die sich in seinem Gefolge befanden. Es war derselbe, den ich am Bache von Baadri überrascht und dem ich dann wieder zu seiner Freiheit verholfen hatte. Er gab seinem Pferde die Sporen, kehrte aber in kürzester Zeit wieder zurück.
"Herr, es sind nicht die Unserigen, sondern es sind Dschesidi, welche geschossen haben. Sie ließen mich heran- kommen und riefen es mir zu."
"Wo sind unsere Geschütze?"
"Die befinden sich in ihren Händen; mit ihnen haben sie geschossen; sie haben die Geschütze heute nacht dem Jüs Baschi abgenommen."
Der Oberst stieß einen fürchterlichen Fluch hervor.
"Dieser Halunke soll es mir büßen! Wo ist er?"
"Gefangen mit allen seinen Leuten."
"Gefangen? Mit allen? Also ohne sich gewehrt zu haben!"
Er stieß seinem Pferde vor Wut die Sporen so in die Weichen, daß es kerzengerade emporstieg, dann fragte er weiter:
"Wo sind die Dschesidi, die Teufelsmänner, diese Giaurs unter den Giaurs? Ich wollte sie fangen, peitschen, töten, aber keiner läßt sich sehen! Sind sie verschwunden? Man wird sie finden. Vorher aber holt mir die Geschütze zurück! Die von Diarbekir haben sich geschlossen. Vor- wärts mit ihnen, und dann die Hunde von Kjerkjuk hinterher!"
Der Kol Agassi sprengte zurück, und sofort setzten sich die Infanteristen von Diarbekir in Bewegung. Der Oberst ging mit seinem Stab zur Seite. Sie marschierten an ihm vorüber. Weiter konnte ich nichts sehen, da das Thal eine Wendung machte; aber kaum war eine Minute vorüber, so dröhnte ein Kanonenschuß, ein zweiter, dritter
II. 4
die ſich in ſeinem Gefolge befanden. Es war derſelbe, den ich am Bache von Baadri überraſcht und dem ich dann wieder zu ſeiner Freiheit verholfen hatte. Er gab ſeinem Pferde die Sporen, kehrte aber in kürzeſter Zeit wieder zurück.
„Herr, es ſind nicht die Unſerigen, ſondern es ſind Dſcheſidi, welche geſchoſſen haben. Sie ließen mich heran- kommen und riefen es mir zu.“
„Wo ſind unſere Geſchütze?“
„Die befinden ſich in ihren Händen; mit ihnen haben ſie geſchoſſen; ſie haben die Geſchütze heute nacht dem Jüs Baſchi abgenommen.“
Der Oberſt ſtieß einen fürchterlichen Fluch hervor.
„Dieſer Halunke ſoll es mir büßen! Wo iſt er?“
„Gefangen mit allen ſeinen Leuten.“
„Gefangen? Mit allen? Alſo ohne ſich gewehrt zu haben!“
Er ſtieß ſeinem Pferde vor Wut die Sporen ſo in die Weichen, daß es kerzengerade emporſtieg, dann fragte er weiter:
„Wo ſind die Dſcheſidi, die Teufelsmänner, dieſe Giaurs unter den Giaurs? Ich wollte ſie fangen, peitſchen, töten, aber keiner läßt ſich ſehen! Sind ſie verſchwunden? Man wird ſie finden. Vorher aber holt mir die Geſchütze zurück! Die von Diarbekir haben ſich geſchloſſen. Vor- wärts mit ihnen, und dann die Hunde von Kjerkjuk hinterher!“
Der Kol Agaſſi ſprengte zurück, und ſofort ſetzten ſich die Infanteriſten von Diarbekir in Bewegung. Der Oberſt ging mit ſeinem Stab zur Seite. Sie marſchierten an ihm vorüber. Weiter konnte ich nichts ſehen, da das Thal eine Wendung machte; aber kaum war eine Minute vorüber, ſo dröhnte ein Kanonenſchuß, ein zweiter, dritter
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die ſich in ſeinem Gefolge befanden. Es war derſelbe,
den ich am Bache von Baadri überraſcht und dem ich
dann wieder zu ſeiner Freiheit verholfen hatte. Er gab
ſeinem Pferde die Sporen, kehrte aber in kürzeſter Zeit
wieder zurück.
„Herr, es ſind nicht die Unſerigen, ſondern es ſind
Dſcheſidi, welche geſchoſſen haben. Sie ließen mich heran-
kommen und riefen es mir zu.“
„Wo ſind unſere Geſchütze?“
„Die befinden ſich in ihren Händen; mit ihnen haben
ſie geſchoſſen; ſie haben die Geſchütze heute nacht dem Jüs
Baſchi abgenommen.“
Der Oberſt ſtieß einen fürchterlichen Fluch hervor.
„Dieſer Halunke ſoll es mir büßen! Wo iſt er?“
„Gefangen mit allen ſeinen Leuten.“
„Gefangen? Mit allen? Alſo ohne ſich gewehrt zu
haben!“
Er ſtieß ſeinem Pferde vor Wut die Sporen ſo in
die Weichen, daß es kerzengerade emporſtieg, dann fragte
er weiter:
„Wo ſind die Dſcheſidi, die Teufelsmänner, dieſe
Giaurs unter den Giaurs? Ich wollte ſie fangen, peitſchen,
töten, aber keiner läßt ſich ſehen! Sind ſie verſchwunden?
Man wird ſie finden. Vorher aber holt mir die Geſchütze
zurück! Die von Diarbekir haben ſich geſchloſſen. Vor-
wärts mit ihnen, und dann die Hunde von Kjerkjuk
hinterher!“
Der Kol Agaſſi ſprengte zurück, und ſofort ſetzten
ſich die Infanteriſten von Diarbekir in Bewegung. Der
Oberſt ging mit ſeinem Stab zur Seite. Sie marſchierten
an ihm vorüber. Weiter konnte ich nichts ſehen, da das
Thal eine Wendung machte; aber kaum war eine Minute
vorüber, ſo dröhnte ein Kanonenſchuß, ein zweiter, dritter
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/63>, abgerufen am 22.12.2024.
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