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Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881.

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Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
Auge, sondern eben so sehr die innern Einrichtungen, selbst solche,
die nur traditioneller Gebrauch sind und noch nicht eine Ver-
körperung zu Gesetz und Recht erfahren haben.

Greifen wir ein Einzelnes heraus, das zu dem Gegen-
stande unserer heutigen Darlegung in einer besonderen Be-
ziehung steht, und betrachten einmal die Art und Weise, wie
ein deutscher Universitätsgelehrter Carriere macht, und ver-
gleichen damit, um die besonderen Eigenthümlichkeiten aufzu-
weisen, die Beamtenlaufbahn.

Ueber den Eintritt in den Lehrkörper einer Hochschule
entscheidet wesentlich nur das Urtheil der betreffenden Fakultät
über vorliegende wissenschaftliche Arbeiten. Eigentliche Examina
spielen dabei keine Rolle, wenn auch Maturität, Promotion
und ein besonders dafür eingerichtetes Colloquium verlangt wird;
denn der Bildungsstand eines Gymnasialabiturienten ist ohne-
hin für einen angehenden akademischen Lehrer selbstverständlich
und die Forderung des Doctortitels ist noch immer weit mehr
ein unwürdiges, nur aus der Organisation der Universitäten
in seiner Haltbarkeit zu verstehendes Gelderpressungsmittel,
als eine halbwegs brauchbare Garantie für die Qualifikation
des Bewerbers. Selbst wo die akademischen Examina unter
dem Drucke der öffentlichen Meinung in jüngster Zeit ver-
schärft worden sind, läßt sich doch nirgends Doctorexamen und
Habilitätscolloquium an sachgemäßem Ernste mit einer Staats-
prüfung vergleichen.

Dagegen hat derjenige, der die Klippen der letzteren glück-

ihrer jungen Souveränität kämpfenden Staaten, während fast alle übrigen
alten Standesrechte zu Grunde gingen, die Universitäten Deutschlands
einen viel größeren Kern innerer Freiheit und zwar der werthvollsten
Seiten dieser Freiheit gerettet haben, als in dem gewissenhaft conservativen
England und dem der Freiheit stürmisch nachjagenden Frankreich."


Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt.
Auge, ſondern eben ſo ſehr die innern Einrichtungen, ſelbſt ſolche,
die nur traditioneller Gebrauch ſind und noch nicht eine Ver-
körperung zu Geſetz und Recht erfahren haben.

Greifen wir ein Einzelnes heraus, das zu dem Gegen-
ſtande unſerer heutigen Darlegung in einer beſonderen Be-
ziehung ſteht, und betrachten einmal die Art und Weiſe, wie
ein deutſcher Univerſitätsgelehrter Carrière macht, und ver-
gleichen damit, um die beſonderen Eigenthümlichkeiten aufzu-
weiſen, die Beamtenlaufbahn.

Ueber den Eintritt in den Lehrkörper einer Hochſchule
entſcheidet weſentlich nur das Urtheil der betreffenden Fakultät
über vorliegende wiſſenſchaftliche Arbeiten. Eigentliche Examina
ſpielen dabei keine Rolle, wenn auch Maturität, Promotion
und ein beſonders dafür eingerichtetes Colloquium verlangt wird;
denn der Bildungsſtand eines Gymnaſialabiturienten iſt ohne-
hin für einen angehenden akademiſchen Lehrer ſelbſtverſtändlich
und die Forderung des Doctortitels iſt noch immer weit mehr
ein unwürdiges, nur aus der Organiſation der Univerſitäten
in ſeiner Haltbarkeit zu verſtehendes Gelderpreſſungsmittel,
als eine halbwegs brauchbare Garantie für die Qualifikation
des Bewerbers. Selbſt wo die akademiſchen Examina unter
dem Drucke der öffentlichen Meinung in jüngſter Zeit ver-
ſchärft worden ſind, läßt ſich doch nirgends Doctorexamen und
Habilitätscolloquium an ſachgemäßem Ernſte mit einer Staats-
prüfung vergleichen.

Dagegen hat derjenige, der die Klippen der letzteren glück-

ihrer jungen Souveränität kämpfenden Staaten, während faſt alle übrigen
alten Standesrechte zu Grunde gingen, die Univerſitäten Deutſchlands
einen viel größeren Kern innerer Freiheit und zwar der werthvollſten
Seiten dieſer Freiheit gerettet haben, als in dem gewiſſenhaft conſervativen
England und dem der Freiheit ſtürmiſch nachjagenden Frankreich.‟
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[167 [7]/0009] Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. Auge, ſondern eben ſo ſehr die innern Einrichtungen, ſelbſt ſolche, die nur traditioneller Gebrauch ſind und noch nicht eine Ver- körperung zu Geſetz und Recht erfahren haben. Greifen wir ein Einzelnes heraus, das zu dem Gegen- ſtande unſerer heutigen Darlegung in einer beſonderen Be- ziehung ſteht, und betrachten einmal die Art und Weiſe, wie ein deutſcher Univerſitätsgelehrter Carrière macht, und ver- gleichen damit, um die beſonderen Eigenthümlichkeiten aufzu- weiſen, die Beamtenlaufbahn. Ueber den Eintritt in den Lehrkörper einer Hochſchule entſcheidet weſentlich nur das Urtheil der betreffenden Fakultät über vorliegende wiſſenſchaftliche Arbeiten. Eigentliche Examina ſpielen dabei keine Rolle, wenn auch Maturität, Promotion und ein beſonders dafür eingerichtetes Colloquium verlangt wird; denn der Bildungsſtand eines Gymnaſialabiturienten iſt ohne- hin für einen angehenden akademiſchen Lehrer ſelbſtverſtändlich und die Forderung des Doctortitels iſt noch immer weit mehr ein unwürdiges, nur aus der Organiſation der Univerſitäten in ſeiner Haltbarkeit zu verſtehendes Gelderpreſſungsmittel, als eine halbwegs brauchbare Garantie für die Qualifikation des Bewerbers. Selbſt wo die akademiſchen Examina unter dem Drucke der öffentlichen Meinung in jüngſter Zeit ver- ſchärft worden ſind, läßt ſich doch nirgends Doctorexamen und Habilitätscolloquium an ſachgemäßem Ernſte mit einer Staats- prüfung vergleichen. Dagegen hat derjenige, der die Klippen der letzteren glück- 1) 1) ihrer jungen Souveränität kämpfenden Staaten, während faſt alle übrigen alten Standesrechte zu Grunde gingen, die Univerſitäten Deutſchlands einen viel größeren Kern innerer Freiheit und zwar der werthvollſten Seiten dieſer Freiheit gerettet haben, als in dem gewiſſenhaft conſervativen England und dem der Freiheit ſtürmiſch nachjagenden Frankreich.‟

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Zitationshilfe: Mayer, Adolf: Der Kapitalismus in der Gelehrtenwelt. In: Sammlung von Vorträgen für das deutsche Volk, VI, 7. Heidelberg, 1881, S. 167 [7]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_kapitalismus_1881/9>, abgerufen am 21.11.2024.