"Stets! Lange du doch einmal her und sieh, ob du ihn findest!"
Ich suchte und fand den Schlüssel sofort. Man mußte ihn bei dem ersten Griffe fühlen, denn er war so groß, daß man ihn mit einer Bärenkugel Nummer Null hätte laden können.
"Hier ist er. Soll ich schließen?"
"Ja, komm! Aber ich denke mir, daß du das Loch nicht finden wirst, denn dein System hat sehr gelitten."
Der Schlüssel paßte, und bald knarrte die Thüre in ihren Angeln.
"Gefunden!" meinte er. "Diese Töne kenne ich sehr genau. Laß uns eintreten!"
"Soll ich die Thüre wieder zuschließen?"
"Versteht sich! In einem Gefängnisse muß man vor- sichtig sein."
"Rufe den Schließer!"
"Den Sergeant? Wozu?"
"Er soll uns leuchten."
"Fällt mir gar nicht ein! Wir wollen doch den Schurken überraschen!"
"Dann mußt du leiser sprechen!"
Er wollte vorwärts, stolperte aber so, daß er ge- fallen wäre, wenn ich ihn nicht mit beiden Händen ge- halten hätte.
"Was war das? Emir, wir sind dennoch in ein fremdes Haus geraten!"
"Wo ist der Raum, in dem sich der Sergeant be- findet? Liegt er zu ebener Erde?"
"Nein, sondern eine Treppe hoch."
"Und wo führt die Treppe hinauf, hinten oder vorn?"
"Hm! Wo war es nur! Ich glaube, vorn. Man
„Haſt du ihn?“
„Stets! Lange du doch einmal her und ſieh, ob du ihn findeſt!“
Ich ſuchte und fand den Schlüſſel ſofort. Man mußte ihn bei dem erſten Griffe fühlen, denn er war ſo groß, daß man ihn mit einer Bärenkugel Nummer Null hätte laden können.
„Hier iſt er. Soll ich ſchließen?“
„Ja, komm! Aber ich denke mir, daß du das Loch nicht finden wirſt, denn dein Syſtem hat ſehr gelitten.“
Der Schlüſſel paßte, und bald knarrte die Thüre in ihren Angeln.
„Gefunden!“ meinte er. „Dieſe Töne kenne ich ſehr genau. Laß uns eintreten!“
„Soll ich die Thüre wieder zuſchließen?“
„Verſteht ſich! In einem Gefängniſſe muß man vor- ſichtig ſein.“
„Rufe den Schließer!“
„Den Sergeant? Wozu?“
„Er ſoll uns leuchten.“
„Fällt mir gar nicht ein! Wir wollen doch den Schurken überraſchen!“
„Dann mußt du leiſer ſprechen!“
Er wollte vorwärts, ſtolperte aber ſo, daß er ge- fallen wäre, wenn ich ihn nicht mit beiden Händen ge- halten hätte.
„Was war das? Emir, wir ſind dennoch in ein fremdes Haus geraten!“
„Wo iſt der Raum, in dem ſich der Sergeant be- findet? Liegt er zu ebener Erde?“
„Nein, ſondern eine Treppe hoch.“
„Und wo führt die Treppe hinauf, hinten oder vorn?“
„Hm! Wo war es nur! Ich glaube, vorn. Man
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„Haſt du ihn?“
„Stets! Lange du doch einmal her und ſieh, ob du
ihn findeſt!“
Ich ſuchte und fand den Schlüſſel ſofort. Man mußte
ihn bei dem erſten Griffe fühlen, denn er war ſo groß,
daß man ihn mit einer Bärenkugel Nummer Null hätte
laden können.
„Hier iſt er. Soll ich ſchließen?“
„Ja, komm! Aber ich denke mir, daß du das Loch
nicht finden wirſt, denn dein Syſtem hat ſehr gelitten.“
Der Schlüſſel paßte, und bald knarrte die Thüre in
ihren Angeln.
„Gefunden!“ meinte er. „Dieſe Töne kenne ich ſehr
genau. Laß uns eintreten!“
„Soll ich die Thüre wieder zuſchließen?“
„Verſteht ſich! In einem Gefängniſſe muß man vor-
ſichtig ſein.“
„Rufe den Schließer!“
„Den Sergeant? Wozu?“
„Er ſoll uns leuchten.“
„Fällt mir gar nicht ein! Wir wollen doch den Schurken
überraſchen!“
„Dann mußt du leiſer ſprechen!“
Er wollte vorwärts, ſtolperte aber ſo, daß er ge-
fallen wäre, wenn ich ihn nicht mit beiden Händen ge-
halten hätte.
„Was war das? Emir, wir ſind dennoch in ein
fremdes Haus geraten!“
„Wo iſt der Raum, in dem ſich der Sergeant be-
findet? Liegt er zu ebener Erde?“
„Nein, ſondern eine Treppe hoch.“
„Und wo führt die Treppe hinauf, hinten oder vorn?“
„Hm! Wo war es nur! Ich glaube, vorn. Man
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/252>, abgerufen am 23.12.2024.
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