"Der Ruh 'i kulyan? Der Höhlengeist? Wer führt diesen sonderbaren Namen?" fragte ich die Hundertjährige.
"Das wird dir niemand sagen können."
"Aber du sprichst von ihm und kannst mir wohl Auskunft geben?"
"Der Ruh' i kulyan ist ein Wesen, das niemand kennt. Er ist bald hier, bald dort, überall wo ein Bitten- der ist, der es verdient, daß seine Bitte erfüllt werde. An vielen Dörfern giebt es einen bestimmten Ort, an welchem man zu gewissen Zeiten mit ihm reden kann. Dahin gehen die Hilfesuchenden um Mitternacht und sagen ihm, was sie von ihm begehren. Er giebt dann Rat und Trost, aber er weiß auch zu drohen und zu strafen, und mancher Mächtige thut, was er von ihm begehrt. Nie wird vor einem Fremden von ihm gesprochen; denn nur die Guten und die Freunde dürfen wissen, wo er zu finden ist."
"So wird mir dein Geheimnis keinen Nutzen bringen."
"Warum?"
"Man wird mir nicht sagen, wo er zu finden ist, obgleich man sieht, daß ich seinen Namen kenne."
"So sage nur, daß ich dir von ihm erzählt habe: dann wird man dir den Ort sagen, wo er zu finden ist. Mein Name ist bekannt im ganzen Lande von Tijari, und die Guten wissen, daß sie meinen Freunden ver- trauen dürfen."
"Wie lautet dein Name?"
"Marah Durimeh heiße ich."
Das war eine geheimnisvolle Mitteilung, die aber so abenteuerlich klang, daß ich nicht den mindesten Wert auf sie legte. Ich verabschiedete mich und ging nach Hause. Dort merkte ich, daß es ungewöhnlich laut in der Küche herging. Es mußte der edlen ,Myrte' etwas
„Der Ruh 'i kulyan? Der Höhlengeiſt? Wer führt dieſen ſonderbaren Namen?“ fragte ich die Hundertjährige.
„Das wird dir niemand ſagen können.“
„Aber du ſprichſt von ihm und kannſt mir wohl Auskunft geben?“
„Der Ruh' i kulyan iſt ein Weſen, das niemand kennt. Er iſt bald hier, bald dort, überall wo ein Bitten- der iſt, der es verdient, daß ſeine Bitte erfüllt werde. An vielen Dörfern giebt es einen beſtimmten Ort, an welchem man zu gewiſſen Zeiten mit ihm reden kann. Dahin gehen die Hilfeſuchenden um Mitternacht und ſagen ihm, was ſie von ihm begehren. Er giebt dann Rat und Troſt, aber er weiß auch zu drohen und zu ſtrafen, und mancher Mächtige thut, was er von ihm begehrt. Nie wird vor einem Fremden von ihm geſprochen; denn nur die Guten und die Freunde dürfen wiſſen, wo er zu finden iſt.“
„So wird mir dein Geheimnis keinen Nutzen bringen.“
„Warum?“
„Man wird mir nicht ſagen, wo er zu finden iſt, obgleich man ſieht, daß ich ſeinen Namen kenne.“
„So ſage nur, daß ich dir von ihm erzählt habe: dann wird man dir den Ort ſagen, wo er zu finden iſt. Mein Name iſt bekannt im ganzen Lande von Tijari, und die Guten wiſſen, daß ſie meinen Freunden ver- trauen dürfen.“
„Wie lautet dein Name?“
„Marah Durimeh heiße ich.“
Das war eine geheimnisvolle Mitteilung, die aber ſo abenteuerlich klang, daß ich nicht den mindeſten Wert auf ſie legte. Ich verabſchiedete mich und ging nach Hauſe. Dort merkte ich, daß es ungewöhnlich laut in der Küche herging. Es mußte der edlen ‚Myrte‘ etwas
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„Der Ruh 'i kulyan? Der Höhlengeiſt? Wer führt
dieſen ſonderbaren Namen?“ fragte ich die Hundertjährige.
„Das wird dir niemand ſagen können.“
„Aber du ſprichſt von ihm und kannſt mir wohl
Auskunft geben?“
„Der Ruh' i kulyan iſt ein Weſen, das niemand
kennt. Er iſt bald hier, bald dort, überall wo ein Bitten-
der iſt, der es verdient, daß ſeine Bitte erfüllt werde.
An vielen Dörfern giebt es einen beſtimmten Ort, an
welchem man zu gewiſſen Zeiten mit ihm reden kann.
Dahin gehen die Hilfeſuchenden um Mitternacht und ſagen
ihm, was ſie von ihm begehren. Er giebt dann Rat
und Troſt, aber er weiß auch zu drohen und zu ſtrafen,
und mancher Mächtige thut, was er von ihm begehrt.
Nie wird vor einem Fremden von ihm geſprochen; denn
nur die Guten und die Freunde dürfen wiſſen, wo er zu
finden iſt.“
„So wird mir dein Geheimnis keinen Nutzen bringen.“
„Warum?“
„Man wird mir nicht ſagen, wo er zu finden iſt,
obgleich man ſieht, daß ich ſeinen Namen kenne.“
„So ſage nur, daß ich dir von ihm erzählt habe:
dann wird man dir den Ort ſagen, wo er zu finden iſt.
Mein Name iſt bekannt im ganzen Lande von Tijari,
und die Guten wiſſen, daß ſie meinen Freunden ver-
trauen dürfen.“
„Wie lautet dein Name?“
„Marah Durimeh heiße ich.“
Das war eine geheimnisvolle Mitteilung, die aber
ſo abenteuerlich klang, daß ich nicht den mindeſten Wert
auf ſie legte. Ich verabſchiedete mich und ging nach
Hauſe. Dort merkte ich, daß es ungewöhnlich laut in
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/345>, abgerufen am 23.12.2024.
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