Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

stand der Baschi-Bozuk vor der Treppe. Er hatte meine
Stimme gehört und auf mich gewartet.

"Effendi, ich will Abschied von dir nehmen!"

"Komme herein; ich will dich bezahlen!"

"Oh, Emir, ich bin schon bezahlt."

"Von wem?"

"Von dem Manne mit dem langen Gesichte."

"Wie viel hat er dir gegeben?"

"Das!"

Er fuhr mit freudeglänzenden Augen in den Gürtel
und holte eine ganze Hand voll großer Silberstücke her-
vor, die er mir zeigte.

"So komme nur. Wenn dies so ist, so hat der Mann
mit dem langen Gesichte dich bezahlt, und ich werde nun
den Esel bezahlen."

"Allah kerihm, den verkaufe ich nicht!" rief er er-
schrocken.

"Ich meine nur, daß ich ihm seinen Lohn auszahlen
will!"

"Maschallah, da komme ich!"

Er ging mit in meine Stube, die leer war. Hier
stellte ich ihm ein Zeugnis aus und gab ihm noch einiges
Geld, über welches er vor Freuden fast ganz außer sich
geriet.

"Emir, ich habe noch niemals einen so guten Effendi
gesehen, wie du bist. Ich wollte, du wärest mein Haupt-
mann oder mein Major oder Oberst! Dann würde ich
dich in der Schlacht beschützen und um mich schlagen wie
damals, als ich meine Nase verlor. Das war nämlich
in der großen Schlacht bei -- -- --"

"Laß das sein, mein guter Ifra. Ich bin von deiner
Tapferkeit völlig überzeugt. Du bist heute bei dem Mu-
tesselim gewesen?"

ſtand der Baſchi-Bozuk vor der Treppe. Er hatte meine
Stimme gehört und auf mich gewartet.

„Effendi, ich will Abſchied von dir nehmen!“

„Komme herein; ich will dich bezahlen!“

„Oh, Emir, ich bin ſchon bezahlt.“

„Von wem?“

„Von dem Manne mit dem langen Geſichte.“

„Wie viel hat er dir gegeben?“

„Das!“

Er fuhr mit freudeglänzenden Augen in den Gürtel
und holte eine ganze Hand voll großer Silberſtücke her-
vor, die er mir zeigte.

„So komme nur. Wenn dies ſo iſt, ſo hat der Mann
mit dem langen Geſichte dich bezahlt, und ich werde nun
den Eſel bezahlen.“

„Allah kerihm, den verkaufe ich nicht!“ rief er er-
ſchrocken.

„Ich meine nur, daß ich ihm ſeinen Lohn auszahlen
will!“

„Maſchallah, da komme ich!“

Er ging mit in meine Stube, die leer war. Hier
ſtellte ich ihm ein Zeugnis aus und gab ihm noch einiges
Geld, über welches er vor Freuden faſt ganz außer ſich
geriet.

„Emir, ich habe noch niemals einen ſo guten Effendi
geſehen, wie du biſt. Ich wollte, du wäreſt mein Haupt-
mann oder mein Major oder Oberſt! Dann würde ich
dich in der Schlacht beſchützen und um mich ſchlagen wie
damals, als ich meine Naſe verlor. Das war nämlich
in der großen Schlacht bei — — —“

„Laß das ſein, mein guter Ifra. Ich bin von deiner
Tapferkeit völlig überzeugt. Du biſt heute bei dem Mu-
teſſelim geweſen?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0373" n="359"/>
&#x017F;tand der Ba&#x017F;chi-Bozuk vor der Treppe. Er hatte meine<lb/>
Stimme gehört und auf mich gewartet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Effendi, ich will Ab&#x017F;chied von dir nehmen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Komme herein; ich will dich bezahlen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oh, Emir, ich bin &#x017F;chon bezahlt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von wem?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Von dem Manne mit dem langen Ge&#x017F;ichte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie viel hat er dir gegeben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er fuhr mit freudeglänzenden Augen in den Gürtel<lb/>
und holte eine ganze Hand voll großer Silber&#x017F;tücke her-<lb/>
vor, die er mir zeigte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;So komme nur. Wenn dies &#x017F;o i&#x017F;t, &#x017F;o hat der Mann<lb/>
mit dem langen Ge&#x017F;ichte dich bezahlt, und ich werde nun<lb/>
den E&#x017F;el bezahlen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Allah kerihm, den verkaufe ich nicht!&#x201C; rief er er-<lb/>
&#x017F;chrocken.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich meine nur, daß ich ihm &#x017F;einen Lohn auszahlen<lb/>
will!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ma&#x017F;challah, da komme ich!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er ging mit in meine Stube, die leer war. Hier<lb/>
&#x017F;tellte ich ihm ein Zeugnis aus und gab ihm noch einiges<lb/>
Geld, über welches er vor Freuden fa&#x017F;t ganz außer &#x017F;ich<lb/>
geriet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Emir, ich habe noch niemals einen &#x017F;o guten Effendi<lb/>
ge&#x017F;ehen, wie du bi&#x017F;t. Ich wollte, du wäre&#x017F;t mein Haupt-<lb/>
mann oder mein Major oder Ober&#x017F;t! Dann würde ich<lb/>
dich in der Schlacht be&#x017F;chützen und um mich &#x017F;chlagen wie<lb/>
damals, als ich meine Na&#x017F;e verlor. Das war nämlich<lb/>
in der großen Schlacht bei &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laß das &#x017F;ein, mein guter Ifra. Ich bin von deiner<lb/>
Tapferkeit völlig überzeugt. Du bi&#x017F;t heute bei dem Mu-<lb/>
te&#x017F;&#x017F;elim gewe&#x017F;en?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0373] ſtand der Baſchi-Bozuk vor der Treppe. Er hatte meine Stimme gehört und auf mich gewartet. „Effendi, ich will Abſchied von dir nehmen!“ „Komme herein; ich will dich bezahlen!“ „Oh, Emir, ich bin ſchon bezahlt.“ „Von wem?“ „Von dem Manne mit dem langen Geſichte.“ „Wie viel hat er dir gegeben?“ „Das!“ Er fuhr mit freudeglänzenden Augen in den Gürtel und holte eine ganze Hand voll großer Silberſtücke her- vor, die er mir zeigte. „So komme nur. Wenn dies ſo iſt, ſo hat der Mann mit dem langen Geſichte dich bezahlt, und ich werde nun den Eſel bezahlen.“ „Allah kerihm, den verkaufe ich nicht!“ rief er er- ſchrocken. „Ich meine nur, daß ich ihm ſeinen Lohn auszahlen will!“ „Maſchallah, da komme ich!“ Er ging mit in meine Stube, die leer war. Hier ſtellte ich ihm ein Zeugnis aus und gab ihm noch einiges Geld, über welches er vor Freuden faſt ganz außer ſich geriet. „Emir, ich habe noch niemals einen ſo guten Effendi geſehen, wie du biſt. Ich wollte, du wäreſt mein Haupt- mann oder mein Major oder Oberſt! Dann würde ich dich in der Schlacht beſchützen und um mich ſchlagen wie damals, als ich meine Naſe verlor. Das war nämlich in der großen Schlacht bei — — —“ „Laß das ſein, mein guter Ifra. Ich bin von deiner Tapferkeit völlig überzeugt. Du biſt heute bei dem Mu- teſſelim geweſen?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/373
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/373>, abgerufen am 23.12.2024.