Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

Dieses "So!" brachte den guten Mann einigermaßen
in Verlegenheit.

"Du mußt dies doch auch wissen!" meinte er.

"Wer hat dir gesagt, daß er spricht?"

"Einer, der ihn gehört hat."

"Wer ist es?"

"Ein Arnaute, der heute kam, um euch anzuklagen."

"Was thatest du?"

"Ich sandte nach dir."

"Warum?"

"Um dich zu vernehmen."

"Alla illa Allah! Also auf die Anklage eines schur-
kischen Arnauten hin sendest du zu mir, um mich, den
Emir und Effendi, wie einen eben solchen Schurken zu
behandeln! Mutesselim, Allah segne deine Weisheit, damit
sie dir nicht abhanden komme!"

"Effendi, bitte Gott um deiner eigenen Weisheit
willen, denn du wirst sie brauchen können!"

"Das klingt fast wie eine Drohung!"

"Und dein Wort klang wie eine Beleidigung!"

"Nachdem du mich beleidigt hast. Laß dir etwas
sagen, Mutesselim. Hier in dieser Drehpistole sind sechs
Schüsse und in dieser anderen ebenso viele. Rede, was
du mit mir zu reden hast; aber bedenke, daß ein Emir
aus Germanistan kein Arnaute ist und sich auch nicht mit
einem solchen vergleichen läßt! Wenn mein Gefährte sein
Gelübde nicht hält, was geht es einen Arnauten an? Wo
ist dieser Mann?"

"Er steht in meinem Dienst."

"Seit wann?"

"Seit lange."

"Mutesselim, du sprichst die Unwahrheit! Dieser Ar-
naute stand gestern noch nicht in deinem Dienste. Er ist

Dieſes „So!“ brachte den guten Mann einigermaßen
in Verlegenheit.

„Du mußt dies doch auch wiſſen!“ meinte er.

„Wer hat dir geſagt, daß er ſpricht?“

„Einer, der ihn gehört hat.“

„Wer iſt es?“

„Ein Arnaute, der heute kam, um euch anzuklagen.“

„Was thateſt du?“

„Ich ſandte nach dir.“

„Warum?“

„Um dich zu vernehmen.“

„Alla illa Allah! Alſo auf die Anklage eines ſchur-
kiſchen Arnauten hin ſendeſt du zu mir, um mich, den
Emir und Effendi, wie einen eben ſolchen Schurken zu
behandeln! Muteſſelim, Allah ſegne deine Weisheit, damit
ſie dir nicht abhanden komme!“

„Effendi, bitte Gott um deiner eigenen Weisheit
willen, denn du wirſt ſie brauchen können!“

„Das klingt faſt wie eine Drohung!“

„Und dein Wort klang wie eine Beleidigung!“

„Nachdem du mich beleidigt haſt. Laß dir etwas
ſagen, Muteſſelim. Hier in dieſer Drehpiſtole ſind ſechs
Schüſſe und in dieſer anderen ebenſo viele. Rede, was
du mit mir zu reden haſt; aber bedenke, daß ein Emir
aus Germaniſtan kein Arnaute iſt und ſich auch nicht mit
einem ſolchen vergleichen läßt! Wenn mein Gefährte ſein
Gelübde nicht hält, was geht es einen Arnauten an? Wo
iſt dieſer Mann?“

