Ich trat unterdessen in die Küche. Dort kauerte Mersinah am Boden und machte ein so trübseliges Ge- sicht, daß ich mich wirklich gerührt fühlte.
"Oh, da bist du, Effendi!" rief sie aufspringend. "Eile, eile! Ich habe dem Agha befohlen, dich entfliehen zu lassen."
"Nimm meinen Dank dafür, Mersinah! Aber ich werde doch bleiben."
"Sie werden dich aber einsperren, Herr."
"Das wollen wir abwarten!"
"Wenn sie es thun, Effendi, so weine ich mich zu Tode und werde dir die besten Suppen kochen, die es giebt. Du sollst nicht hungern!"
"Du wirst für mich nichts zu kochen haben, denn man wird mich nicht einstecken; das versichere ich dir."
"Emir, du giebst mir das Leben wieder! Aber sie könnten es doch thun, und dann nehmen sie dir alles ab. Magst du mir nicht dein Geld zurücklassen und auch die andern Sachen, welche dir teuer sind? Ich werde dir alles aufbewahren und kein Wort davon sagen."
"Das glaube ich dir, du Schutz und Engel dieses Hauses; aber eine solche Vorsicht ist nicht nötig."
"So thue, was dir gefällt! Gehe nun, und Allah sei bei dir mit seinem Propheten, der dich beschützen möge!"
Wir gingen. Als ich über den Platz schritt, bemerkte ich hinter den Thüren einiger Häuser die Arnauten stehen, von denen Selim gesprochen hatte. Es war also jeden- falls sehr ernstlich gemeint. Auch vor dem Palaste, im Flur und auf der Treppe desselben, sogar im Vorzimmer standen Soldaten. Ich wäre doch beinahe besorgt ge- worden.
„Den Boten, welcher zu mir gekommen iſt.“
„Ich will ihn rufen; er iſt im Hofe.“
Ich trat unterdeſſen in die Küche. Dort kauerte Merſinah am Boden und machte ein ſo trübſeliges Ge- ſicht, daß ich mich wirklich gerührt fühlte.
„Oh, da biſt du, Effendi!“ rief ſie aufſpringend. „Eile, eile! Ich habe dem Agha befohlen, dich entfliehen zu laſſen.“
„Nimm meinen Dank dafür, Merſinah! Aber ich werde doch bleiben.“
„Sie werden dich aber einſperren, Herr.“
„Das wollen wir abwarten!“
„Wenn ſie es thun, Effendi, ſo weine ich mich zu Tode und werde dir die beſten Suppen kochen, die es giebt. Du ſollſt nicht hungern!“
„Du wirſt für mich nichts zu kochen haben, denn man wird mich nicht einſtecken; das verſichere ich dir.“
„Emir, du giebſt mir das Leben wieder! Aber ſie könnten es doch thun, und dann nehmen ſie dir alles ab. Magſt du mir nicht dein Geld zurücklaſſen und auch die andern Sachen, welche dir teuer ſind? Ich werde dir alles aufbewahren und kein Wort davon ſagen.“
„Das glaube ich dir, du Schutz und Engel dieſes Hauſes; aber eine ſolche Vorſicht iſt nicht nötig.“
„So thue, was dir gefällt! Gehe nun, und Allah ſei bei dir mit ſeinem Propheten, der dich beſchützen möge!“
Wir gingen. Als ich über den Platz ſchritt, bemerkte ich hinter den Thüren einiger Häuſer die Arnauten ſtehen, von denen Selim geſprochen hatte. Es war alſo jeden- falls ſehr ernſtlich gemeint. Auch vor dem Palaſte, im Flur und auf der Treppe desſelben, ſogar im Vorzimmer ſtanden Soldaten. Ich wäre doch beinahe beſorgt ge- worden.
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[275/0289]
„Den Boten, welcher zu mir gekommen iſt.“
„Ich will ihn rufen; er iſt im Hofe.“
Ich trat unterdeſſen in die Küche. Dort kauerte
Merſinah am Boden und machte ein ſo trübſeliges Ge-
ſicht, daß ich mich wirklich gerührt fühlte.
„Oh, da biſt du, Effendi!“ rief ſie aufſpringend.
„Eile, eile! Ich habe dem Agha befohlen, dich entfliehen
zu laſſen.“
„Nimm meinen Dank dafür, Merſinah! Aber ich
werde doch bleiben.“
„Sie werden dich aber einſperren, Herr.“
„Das wollen wir abwarten!“
„Wenn ſie es thun, Effendi, ſo weine ich mich zu
Tode und werde dir die beſten Suppen kochen, die es
giebt. Du ſollſt nicht hungern!“
„Du wirſt für mich nichts zu kochen haben, denn man
wird mich nicht einſtecken; das verſichere ich dir.“
„Emir, du giebſt mir das Leben wieder! Aber ſie
könnten es doch thun, und dann nehmen ſie dir alles ab.
Magſt du mir nicht dein Geld zurücklaſſen und auch die
andern Sachen, welche dir teuer ſind? Ich werde dir alles
aufbewahren und kein Wort davon ſagen.“
„Das glaube ich dir, du Schutz und Engel dieſes
Hauſes; aber eine ſolche Vorſicht iſt nicht nötig.“
„So thue, was dir gefällt! Gehe nun, und Allah ſei
bei dir mit ſeinem Propheten, der dich beſchützen möge!“
Wir gingen. Als ich über den Platz ſchritt, bemerkte
ich hinter den Thüren einiger Häuſer die Arnauten ſtehen,
von denen Selim geſprochen hatte. Es war alſo jeden-
falls ſehr ernſtlich gemeint. Auch vor dem Palaſte, im
Flur und auf der Treppe desſelben, ſogar im Vorzimmer
ſtanden Soldaten. Ich wäre doch beinahe beſorgt ge-
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/289>, abgerufen am 23.12.2024.
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