur Zufriedenheit des Juden, der sich, nachdem ich
ihm das Geld gegeben hatte, mit verstecktem Schmunzeln
entfernte. Der Agha kostete ein wenig und that dann einen
tiefen Zug.

"Allah illa Allah! Wallah, Billah, Tallah! Solchen
habe ich noch nicht bekommen. Glaubst du, daß er gut
ist für ein krankes System, Emir?"

"Sehr gut!"

"Oh, wenn das die ,Myrte' wüßte!"

"Hat sie auch ein System?"

"Ein sehr durstiges, Effendi!"

Er that einen zweiten und nachher einen dritten Zug.

"Das ist kein Wunder," meinte ich. "Sie hat sehr
viel zu sorgen, zu schaffen und zu arbeiten."

"Für mich nicht; das weiß Allah!"

"Aber für deine Gefangenen."

"Sie bringt ihnen täglich einmal Essen, Brot und
Mehlwasser."

"Wie viel giebt dir der Mutesselim für jeden Ge-
fangenen?"

"Dreißig Para täglich."

Also fünfzehn Pfennige ungefähr! Davon blieb sicher-
lich die Hälfte in den Händen Selims kleben.

"Und was erhältst du für die Beaufsichtigung?"

"Zwei Piaster täglich, die ich aber noch niemals be-
kommen habe. Ist es da ein Wunder, daß ich diese schöne
Arznei noch gar nicht kenne?"

Er that abermals einen Zug.

"Zwei Piaster? Das ist sehr wenig, zumal dir die
Gefangenen sehr viele Mühe machen werden."

zwanzig Piaſter, weil es mir iſt eine Ehre, dich zu ſehen
in meinem Hauſe.“

Der Handel war alſo abgeſchloſſen, und jedenfalls
ſehr zur Zufriedenheit des Juden, der ſich, nachdem ich
ihm das Geld gegeben hatte, mit verſtecktem Schmunzeln
entfernte. Der Agha koſtete ein wenig und that dann einen
tiefen Zug.

„Allah illa Allah! Wallah, Billah, Tallah! Solchen
habe ich noch nicht bekommen. Glaubſt du, daß er gut
iſt für ein krankes Syſtem, Emir?“

„Sehr gut!“

„Oh, wenn das die ‚Myrte‘ wüßte!“

„Hat ſie auch ein Syſtem?“

„Ein ſehr durſtiges, Effendi!“

Er that einen zweiten und nachher einen dritten Zug.

„Das iſt kein Wunder,“ meinte ich. „Sie hat ſehr
viel zu ſorgen, zu ſchaffen und zu arbeiten.“

„Für mich nicht; das weiß Allah!“

„Aber für deine Gefangenen.“

„Sie bringt ihnen täglich einmal Eſſen, Brot und
Mehlwaſſer.“

„Wie viel giebt dir der Muteſſelim für jeden Ge-
fangenen?“

„Dreißig Para täglich.“

Alſo fünfzehn Pfennige ungefähr! Davon blieb ſicher-
lich die Hälfte in den Händen Selims kleben.

„Und was erhältſt du für die Beaufſichtigung?“

„Zwei Piaſter täglich, die ich aber noch niemals be-
kommen habe. Iſt es da ein Wunder, daß ich dieſe ſchöne
Arznei noch gar nicht kenne?“

Er that abermals einen Zug.

