hat von der Thüre aus noch sechs bis acht Schritte zu gehen."
"Rechts oder links?"
"Ja, wie stehe ich denn? Hüben oder drüben? O Emir, deine Seele kann die Arznei nicht gut vertragen; denn du hast mich so schief gestellt, daß dieser Hausflur nicht gradaus läuft, sondern von unten hinauf in die Höhe!"
"So komm her! Hinter dir ist die Thüre; hier ist rechts, und da ist links. An welcher Seite nun geht die Treppe empor?"
"Hier links."
Wir schritten vorsichtig weiter, und mein tastender Fuß stieß wirklich bald an die unterste Stufe einer Treppe.
"Da sind die Stufen, Agha!"
"Ja, das sind sie. Falle nicht, Emir! Du warst noch nie in diesem Hause; ich werde dich sehr sorgfältig leiten."
Er hing sich schwer an mich, so daß ich ihn die mir unbekannte Treppe förmlich emportragen mußte.
"Jetzt sind wir oben. Wo ist die Stube des Ser- geanten?"
"Rede leiser; ich höre alles! Rechts die erste Thür ist es."
Er zog mich fort, aber grad aus statt nach rechts; ich schwenkte ihn also herum und fühlte nach einigen Schritten die Thüre, welche ich tastend untersuchte.
"Ich fühle zwei Riegel, aber kein Schloß."
"Es giebt keins."
"Die Riegel sind vorgeschoben."
"Dann sind wir am Ende doch in ein fremdes Haus geraten!"
"Ich werde öffnen."
hat von der Thüre aus noch ſechs bis acht Schritte zu gehen.“
„Rechts oder links?“
„Ja, wie ſtehe ich denn? Hüben oder drüben? O Emir, deine Seele kann die Arznei nicht gut vertragen; denn du haſt mich ſo ſchief geſtellt, daß dieſer Hausflur nicht gradaus läuft, ſondern von unten hinauf in die Höhe!“
„So komm her! Hinter dir iſt die Thüre; hier iſt rechts, und da iſt links. An welcher Seite nun geht die Treppe empor?“
„Hier links.“
Wir ſchritten vorſichtig weiter, und mein taſtender Fuß ſtieß wirklich bald an die unterſte Stufe einer Treppe.
„Da ſind die Stufen, Agha!“
„Ja, das ſind ſie. Falle nicht, Emir! Du warſt noch nie in dieſem Hauſe; ich werde dich ſehr ſorgfältig leiten.“
Er hing ſich ſchwer an mich, ſo daß ich ihn die mir unbekannte Treppe förmlich emportragen mußte.
„Jetzt ſind wir oben. Wo iſt die Stube des Ser- geanten?“
„Rede leiſer; ich höre alles! Rechts die erſte Thür iſt es.“
Er zog mich fort, aber grad aus ſtatt nach rechts; ich ſchwenkte ihn alſo herum und fühlte nach einigen Schritten die Thüre, welche ich taſtend unterſuchte.
„Ich fühle zwei Riegel, aber kein Schloß.“
„Es giebt keins.“
„Die Riegel ſind vorgeſchoben.“
„Dann ſind wir am Ende doch in ein fremdes Haus geraten!“
„Ich werde öffnen.“
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hat von der Thüre aus noch ſechs bis acht Schritte zu
gehen.“
„Rechts oder links?“
„Ja, wie ſtehe ich denn? Hüben oder drüben? O
Emir, deine Seele kann die Arznei nicht gut vertragen;
denn du haſt mich ſo ſchief geſtellt, daß dieſer Hausflur
nicht gradaus läuft, ſondern von unten hinauf in die
Höhe!“
„So komm her! Hinter dir iſt die Thüre; hier iſt
rechts, und da iſt links. An welcher Seite nun geht die
Treppe empor?“
„Hier links.“
Wir ſchritten vorſichtig weiter, und mein taſtender
Fuß ſtieß wirklich bald an die unterſte Stufe einer Treppe.
„Da ſind die Stufen, Agha!“
„Ja, das ſind ſie. Falle nicht, Emir! Du warſt
noch nie in dieſem Hauſe; ich werde dich ſehr ſorgfältig
leiten.“
Er hing ſich ſchwer an mich, ſo daß ich ihn die mir
unbekannte Treppe förmlich emportragen mußte.
„Jetzt ſind wir oben. Wo iſt die Stube des Ser-
geanten?“
„Rede leiſer; ich höre alles! Rechts die erſte Thür
iſt es.“
Er zog mich fort, aber grad aus ſtatt nach rechts;
ich ſchwenkte ihn alſo herum und fühlte nach einigen
Schritten die Thüre, welche ich taſtend unterſuchte.
„Ich fühle zwei Riegel, aber kein Schloß.“
„Es giebt keins.“
„Die Riegel ſind vorgeſchoben.“
„Dann ſind wir am Ende doch in ein fremdes Haus
geraten!“
„Ich werde öffnen.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/253>, abgerufen am 23.12.2024.
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