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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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Die Polizeigewalt.
sich nicht vollständig mit dem Begriffe der Notwehr; aber es sind
darunter Fälle, wo beides zusammentrifft, wo also auch der Polizei-
beamte in der Lage ist, einen rechtswidrigen Angriff von sich selbst
oder von einem Anderen abzuwehren (Stf.G.B. § 53, Abs. 2). Da
tritt der polizeiliche Zweck in den Hintergrund und das Mass der
Gewalt, insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit des Gebrauchs
einer Waffe, die bei der Hand ist, bestimmt sich nach denselben
Regeln, die für jedermann gelten im Falle der Notwehr. Eine ver-
waltungsrechtliche Besonderheit besteht dafür nicht. Das wird auch
dadurch nicht anders, dass der Beamte mit Rücksicht auf die Angriffe,
welchen er in Verrichtung seines Dienstes entgegenzutreten haben
kann, mit einer Dienstwaffe ausgerüstet ist. Damit ist für ihn
alsdann die Dienstvorschrift verbunden, womöglich nur die Dienst-
waffe und kein anderes Werkzeug als Waffe zu gebrauchen. Für das
Verhältnis nach aussen steigert sich zugleich die thatsächliche Wahr-
scheinlichkeit des Waffengebrauchs, da eine Waffe immer zur Hand
ist. Der Gebrauch einer gelinderen Waffe wird gegenüber dem Be-
troffenen niemals rechtswidrig sein, der Gebrauch einer schärferen
möglicher Weise nach den Grundsätzen der Notwehr gerechtfertigt
erscheinen. Die Ausrüstung mit einer Dienstwaffe für sich allein be-
gründet für den Polizeibeamten keine Besonderheit gegenüber dem
gemeinen Rechte der Notwehr.

Daneben steht nun aber eine besondere Regelung des
Waffengebrauches
durch ausdrückliche Gesetzgebung19.

Diese hat überall zunächst die Fälle im Auge, in welchen die
Gendarmerie von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen darf.

Auch in der Bezeichnung dieser Fälle herrscht, mit einzelnen
Abweichungen, im wesentlichen Übereinstimmung. Der Gendarm hat
sich seiner Waffe zu bedienen: zur Verteidigung gegen thätliche An-
griffe oder gefährliche Drohungen, für sich oder Andere; zur Brechung
des Widerstandes durch Thätlichkeit oder Drohung, durch welche
seine Amtsthätigkeit, namentlich die Vornahme einer Verhaftung, die
Behauptung eines Postens vereitelt werden soll; nach manchen Rechten
auch zur Verhinderung der Flucht eines Verhafteten.

Diese besonderen Waffengebrauchsbefugnisse, das ist nicht zu ver-
kennen, gehen in mehreren Punkten über das Recht der Notwehr

19 Das gemeinsame Vorbild liefert Preuss. Dienstinstruktion f. d. Gendarmerie
v. 30. Dez. 1820 § 28. Danach Bayr. Verord. 24. Juli 1868 § 74 u. 75; Württemb.
Instr. 5. Juni 1823 § 48 u. 49; Sächs. Verord. 14. Juni 1855 § 1; Bad. Ges. über
d. Gendarmerie 31. Dez. 1831 § 36. Zusammenstellung bei G. Meyer in Wörter-
buch II S. 850.

Die Polizeigewalt.
sich nicht vollständig mit dem Begriffe der Notwehr; aber es sind
darunter Fälle, wo beides zusammentrifft, wo also auch der Polizei-
beamte in der Lage ist, einen rechtswidrigen Angriff von sich selbst
oder von einem Anderen abzuwehren (Stf.G.B. § 53, Abs. 2). Da
tritt der polizeiliche Zweck in den Hintergrund und das Maſs der
Gewalt, insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit des Gebrauchs
einer Waffe, die bei der Hand ist, bestimmt sich nach denselben
Regeln, die für jedermann gelten im Falle der Notwehr. Eine ver-
waltungsrechtliche Besonderheit besteht dafür nicht. Das wird auch
dadurch nicht anders, daſs der Beamte mit Rücksicht auf die Angriffe,
welchen er in Verrichtung seines Dienstes entgegenzutreten haben
kann, mit einer Dienstwaffe ausgerüstet ist. Damit ist für ihn
alsdann die Dienstvorschrift verbunden, womöglich nur die Dienst-
waffe und kein anderes Werkzeug als Waffe zu gebrauchen. Für das
Verhältnis nach auſsen steigert sich zugleich die thatsächliche Wahr-
scheinlichkeit des Waffengebrauchs, da eine Waffe immer zur Hand
ist. Der Gebrauch einer gelinderen Waffe wird gegenüber dem Be-
troffenen niemals rechtswidrig sein, der Gebrauch einer schärferen
möglicher Weise nach den Grundsätzen der Notwehr gerechtfertigt
erscheinen. Die Ausrüstung mit einer Dienstwaffe für sich allein be-
gründet für den Polizeibeamten keine Besonderheit gegenüber dem
gemeinen Rechte der Notwehr.

