fallen hörst, so hebe ihn auf; es wird ein Papier daran gebunden sein, welches dir sagt, was du thun sollst."
"Herr, du giebst mir das Leben zurück; denn beinahe wäre ich verzweifelt! Wie habt ihr erfahren, daß man mich nach Amadijah geschleppt hat?"
"Ein Dschesidi sagte es mir, den du am Wasser ge- troffen hast."
"Das stimmt," antwortete er schnell. "O, nun sehe ich, daß du die Wahrheit redest! Ich werde warten, aber grüße den Vater von mir!"
"Ich werde es noch heute thun. Hast du Hunger?"
"Sehr!"
"Könntest du Brot, Licht und Feuerzeug verstecken?"
"Ja. Ich grabe mit den Händen ein Loch in die Erde."
"Hier hast du meinen Dolch dazu. Es ist für alle Fälle gut, wenn du eine Waffe hast. Aber sie ist mir kostbar; laß sie nicht entdeckt werden!"
Er griff hastig zu und drückte sie an die Lippen.
"Herr, Allah mag dir das in deiner Todesstunde gedenken! Nun habe ich eine Waffe; nun werde ich frei sein, auch wenn ihr nicht kommen könnt!"
"Wir werden kommen. Unternimm ja nichts Vor- schnelles; das könnte dich und deinen Vater in große Gefahr versetzen."
"Ich werde eine ganze Woche warten. Seid ihr dann noch nicht gekommen, so handle ich selbst."
"Gut! Wenn es geht, werde ich dir noch diese Nacht Speise, Licht und Feuerzeug durch das Fenster bringen. Vielleicht können wir auch miteinander sprechen. Wenn es ohne Gefahr geschehen kann, sollst du die Stimme deines Vaters hören. Jetzt, lebe wohl; ich muß gehen!"
"Herr, reiche mir deine Hand!"
fallen hörſt, ſo hebe ihn auf; es wird ein Papier daran gebunden ſein, welches dir ſagt, was du thun ſollſt.“
„Herr, du giebſt mir das Leben zurück; denn beinahe wäre ich verzweifelt! Wie habt ihr erfahren, daß man mich nach Amadijah geſchleppt hat?“
„Ein Dſcheſidi ſagte es mir, den du am Waſſer ge- troffen haſt.“
„Das ſtimmt,“ antwortete er ſchnell. „O, nun ſehe ich, daß du die Wahrheit redeſt! Ich werde warten, aber grüße den Vater von mir!“
„Ich werde es noch heute thun. Haſt du Hunger?“
„Sehr!“
„Könnteſt du Brot, Licht und Feuerzeug verſtecken?“
„Ja. Ich grabe mit den Händen ein Loch in die Erde.“
„Hier haſt du meinen Dolch dazu. Es iſt für alle Fälle gut, wenn du eine Waffe haſt. Aber ſie iſt mir koſtbar; laß ſie nicht entdeckt werden!“
Er griff haſtig zu und drückte ſie an die Lippen.
