sogleich Gelegenheit, zu erfahren, daß die Männer von Mia zu ängstlich gewesen sind."
"Werden wir uns teilen?" fragte ich nun.
"Warum?" erwiderte er, einigermaßen erstaunt.
"Du sprachst von zwei Bärenfamilien."
"Wir werden beisammen bleiben und erst die eine und dann die andere Familie vernichten."
"Ist es weit von hier?"
"Meine Männer haben die Spuren verfolgt. Sie sagten mir, daß wir nur eine halbe Stunde zu reiten haben. Willst du wirklich mit uns gegen die Bären kämpfen?"
Ich bejahte, und er sagte dann:
"So will ich dir einige Wurfspieße geben."
"Wozu?"
"Weißt du nicht, daß keine Kugel einen Bären tötet? Er stirbt erst dann, wenn viele Spieße in ihm stecken."
Das brachte mir keinen guten Begriff von den Kur- den und ihren Waffen bei. Entweder waren die ersteren feig oder die letzteren schlecht.
"Du magst deine Spieße immerhin behalten; es reicht eine Kugel vollständig hin, um einen Bären zu töten."
"Thue, was du willst," meinte er überlegen, "aber bleibe stets in meiner Nähe, damit ich dich beschützen kann."
"Allah erhalte dich, so wie du mich erhalten willst!"
Wir ritten zum Dorfe hinaus. Der ganze Reiter- trupp hatte das Aussehen, als ob wir auf die Gazellen- jagd auszögen, so wenig gediegen erschien mir alles. Es ging erst in das Thal hinab und dann drüben wieder empor über Berge, durch Schluchten und Wälder, bis wir endlich in einem Buchenwalde halten blieben, in dem es viel Unterholz gab.
"Wo ist das Lager der Tiere?" fragte ich den Bey.
ſogleich Gelegenheit, zu erfahren, daß die Männer von Mia zu ängſtlich geweſen ſind.“
„Werden wir uns teilen?“ fragte ich nun.
„Warum?“ erwiderte er, einigermaßen erſtaunt.
„Du ſprachſt von zwei Bärenfamilien.“
„Wir werden beiſammen bleiben und erſt die eine und dann die andere Familie vernichten.“
„Iſt es weit von hier?“
„Meine Männer haben die Spuren verfolgt. Sie ſagten mir, daß wir nur eine halbe Stunde zu reiten haben. Willſt du wirklich mit uns gegen die Bären kämpfen?“
Ich bejahte, und er ſagte dann:
„So will ich dir einige Wurfſpieße geben.“
„Wozu?“
„Weißt du nicht, daß keine Kugel einen Bären tötet? Er ſtirbt erſt dann, wenn viele Spieße in ihm ſtecken.“
Das brachte mir keinen guten Begriff von den Kur- den und ihren Waffen bei. Entweder waren die erſteren feig oder die letzteren ſchlecht.
„Du magſt deine Spieße immerhin behalten; es reicht eine Kugel vollſtändig hin, um einen Bären zu töten.“
„Thue, was du willſt,“ meinte er überlegen, „aber bleibe ſtets in meiner Nähe, damit ich dich beſchützen kann.“
„Allah erhalte dich, ſo wie du mich erhalten willſt!“
Wir ritten zum Dorfe hinaus. Der ganze Reiter- trupp hatte das Ausſehen, als ob wir auf die Gazellen- jagd auszögen, ſo wenig gediegen erſchien mir alles. Es ging erſt in das Thal hinab und dann drüben wieder empor über Berge, durch Schluchten und Wälder, bis wir endlich in einem Buchenwalde halten blieben, in dem es viel Unterholz gab.
