Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.A. Mayer: Unterschied; aber nur der, daß wir im ersteren Falle ein deutlichesGefühl der Unbilligkeit besitzen, welches uns in ökonomischen Dingen durch den Usus und die Gesetzgebung von Generationen her abhanden gekommen ist; in der Sache selbst aber keines. Den Mißbrauch selber wird man auch anerkennen, nur wird man mit immer steigendem Ungestüm fragen: Wie in aller Welt hängen diese Mißstände mit der liberalen Organisation unserer Hochschulen zusammen? Jst diese letztere nicht viel- mehr geeignet, ohne alle Rücksicht auf persönliche Verhältnisse den richtigen Mann in die richtige Stellung zu bringen? Sehen wir etwas schärfer zu und fassen wir darum das A. Mayer: Unterſchied; aber nur der, daß wir im erſteren Falle ein deutlichesGefühl der Unbilligkeit beſitzen, welches uns in ökonomiſchen Dingen durch den Uſus und die Geſetzgebung von Generationen her abhanden gekommen iſt; in der Sache ſelbſt aber keines. Den Mißbrauch ſelber wird man auch anerkennen, nur wird man mit immer ſteigendem Ungeſtüm fragen: Wie in aller Welt hängen dieſe Mißſtände mit der liberalen Organiſation unſerer Hochſchulen zuſammen? Jſt dieſe letztere nicht viel- mehr geeignet, ohne alle Rückſicht auf perſönliche Verhältniſſe den richtigen Mann in die richtige Stellung zu bringen? Sehen wir etwas ſchärfer zu und faſſen wir darum das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="178 [18]"/><lb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">A. Mayer:</hi></fw> Unterſchied; aber nur der, daß wir im erſteren Falle ein deutliches<lb/> Gefühl der Unbilligkeit beſitzen, welches uns in ökonomiſchen<lb/> Dingen durch den Uſus und die Geſetzgebung von Generationen<lb/> her abhanden gekommen iſt; in der Sache ſelbſt aber keines.<lb/> Den Mißbrauch ſelber wird man auch anerkennen, nur wird<lb/> man mit immer ſteigendem Ungeſtüm fragen: Wie in aller<lb/> Welt hängen dieſe Mißſtände mit der liberalen Organiſation<lb/> unſerer Hochſchulen zuſammen? Jſt dieſe letztere nicht viel-<lb/> mehr geeignet, ohne alle Rückſicht auf perſönliche Verhältniſſe<lb/> den richtigen Mann in die richtige Stellung zu bringen?</p><lb/> <p>Sehen wir etwas ſchärfer zu und faſſen wir darum das<lb/> Berufungsſyſtem, wie es heute in Deutſchland gehandhabt wird,<lb/> näher in’s Auge. Zunächſt iſt klar, daß weſentlich nur nach<lb/> dem Bedarf an Lehrkräften Männer befördert zu werden<lb/> pflegen. Jſt aber der Bedarf an Lehrkräften identiſch mit<lb/> dem Bedarf an Arbeitern in dem Garten der Wiſſenſchaft? —<lb/> Keineswegs, und nicht blos nicht, weil tauſend Zufälligkeiten<lb/> hier ihren Einfluß üben, ſondern weil naturgeſetzlich in jedem<lb/> Zeitraume nur beſtimmte Disciplinen weſentlich voranſchreiten,<lb/> während andere mehr oder weniger ſtagniren. Warum hier<lb/> keine ganz gleichmäßige Continuität ſtatthaben kann, iſt leicht<lb/> einzuſehen. Durch große Geiſter, die ja immer als ein ſpora-<lb/> diſches Geſchenk der Natur auftreten, wird eine neue Bahn<lb/> in einer Wiſſenſchaft eröffnet, oder neue Disciplinen werden<lb/> durch den zu einem gewiſſen Abſchluß gelangten Aufbau von<lb/> anderen ermöglicht. Die erhöhte Ausſicht auf fruchtbare Aus-<lb/> beute treibt einen Strom von Forſchern in die angewieſene<lb/> Richtung. Für die Geſammtwiſſenſchaft iſt es auch höchſt<lb/> gleichgültig, ob das Fortſchreiten durch ſolche unregelmäßige<lb/> Vorſtöße geſchieht oder regelmäßig auf allen Gebieten gleich-<lb/> zeitig. Jm Gegentheile, je naturgemäßer die Entwickelung,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [178 [18]/0020]
A. Mayer:
Unterſchied; aber nur der, daß wir im erſteren Falle ein deutliches
Gefühl der Unbilligkeit beſitzen, welches uns in ökonomiſchen
Dingen durch den Uſus und die Geſetzgebung von Generationen
her abhanden gekommen iſt; in der Sache ſelbſt aber keines.
Den Mißbrauch ſelber wird man auch anerkennen, nur wird
man mit immer ſteigendem Ungeſtüm fragen: Wie in aller
Welt hängen dieſe Mißſtände mit der liberalen Organiſation
unſerer Hochſchulen zuſammen? Jſt dieſe letztere nicht viel-
mehr geeignet, ohne alle Rückſicht auf perſönliche Verhältniſſe
den richtigen Mann in die richtige Stellung zu bringen?
Sehen wir etwas ſchärfer zu und faſſen wir darum das
Berufungsſyſtem, wie es heute in Deutſchland gehandhabt wird,
näher in’s Auge. Zunächſt iſt klar, daß weſentlich nur nach
dem Bedarf an Lehrkräften Männer befördert zu werden
pflegen. Jſt aber der Bedarf an Lehrkräften identiſch mit
dem Bedarf an Arbeitern in dem Garten der Wiſſenſchaft? —
Keineswegs, und nicht blos nicht, weil tauſend Zufälligkeiten
hier ihren Einfluß üben, ſondern weil naturgeſetzlich in jedem
Zeitraume nur beſtimmte Disciplinen weſentlich voranſchreiten,
während andere mehr oder weniger ſtagniren. Warum hier
keine ganz gleichmäßige Continuität ſtatthaben kann, iſt leicht
einzuſehen. Durch große Geiſter, die ja immer als ein ſpora-
diſches Geſchenk der Natur auftreten, wird eine neue Bahn
in einer Wiſſenſchaft eröffnet, oder neue Disciplinen werden
durch den zu einem gewiſſen Abſchluß gelangten Aufbau von
anderen ermöglicht. Die erhöhte Ausſicht auf fruchtbare Aus-
beute treibt einen Strom von Forſchern in die angewieſene
Richtung. Für die Geſammtwiſſenſchaft iſt es auch höchſt
gleichgültig, ob das Fortſchreiten durch ſolche unregelmäßige
Vorſtöße geſchieht oder regelmäßig auf allen Gebieten gleich-
zeitig. Jm Gegentheile, je naturgemäßer die Entwickelung,
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