Wir ließen den Wein stehen und schritten mit schnellen Schritten unserer Wohnung zu.
Als wir heim kamen, saß der Kommandant auf meinem Ehrenplatze in meiner Stube, ließ sich von der roten Papierlaterne magisch beleuchten und sog an meinem Nar- gileh. Er war, als er mich erblickte, so höflich, sich zu erheben.
"Ah, Mutesselim, du hier in meiner Wohnung! Allah segne deinen Eintritt und lasse es dir wohlgefallen an meiner Seite!"
Im stillen aber hatte ich allerdings einen nicht ganz mit dieser höflichen Phrase übereinstimmenden Wunsch.
"Emir, verzeihe, daß ich zu dir heraufstieg. Die Wirtin dieses Hauses, der Allah ein Gesicht gegeben hat wie keiner zweiten, wies mich herauf. Ich wollte mit Selim Agha reden."
"So erlaube, daß ich mich wieder entferne!"
"Jetzt war er gezwungen, mich zum Hierbleiben auf- zufordern, wenn er nicht ganz und gar gegen alle türkische Bildung verstoßen wollte.
"Bleib, Emir, und setze dich. Auch Selim Agha mag sich setzen; denn was ich von ihm verlange, das darfst du wissen."
Jetzt mußten die Reservepfeifen her. Während des Anzündens beobachtete ich den Kommandanten scharf. Das rote Licht der Laterne ließ mich sein Gesicht nicht genau erkennen, aber seine Stimme schien mir jenen Klang zu besitzen, welcher dann zu hören ist, wenn die Zunge ihre gewöhnliche Leichtigkeit zu verlieren beginnt.
"Was meinest du, Effendi? Ist der Makredsch ein wichtiger Gefangener?"
„Halef wußte es nicht.“
„Es muß wichtig ſein. Eile!“
Wir ließen den Wein ſtehen und ſchritten mit ſchnellen Schritten unſerer Wohnung zu.
Als wir heim kamen, ſaß der Kommandant auf meinem Ehrenplatze in meiner Stube, ließ ſich von der roten Papierlaterne magiſch beleuchten und ſog an meinem Nar- gileh. Er war, als er mich erblickte, ſo höflich, ſich zu erheben.
„Ah, Muteſſelim, du hier in meiner Wohnung! Allah ſegne deinen Eintritt und laſſe es dir wohlgefallen an meiner Seite!“
Im ſtillen aber hatte ich allerdings einen nicht ganz mit dieſer höflichen Phraſe übereinſtimmenden Wunſch.
„Emir, verzeihe, daß ich zu dir heraufſtieg. Die Wirtin dieſes Hauſes, der Allah ein Geſicht gegeben hat wie keiner zweiten, wies mich herauf. Ich wollte mit Selim Agha reden.“
„So erlaube, daß ich mich wieder entferne!“
„Jetzt war er gezwungen, mich zum Hierbleiben auf- zufordern, wenn er nicht ganz und gar gegen alle türkiſche Bildung verſtoßen wollte.
„Bleib, Emir, und ſetze dich. Auch Selim Agha mag ſich ſetzen; denn was ich von ihm verlange, das darfſt du wiſſen.“
Jetzt mußten die Reſervepfeifen her. Während des Anzündens beobachtete ich den Kommandanten ſcharf. Das rote Licht der Laterne ließ mich ſein Geſicht nicht genau erkennen, aber ſeine Stimme ſchien mir jenen Klang zu beſitzen, welcher dann zu hören iſt, wenn die Zunge ihre gewöhnliche Leichtigkeit zu verlieren beginnt.