„Wo iſt das Lager der Tiere?“ fragte ich den Bey.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0456"n="442"/>ſogleich Gelegenheit, zu erfahren, daß die Männer von<lb/>
Mia zu ängſtlich geweſen ſind.“</p><lb/><p>„Werden wir uns teilen?“ fragte ich nun.</p><lb/><p>„Warum?“ erwiderte er, einigermaßen erſtaunt.</p><lb/><p>„Du ſprachſt von zwei Bärenfamilien.“</p><lb/><p>„Wir werden beiſammen bleiben und erſt die eine und<lb/>
dann die andere Familie vernichten.“</p><lb/><p>„Iſt es weit von hier?“</p><lb/><p>„Meine Männer haben die Spuren verfolgt. Sie<lb/>ſagten mir, daß wir nur eine halbe Stunde zu reiten haben.<lb/>
Willſt du wirklich mit uns gegen die Bären kämpfen?“</p><lb/><p>Ich bejahte, und er ſagte dann:</p><lb/><p>„So will ich dir einige Wurfſpieße geben.“</p><lb/><p>„Wozu?“</p><lb/><p>„Weißt du nicht, daß keine Kugel einen Bären tötet?<lb/>
Er ſtirbt erſt dann, wenn viele Spieße in ihm ſtecken.“</p><lb/><p>Das brachte mir keinen guten Begriff von den Kur-<lb/>
den und ihren Waffen bei. Entweder waren die erſteren<lb/>
feig oder die letzteren ſchlecht.</p><lb/><p>„Du magſt deine Spieße immerhin behalten; es reicht<lb/>
eine Kugel vollſtändig hin, um einen Bären zu töten.“</p><lb/><p>„Thue, was du willſt,“ meinte er überlegen, „aber<lb/>
bleibe ſtets in meiner Nähe, damit ich dich beſchützen<lb/>
kann.“</p><lb/><p>„Allah erhalte dich, ſo wie du mich erhalten willſt!“</p><lb/><p>Wir ritten zum Dorfe hinaus. Der ganze Reiter-<lb/>
trupp hatte das Ausſehen, als ob wir auf die Gazellen-<lb/>
jagd auszögen, ſo wenig gediegen erſchien mir alles. Es<lb/>
ging erſt in das Thal hinab und dann drüben wieder<lb/>
empor über Berge, durch Schluchten und Wälder, bis wir<lb/>
endlich in einem Buchenwalde halten blieben, in dem es<lb/>
viel Unterholz gab.</p><lb/><p>„Wo iſt das Lager der Tiere?“ fragte ich den Bey.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[442/0456]
ſogleich Gelegenheit, zu erfahren, daß die Männer von
Mia zu ängſtlich geweſen ſind.“
„Werden wir uns teilen?“ fragte ich nun.
„Warum?“ erwiderte er, einigermaßen erſtaunt.
„Du ſprachſt von zwei Bärenfamilien.“
„Wir werden beiſammen bleiben und erſt die eine und
dann die andere Familie vernichten.“
„Iſt es weit von hier?“
„Meine Männer haben die Spuren verfolgt. Sie
ſagten mir, daß wir nur eine halbe Stunde zu reiten haben.
Willſt du wirklich mit uns gegen die Bären kämpfen?“
Ich bejahte, und er ſagte dann:
„So will ich dir einige Wurfſpieße geben.“
„Wozu?“
„Weißt du nicht, daß keine Kugel einen Bären tötet?
Er ſtirbt erſt dann, wenn viele Spieße in ihm ſtecken.“
Das brachte mir keinen guten Begriff von den Kur-
den und ihren Waffen bei. Entweder waren die erſteren
feig oder die letzteren ſchlecht.
„Du magſt deine Spieße immerhin behalten; es reicht
eine Kugel vollſtändig hin, um einen Bären zu töten.“
„Thue, was du willſt,“ meinte er überlegen, „aber
bleibe ſtets in meiner Nähe, damit ich dich beſchützen
kann.“
„Allah erhalte dich, ſo wie du mich erhalten willſt!“
Wir ritten zum Dorfe hinaus. Der ganze Reiter-
trupp hatte das Ausſehen, als ob wir auf die Gazellen-
jagd auszögen, ſo wenig gediegen erſchien mir alles. Es
ging erſt in das Thal hinab und dann drüben wieder
empor über Berge, durch Schluchten und Wälder, bis wir
endlich in einem Buchenwalde halten blieben, in dem es
viel Unterholz gab.
„Wo iſt das Lager der Tiere?“ fragte ich den Bey.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/456>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.