Dach und untersuchte den Fußboden desselben sehr genau. Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht Amads erhellte, eine sehr dünne Spalte, die ein regel- mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Messer hin- ein und -- hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge- heimnis war entdeckt.
Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden Wohnräumen einige schadhafte Stellen, welche es ermög- lichten, hinabzusehen und nicht nur alles zu überblicken, sondern auch das Gespräch der darunter Befindlichen zu belauschen.
Jetzt stieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.
"Hallo!" rief der Engländer. "Was ist los?"
"Holt Euer Pferd auch herein, denn auf diese war es wohl abgesehen. Da draußen über dem Flur ist ein Loch, durch welches man hinabsteigen und die Thüre öff- nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir schliefen, und wären dann mit unseren Pferden davongegangen."
"Ist richtig, sehr richtig! Werden das thun! Yes!"
Auch die andern waren einverstanden. Die Fenster wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und schaffte den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur- den immerhin über die Mauer in den Hof steigen; sie fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht irrte ich mich auch, und sie hegten gar keine diebischen Absichten; dann war es um so besser.
Jetzt nun konnten wir endlich auch über unsere weite- ren Pläne sprechen. In Amadijah war dies nicht ge- schehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin- gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge- wesen, schnell vorwärts zu kommen. Es handelte sich
Dach und unterſuchte den Fußboden desſelben ſehr genau. Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht Amads erhellte, eine ſehr dünne Spalte, die ein regel- mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Meſſer hin- ein und — hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge- heimnis war entdeckt.
Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden Wohnräumen einige ſchadhafte Stellen, welche es ermög- lichten, hinabzuſehen und nicht nur alles zu überblicken, ſondern auch das Geſpräch der darunter Befindlichen zu belauſchen.
Jetzt ſtieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.
„Hallo!“ rief der Engländer. „Was iſt los?“
„Holt Euer Pferd auch herein, denn auf dieſe war es wohl abgeſehen. Da draußen über dem Flur iſt ein Loch, durch welches man hinabſteigen und die Thüre öff- nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir ſchliefen, und wären dann mit unſeren Pferden davongegangen.“
„Iſt richtig, ſehr richtig! Werden das thun! Yes!“
Auch die andern waren einverſtanden. Die Fenſter wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und ſchaffte den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur- den immerhin über die Mauer in den Hof ſteigen; ſie fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht irrte ich mich auch, und ſie hegten gar keine diebiſchen Abſichten; dann war es um ſo beſſer.
Jetzt nun konnten wir endlich auch über unſere weite- ren Pläne ſprechen. In Amadijah war dies nicht ge- ſchehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin- gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge- weſen, ſchnell vorwärts zu kommen. Es handelte ſich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0402"n="388"/>
Dach und unterſuchte den Fußboden desſelben ſehr genau.<lb/>
Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht<lb/>
Amads erhellte, eine ſehr dünne Spalte, die ein regel-<lb/>
mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Meſſer hin-<lb/>
ein und — hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge-<lb/>
heimnis war entdeckt.</p><lb/><p>Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden<lb/>
Wohnräumen einige ſchadhafte Stellen, welche es ermög-<lb/>
lichten, hinabzuſehen und nicht nur alles zu überblicken,<lb/>ſondern auch das Geſpräch der darunter Befindlichen zu<lb/>
belauſchen.</p><lb/><p>Jetzt ſtieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte<lb/>
meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.</p><lb/><p>„Hallo!“ rief der Engländer. „Was iſt los?“</p><lb/><p>„Holt Euer Pferd auch herein, denn auf dieſe war<lb/>
es wohl abgeſehen. Da draußen über dem Flur iſt ein<lb/>
Loch, durch welches man hinabſteigen und die Thüre öff-<lb/>
nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir ſchliefen,<lb/>
und wären dann mit unſeren Pferden davongegangen.“</p><lb/><p>„Iſt richtig, ſehr richtig! Werden das thun! <hirendition="#aq">Yes!</hi>“</p><lb/><p>Auch die andern waren einverſtanden. Die Fenſter<lb/>
wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach<lb/>
gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und ſchaffte<lb/>
den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur-<lb/>
den immerhin über die Mauer in den Hof ſteigen; ſie<lb/>
fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht<lb/>
irrte ich mich auch, und ſie hegten gar keine diebiſchen<lb/>
Abſichten; dann war es um ſo beſſer.</p><lb/><p>Jetzt nun konnten wir endlich auch über unſere weite-<lb/>
ren Pläne ſprechen. In Amadijah war dies nicht ge-<lb/>ſchehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin-<lb/>
gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge-<lb/>
weſen, ſchnell vorwärts zu kommen. Es handelte ſich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[388/0402]
Dach und unterſuchte den Fußboden desſelben ſehr genau.
Endlich bemerkte ich über dem Flur, welchen das Licht
Amads erhellte, eine ſehr dünne Spalte, die ein regel-
mäßiges Viereck bildete. Ich fuhr mit dem Meſſer hin-
ein und — hob einen viereckigen Deckel empor. Das Ge-
heimnis war entdeckt.
Nach weiterem Suchen fand ich über den beiden
Wohnräumen einige ſchadhafte Stellen, welche es ermög-
lichten, hinabzuſehen und nicht nur alles zu überblicken,
ſondern auch das Geſpräch der darunter Befindlichen zu
belauſchen.
Jetzt ſtieg ich wieder hinab, machte kurzen Prozeß, faßte
meinen Rappen beim Zügel und führte ihn in die Stube.
„Hallo!“ rief der Engländer. „Was iſt los?“
„Holt Euer Pferd auch herein, denn auf dieſe war
es wohl abgeſehen. Da draußen über dem Flur iſt ein
Loch, durch welches man hinabſteigen und die Thüre öff-
nen kann. Die Kurden hätten gewartet, bis wir ſchliefen,
und wären dann mit unſeren Pferden davongegangen.“
„Iſt richtig, ſehr richtig! Werden das thun! Yes!“
Auch die andern waren einverſtanden. Die Fenſter
wurden verhangen, die Pferde in das hintere Gemach
gebracht; dann zog ich die Leiter in den Flur und ſchaffte
den Hund auf das Dach hinauf. Nun konnten die Kur-
den immerhin über die Mauer in den Hof ſteigen; ſie
fanden ihn leer und mußten wieder abziehen. Vielleicht
irrte ich mich auch, und ſie hegten gar keine diebiſchen
Abſichten; dann war es um ſo beſſer.
Jetzt nun konnten wir endlich auch über unſere weite-
ren Pläne ſprechen. In Amadijah war dies nicht ge-
ſchehen, weil uns da jeder Augenblick etwas Neues brin-
gen konnte, und unterwegs waren wir nur bedacht ge-
weſen, ſchnell vorwärts zu kommen. Es handelte ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/402>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.