„Was meineſt du, Effendi? Iſt der Makredſch ein wichtiger Gefangener?“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0310"n="296"/><p>„Halef wußte es nicht.“</p><lb/><p>„Es muß wichtig ſein. Eile!“</p><lb/><p>Wir ließen den Wein ſtehen und ſchritten mit ſchnellen<lb/>
Schritten unſerer Wohnung zu.</p><lb/><p>Als wir heim kamen, ſaß der Kommandant auf meinem<lb/>
Ehrenplatze in meiner Stube, ließ ſich von der roten<lb/>
Papierlaterne magiſch beleuchten und ſog an meinem Nar-<lb/>
gileh. Er war, als er mich erblickte, ſo höflich, ſich zu<lb/>
erheben.</p><lb/><p>„Ah, Muteſſelim, du hier in meiner Wohnung!<lb/>
Allah ſegne deinen Eintritt und laſſe es dir wohlgefallen<lb/>
an meiner Seite!“</p><lb/><p>Im ſtillen aber hatte ich allerdings einen nicht ganz<lb/>
mit dieſer höflichen Phraſe übereinſtimmenden Wunſch.</p><lb/><p>„Emir, verzeihe, daß ich zu dir heraufſtieg. Die<lb/>
Wirtin dieſes Hauſes, der Allah ein Geſicht gegeben hat<lb/>
wie keiner zweiten, wies mich herauf. Ich wollte mit<lb/>
Selim Agha reden.“</p><lb/><p>„So erlaube, daß ich mich wieder entferne!“</p><lb/><p>„Jetzt war er gezwungen, mich zum Hierbleiben auf-<lb/>
zufordern, wenn er nicht ganz und gar gegen alle türkiſche<lb/>
Bildung verſtoßen wollte.</p><lb/><p>„Bleib, Emir, und ſetze dich. Auch Selim Agha mag<lb/>ſich ſetzen; denn was ich von ihm verlange, das darfſt du<lb/>
wiſſen.“</p><lb/><p>Jetzt mußten die Reſervepfeifen her. Während des<lb/>
Anzündens beobachtete ich den Kommandanten ſcharf. Das<lb/>
rote Licht der Laterne ließ mich ſein Geſicht nicht genau<lb/>
erkennen, aber ſeine Stimme ſchien mir jenen Klang zu<lb/>
beſitzen, welcher dann zu hören iſt, wenn die Zunge ihre<lb/>
gewöhnliche Leichtigkeit zu verlieren beginnt.</p><lb/><p>„Was meineſt du, Effendi? Iſt der Makredſch ein<lb/>
wichtiger Gefangener?“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[296/0310]
„Halef wußte es nicht.“
„Es muß wichtig ſein. Eile!“
Wir ließen den Wein ſtehen und ſchritten mit ſchnellen
Schritten unſerer Wohnung zu.
Als wir heim kamen, ſaß der Kommandant auf meinem
Ehrenplatze in meiner Stube, ließ ſich von der roten
Papierlaterne magiſch beleuchten und ſog an meinem Nar-
gileh. Er war, als er mich erblickte, ſo höflich, ſich zu
erheben.
„Ah, Muteſſelim, du hier in meiner Wohnung!
Allah ſegne deinen Eintritt und laſſe es dir wohlgefallen
an meiner Seite!“
Im ſtillen aber hatte ich allerdings einen nicht ganz
mit dieſer höflichen Phraſe übereinſtimmenden Wunſch.
„Emir, verzeihe, daß ich zu dir heraufſtieg. Die
Wirtin dieſes Hauſes, der Allah ein Geſicht gegeben hat
wie keiner zweiten, wies mich herauf. Ich wollte mit
Selim Agha reden.“
„So erlaube, daß ich mich wieder entferne!“
„Jetzt war er gezwungen, mich zum Hierbleiben auf-
zufordern, wenn er nicht ganz und gar gegen alle türkiſche
Bildung verſtoßen wollte.
„Bleib, Emir, und ſetze dich. Auch Selim Agha mag
ſich ſetzen; denn was ich von ihm verlange, das darfſt du
wiſſen.“
Jetzt mußten die Reſervepfeifen her. Während des
Anzündens beobachtete ich den Kommandanten ſcharf. Das
rote Licht der Laterne ließ mich ſein Geſicht nicht genau
erkennen, aber ſeine Stimme ſchien mir jenen Klang zu
beſitzen, welcher dann zu hören iſt, wenn die Zunge ihre
gewöhnliche Leichtigkeit zu verlieren beginnt.
„Was meineſt du, Effendi? Iſt der Makredſch ein
wichtiger Gefangener?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/310>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.