Daneben steht nun aber eine besondere Regelung des
Waffengebrauches
durch ausdrückliche Gesetzgebung19.

Diese hat überall zunächst die Fälle im Auge, in welchen die
Gendarmerie von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen darf.

Auch in der Bezeichnung dieser Fälle herrscht, mit einzelnen
Abweichungen, im wesentlichen Übereinstimmung. Der Gendarm hat
sich seiner Waffe zu bedienen: zur Verteidigung gegen thätliche An-
griffe oder gefährliche Drohungen, für sich oder Andere; zur Brechung
des Widerstandes durch Thätlichkeit oder Drohung, durch welche
seine Amtsthätigkeit, namentlich die Vornahme einer Verhaftung, die
Behauptung eines Postens vereitelt werden soll; nach manchen Rechten
auch zur Verhinderung der Flucht eines Verhafteten.

Diese besonderen Waffengebrauchsbefugnisse, das ist nicht zu ver-
kennen, gehen in mehreren Punkten über das Recht der Notwehr

19 Das gemeinsame Vorbild liefert Preuſs. Dienstinstruktion f. d. Gendarmerie
v. 30. Dez. 1820 § 28. Danach Bayr. Verord. 24. Juli 1868 § 74 u. 75; Württemb.
Instr. 5. Juni 1823 § 48 u. 49; Sächs. Verord. 14. Juni 1855 § 1; Bad. Ges. über
d. Gendarmerie 31. Dez. 1831 § 36. Zusammenstellung bei G. Meyer in Wörter-
buch II S. 850.
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[370/0390] Die Polizeigewalt. sich nicht vollständig mit dem Begriffe der Notwehr; aber es sind darunter Fälle, wo beides zusammentrifft, wo also auch der Polizei- beamte in der Lage ist, einen rechtswidrigen Angriff von sich selbst oder von einem Anderen abzuwehren (Stf.G.B. § 53, Abs. 2). Da tritt der polizeiliche Zweck in den Hintergrund und das Maſs der Gewalt, insbesondere auch die Frage der Zulässigkeit des Gebrauchs einer Waffe, die bei der Hand ist, bestimmt sich nach denselben Regeln, die für jedermann gelten im Falle der Notwehr. Eine ver- waltungsrechtliche Besonderheit besteht dafür nicht. Das wird auch dadurch nicht anders, daſs der Beamte mit Rücksicht auf die Angriffe, welchen er in Verrichtung seines Dienstes entgegenzutreten haben kann, mit einer Dienstwaffe ausgerüstet ist. Damit ist für ihn alsdann die Dienstvorschrift verbunden, womöglich nur die Dienst- waffe und kein anderes Werkzeug als Waffe zu gebrauchen. Für das Verhältnis nach auſsen steigert sich zugleich die thatsächliche Wahr- scheinlichkeit des Waffengebrauchs, da eine Waffe immer zur Hand ist. Der Gebrauch einer gelinderen Waffe wird gegenüber dem Be- troffenen niemals rechtswidrig sein, der Gebrauch einer schärferen möglicher Weise nach den Grundsätzen der Notwehr gerechtfertigt erscheinen. Die Ausrüstung mit einer Dienstwaffe für sich allein be- gründet für den Polizeibeamten keine Besonderheit gegenüber dem gemeinen Rechte der Notwehr. Daneben steht nun aber eine besondere Regelung des Waffengebrauches durch ausdrückliche Gesetzgebung 19. Diese hat überall zunächst die Fälle im Auge, in welchen die Gendarmerie von ihrer Dienstwaffe Gebrauch machen darf. Auch in der Bezeichnung dieser Fälle herrscht, mit einzelnen Abweichungen, im wesentlichen Übereinstimmung. Der Gendarm hat sich seiner Waffe zu bedienen: zur Verteidigung gegen thätliche An- griffe oder gefährliche Drohungen, für sich oder Andere; zur Brechung des Widerstandes durch Thätlichkeit oder Drohung, durch welche seine Amtsthätigkeit, namentlich die Vornahme einer Verhaftung, die Behauptung eines Postens vereitelt werden soll; nach manchen Rechten auch zur Verhinderung der Flucht eines Verhafteten. Diese besonderen Waffengebrauchsbefugnisse, das ist nicht zu ver- kennen, gehen in mehreren Punkten über das Recht der Notwehr 19 Das gemeinsame Vorbild liefert Preuſs. Dienstinstruktion f. d. Gendarmerie v. 30. Dez. 1820 § 28. Danach Bayr. Verord. 24. Juli 1868 § 74 u. 75; Württemb. Instr. 5. Juni 1823 § 48 u. 49; Sächs. Verord. 14. Juni 1855 § 1; Bad. Ges. über d. Gendarmerie 31. Dez. 1831 § 36. Zusammenstellung bei G. Meyer in Wörter- buch II S. 850.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/390>, abgerufen am 23.12.2024.