„Er ſteht in meinem Dienſt.“

„Seit wann?“

„Seit lange.“

„Muteſſelim, du ſprichſt die Unwahrheit! Dieſer Ar-
naute ſtand geſtern noch nicht in deinem Dienſte. Er iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0291" n="277"/>
        <p>Die&#x017F;es &#x201E;So!&#x201C; brachte den guten Mann einigermaßen<lb/>
in Verlegenheit.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du mußt dies doch auch wi&#x017F;&#x017F;en!&#x201C; meinte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer hat dir ge&#x017F;agt, daß er &#x017F;pricht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Einer, der ihn gehört hat.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer i&#x017F;t es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ein Arnaute, der heute kam, um euch anzuklagen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was thate&#x017F;t du?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich &#x017F;andte nach dir.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um dich zu vernehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alla illa Allah! Al&#x017F;o auf die Anklage eines &#x017F;chur-<lb/>
ki&#x017F;chen Arnauten hin &#x017F;ende&#x017F;t du zu mir, um mich, den<lb/>
Emir und Effendi, wie einen eben &#x017F;olchen Schurken zu<lb/>
behandeln! Mute&#x017F;&#x017F;elim, Allah &#x017F;egne deine Weisheit, damit<lb/>
&#x017F;ie dir nicht abhanden komme!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Effendi, bitte Gott um deiner eigenen Weisheit<lb/>
willen, denn du wir&#x017F;t &#x017F;ie brauchen können!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das klingt fa&#x017F;t wie eine Drohung!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und dein Wort klang wie eine Beleidigung!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nachdem du mich beleidigt ha&#x017F;t. Laß dir etwas<lb/>
&#x017F;agen, Mute&#x017F;&#x017F;elim. Hier in die&#x017F;er Drehpi&#x017F;tole &#x017F;ind &#x017F;echs<lb/>
Schü&#x017F;&#x017F;e und in die&#x017F;er anderen eben&#x017F;o viele. Rede, was<lb/>
du mit mir zu reden ha&#x017F;t; aber bedenke, daß ein Emir<lb/>
aus Germani&#x017F;tan kein Arnaute i&#x017F;t und &#x017F;ich auch nicht mit<lb/>
einem &#x017F;olchen vergleichen läßt! Wenn mein Gefährte &#x017F;ein<lb/>
Gelübde nicht hält, was geht es einen Arnauten an? Wo<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;er Mann?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er &#x017F;teht in meinem Dien&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seit wann?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seit lange.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mute&#x017F;&#x017F;elim, du &#x017F;prich&#x017F;t die Unwahrheit! Die&#x017F;er Ar-<lb/>
naute &#x017F;tand ge&#x017F;tern noch nicht in deinem Dien&#x017F;te. Er i&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0291] Dieſes „So!“ brachte den guten Mann einigermaßen in Verlegenheit. „Du mußt dies doch auch wiſſen!“ meinte er. „Wer hat dir geſagt, daß er ſpricht?“ „Einer, der ihn gehört hat.“ „Wer iſt es?“ „Ein Arnaute, der heute kam, um euch anzuklagen.“ „Was thateſt du?“ „Ich ſandte nach dir.“ „Warum?“ „Um dich zu vernehmen.“ „Alla illa Allah! Alſo auf die Anklage eines ſchur- kiſchen Arnauten hin ſendeſt du zu mir, um mich, den Emir und Effendi, wie einen eben ſolchen Schurken zu behandeln! Muteſſelim, Allah ſegne deine Weisheit, damit ſie dir nicht abhanden komme!“ „Effendi, bitte Gott um deiner eigenen Weisheit willen, denn du wirſt ſie brauchen können!“ „Das klingt faſt wie eine Drohung!“ „Und dein Wort klang wie eine Beleidigung!“ „Nachdem du mich beleidigt haſt. Laß dir etwas ſagen, Muteſſelim. Hier in dieſer Drehpiſtole ſind ſechs Schüſſe und in dieſer anderen ebenſo viele. Rede, was du mit mir zu reden haſt; aber bedenke, daß ein Emir aus Germaniſtan kein Arnaute iſt und ſich auch nicht mit einem ſolchen vergleichen läßt! Wenn mein Gefährte ſein Gelübde nicht hält, was geht es einen Arnauten an? Wo iſt dieſer Mann?“ „Er ſteht in meinem Dienſt.“ „Seit wann?“ „Seit lange.“ „Muteſſelim, du ſprichſt die Unwahrheit! Dieſer Ar- naute ſtand geſtern noch nicht in deinem Dienſte. Er iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/291
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/291>, abgerufen am 23.12.2024.