„Zwei Piaſter? Das iſt ſehr wenig, zumal dir die
Gefangenen ſehr viele Mühe machen werden.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0247" n="233"/>
zwanzig Pia&#x017F;ter, weil es mir i&#x017F;t eine Ehre, dich zu &#x017F;ehen<lb/>
in meinem Hau&#x017F;e.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Handel war al&#x017F;o abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und jedenfalls<lb/>
&#x017F;ehr zur Zufriedenheit des Juden, der &#x017F;ich, nachdem ich<lb/>
ihm das Geld gegeben hatte, mit ver&#x017F;tecktem Schmunzeln<lb/>
entfernte. Der Agha ko&#x017F;tete ein wenig und that dann einen<lb/>
tiefen Zug.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Allah illa Allah! Wallah, Billah, Tallah! Solchen<lb/>
habe ich noch nicht bekommen. Glaub&#x017F;t du, daß er gut<lb/>
i&#x017F;t für ein krankes Sy&#x017F;tem, Emir?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehr gut!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oh, wenn das die &#x201A;Myrte&#x2018; wüßte!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hat &#x017F;ie auch ein Sy&#x017F;tem?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein &#x017F;ehr dur&#x017F;tiges, Effendi!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er that einen zweiten und nachher einen dritten Zug.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t kein Wunder,&#x201C; meinte ich. &#x201E;Sie hat &#x017F;ehr<lb/>
viel zu &#x017F;orgen, zu &#x017F;chaffen und zu arbeiten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Für mich nicht; das weiß Allah!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber für deine Gefangenen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie bringt ihnen täglich einmal E&#x017F;&#x017F;en, Brot und<lb/>
Mehlwa&#x017F;&#x017F;er.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie viel giebt dir der Mute&#x017F;&#x017F;elim für jeden Ge-<lb/>
fangenen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dreißig Para täglich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o fünfzehn Pfennige ungefähr! Davon blieb &#x017F;icher-<lb/>
lich die Hälfte in den Händen Selims kleben.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und was erhält&#x017F;t du für die Beauf&#x017F;ichtigung?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zwei Pia&#x017F;ter täglich, die ich aber noch niemals be-<lb/>
kommen habe. I&#x017F;t es da ein Wunder, daß ich die&#x017F;e &#x017F;chöne<lb/>
Arznei noch gar nicht kenne?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er that abermals einen Zug.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zwei Pia&#x017F;ter? Das i&#x017F;t &#x017F;ehr wenig, zumal dir die<lb/>
Gefangenen &#x017F;ehr viele Mühe machen werden.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0247] zwanzig Piaſter, weil es mir iſt eine Ehre, dich zu ſehen in meinem Hauſe.“ Der Handel war alſo abgeſchloſſen, und jedenfalls ſehr zur Zufriedenheit des Juden, der ſich, nachdem ich ihm das Geld gegeben hatte, mit verſtecktem Schmunzeln entfernte. Der Agha koſtete ein wenig und that dann einen tiefen Zug. „Allah illa Allah! Wallah, Billah, Tallah! Solchen habe ich noch nicht bekommen. Glaubſt du, daß er gut iſt für ein krankes Syſtem, Emir?“ „Sehr gut!“ „Oh, wenn das die ‚Myrte‘ wüßte!“ „Hat ſie auch ein Syſtem?“ „Ein ſehr durſtiges, Effendi!“ Er that einen zweiten und nachher einen dritten Zug. „Das iſt kein Wunder,“ meinte ich. „Sie hat ſehr viel zu ſorgen, zu ſchaffen und zu arbeiten.“ „Für mich nicht; das weiß Allah!“ „Aber für deine Gefangenen.“ „Sie bringt ihnen täglich einmal Eſſen, Brot und Mehlwaſſer.“ „Wie viel giebt dir der Muteſſelim für jeden Ge- fangenen?“ „Dreißig Para täglich.“ Alſo fünfzehn Pfennige ungefähr! Davon blieb ſicher- lich die Hälfte in den Händen Selims kleben. „Und was erhältſt du für die Beaufſichtigung?“ „Zwei Piaſter täglich, die ich aber noch niemals be- kommen habe. Iſt es da ein Wunder, daß ich dieſe ſchöne Arznei noch gar nicht kenne?“ Er that abermals einen Zug. „Zwei Piaſter? Das iſt ſehr wenig, zumal dir die Gefangenen ſehr viele Mühe machen werden.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/247
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/247>, abgerufen am 22.12.2024.