„Herr, Allah mag dir das in deiner Todesſtunde gedenken! Nun habe ich eine Waffe; nun werde ich frei ſein, auch wenn ihr nicht kommen könnt!“
„Wir werden kommen. Unternimm ja nichts Vor- ſchnelles; das könnte dich und deinen Vater in große Gefahr verſetzen.“
„Ich werde eine ganze Woche warten. Seid ihr dann noch nicht gekommen, ſo handle ich ſelbſt.“
„Gut! Wenn es geht, werde ich dir noch dieſe Nacht Speiſe, Licht und Feuerzeug durch das Fenſter bringen. Vielleicht können wir auch miteinander ſprechen. Wenn es ohne Gefahr geſchehen kann, ſollſt du die Stimme deines Vaters hören. Jetzt, lebe wohl; ich muß gehen!“
„Herr, reiche mir deine Hand!“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0259"n="245"/>
fallen hörſt, ſo hebe ihn auf; es wird ein Papier daran<lb/>
gebunden ſein, welches dir ſagt, was du thun ſollſt.“</p><lb/><p>„Herr, du giebſt mir das Leben zurück; denn beinahe<lb/>
wäre ich verzweifelt! Wie habt ihr erfahren, daß man<lb/>
mich nach Amadijah geſchleppt hat?“</p><lb/><p>„Ein Dſcheſidi ſagte es mir, den du am Waſſer ge-<lb/>
troffen haſt.“</p><lb/><p>„Das ſtimmt,“ antwortete er ſchnell. „O, nun ſehe<lb/>
ich, daß du die Wahrheit redeſt! Ich werde warten, aber<lb/>
grüße den Vater von mir!“</p><lb/><p>„Ich werde es noch heute thun. Haſt du Hunger?“</p><lb/><p>„Sehr!“</p><lb/><p>„Könnteſt du Brot, Licht und Feuerzeug verſtecken?“</p><lb/><p>„Ja. Ich grabe mit den Händen ein Loch in die<lb/>
Erde.“</p><lb/><p>„Hier haſt du meinen Dolch dazu. Es iſt für alle<lb/>
Fälle gut, wenn du eine Waffe haſt. Aber ſie iſt mir<lb/>
koſtbar; laß ſie nicht entdeckt werden!“</p><lb/><p>Er griff haſtig zu und drückte ſie an die Lippen.</p><lb/><p>„Herr, Allah mag dir das in deiner Todesſtunde<lb/>
gedenken! Nun habe ich eine Waffe; nun werde ich frei<lb/>ſein, auch wenn ihr nicht kommen könnt!“</p><lb/><p>„Wir werden kommen. Unternimm ja nichts Vor-<lb/>ſchnelles; das könnte dich und deinen Vater in große<lb/>
Gefahr verſetzen.“</p><lb/><p>„Ich werde eine ganze Woche warten. Seid ihr<lb/>
dann noch nicht gekommen, ſo handle ich ſelbſt.“</p><lb/><p>„Gut! Wenn es geht, werde ich dir noch dieſe Nacht<lb/>
Speiſe, Licht und Feuerzeug durch das Fenſter bringen.<lb/>
Vielleicht können wir auch miteinander ſprechen. Wenn<lb/>
es ohne Gefahr geſchehen kann, ſollſt du die Stimme<lb/>
deines Vaters hören. Jetzt, lebe wohl; ich muß gehen!“</p><lb/><p>„Herr, reiche mir deine Hand!“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[245/0259]
fallen hörſt, ſo hebe ihn auf; es wird ein Papier daran
gebunden ſein, welches dir ſagt, was du thun ſollſt.“
„Herr, du giebſt mir das Leben zurück; denn beinahe
wäre ich verzweifelt! Wie habt ihr erfahren, daß man
mich nach Amadijah geſchleppt hat?“
„Ein Dſcheſidi ſagte es mir, den du am Waſſer ge-
troffen haſt.“
„Das ſtimmt,“ antwortete er ſchnell. „O, nun ſehe
ich, daß du die Wahrheit redeſt! Ich werde warten, aber
grüße den Vater von mir!“
„Ich werde es noch heute thun. Haſt du Hunger?“
„Sehr!“
„Könnteſt du Brot, Licht und Feuerzeug verſtecken?“
„Ja. Ich grabe mit den Händen ein Loch in die
Erde.“
„Hier haſt du meinen Dolch dazu. Es iſt für alle
Fälle gut, wenn du eine Waffe haſt. Aber ſie iſt mir
koſtbar; laß ſie nicht entdeckt werden!“
Er griff haſtig zu und drückte ſie an die Lippen.
„Herr, Allah mag dir das in deiner Todesſtunde
gedenken! Nun habe ich eine Waffe; nun werde ich frei
ſein, auch wenn ihr nicht kommen könnt!“
„Wir werden kommen. Unternimm ja nichts Vor-
ſchnelles; das könnte dich und deinen Vater in große
Gefahr verſetzen.“
„Ich werde eine ganze Woche warten. Seid ihr
dann noch nicht gekommen, ſo handle ich ſelbſt.“
„Gut! Wenn es geht, werde ich dir noch dieſe Nacht
Speiſe, Licht und Feuerzeug durch das Fenſter bringen.
Vielleicht können wir auch miteinander ſprechen. Wenn
es ohne Gefahr geſchehen kann, ſollſt du die Stimme
deines Vaters hören. Jetzt, lebe wohl; ich muß gehen!“
„Herr, reiche mir deine Hand!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/259>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.