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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895.

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§ 32. Der Finanzzwang.
jedes Vertreters der staatlichen Macht vorgenommen werden, nach
vorgängiger Ankündigung sogar: die geringste Polizeiübertretung würde
in solchem Falle pflichtmässig mit Gewalt verhindert, das Finanz-
delikt, auf welchem vielleicht eine viel höhere Strafe steht, wird man
ungestört vollziehen können. Der Beamte hat gar nicht einmal das
Recht, gegen die Begehung einzuschreiten. Erst wenn das Delikt
vollendet und an ihm selbst nichts mehr zu bekämpfen ist, beginnt
die Feststellung der Namen, die Beschlagnahme, Durchsuchung, Haus-
suchung u. s. w.

Noch deutlicher wird das beim Falle der Zolldefraudation. Die
Zollschutzbeamten stehen bewaffnet an der Grenze. Ihr blosses Er-
scheinen wird genügen, dass von der etwa beabsichtigten Schmuggelei
abgestanden wird. So würde die Polizei verfahren. Die Finanzbeamten
aber, im Gegenteil, lassen das Delikt zur Entwicklung und Vollendung
kommen; sie verbergen sich geradezu, um ihm dafür Raum zu geben,
und haben nur Sorge, dass sie noch rechtzeitig kommen, um das De-
likt, in seinem ganzen Umfange festgestellt und gesichert, der Straf-
verfolgung zu überliefern.

Selbst in der Behandlung der Delikte kommt also die eingangs er-
wähnte Besonderheit der Finanzgewalt zum Ausdruck: das Sollen im
persönlichen Verhalten, das sie den Unterthanen auferlegt, hat keinen
Wert in sich, so dass es unbedingt durchgeführt werden müsste; es ist
nur Mittel für einen andern, wichtigeren Zweck, dem möglicherweise
die Ahndung des verletzten Sollens noch besser dient.

Für die Lehre vom Finanzzwang bedeutet das, dass wir auch zu
dem allgemeinen Rechte der Polizeigewalt, unmittelbaren Zwang zu
üben zur Verhinderung strafbarer Handlungen, ein Seitenstück nicht
haben. Denn was hier geschieht, ist seinem Wesen nach nichts
anderes als gerichtliche Polizei in dem oben (§ 18, III n. 1)
festgestellten Begriff; in der Lehre des Verwaltungsrechts haben wir
nicht weiter darauf einzugehen.

Unmittelbarer Zwang hat auf dem Gebiete der Polizei allerdings
auch noch statt ausserhalb des Gebietes jener grossen selbstverständ-
lichen Zuständigkeiten, auf Grund besonderer Ermächtigungen,
welche das Gesetz für derartige Eingriffe gewährt (oben S. 347).
Und in dieser Beziehung findet sich ähnliches auch im Finanzzwang.
Zur Sicherung der Finanzinteressen sind verschiedenartige Befugnisse
gegeben zu thatsächlichen Einwirkungen auf Person und Sachen der
Unterthanen, die im Falle des Widerstands mit Gewalt sich durch-
setzen. Der besondere Rechtsgrund dafür beruht entweder im Ge-
setz
oder in den Ordnungen der Regulative.

§ 32. Der Finanzzwang.
jedes Vertreters der staatlichen Macht vorgenommen werden, nach
vorgängiger Ankündigung sogar: die geringste Polizeiübertretung würde
in solchem Falle pflichtmäſsig mit Gewalt verhindert, das Finanz-
delikt, auf welchem vielleicht eine viel höhere Strafe steht, wird man
ungestört vollziehen können. Der Beamte hat gar nicht einmal das
Recht, gegen die Begehung einzuschreiten. Erst wenn das Delikt
vollendet und an ihm selbst nichts mehr zu bekämpfen ist, beginnt
die Feststellung der Namen, die Beschlagnahme, Durchsuchung, Haus-
suchung u. s. w.

Noch deutlicher wird das beim Falle der Zolldefraudation. Die
Zollschutzbeamten stehen bewaffnet an der Grenze. Ihr bloſses Er-
scheinen wird genügen, daſs von der etwa beabsichtigten Schmuggelei
abgestanden wird. So würde die Polizei verfahren. Die Finanzbeamten
aber, im Gegenteil, lassen das Delikt zur Entwicklung und Vollendung
kommen; sie verbergen sich geradezu, um ihm dafür Raum zu geben,
und haben nur Sorge, daſs sie noch rechtzeitig kommen, um das De-
likt, in seinem ganzen Umfange festgestellt und gesichert, der Straf-
verfolgung zu überliefern.

Selbst in der Behandlung der Delikte kommt also die eingangs er-
wähnte Besonderheit der Finanzgewalt zum Ausdruck: das Sollen im
persönlichen Verhalten, das sie den Unterthanen auferlegt, hat keinen
Wert in sich, so daſs es unbedingt durchgeführt werden müſste; es ist
nur Mittel für einen andern, wichtigeren Zweck, dem möglicherweise
die Ahndung des verletzten Sollens noch besser dient.

Für die Lehre vom Finanzzwang bedeutet das, daſs wir auch zu
dem allgemeinen Rechte der Polizeigewalt, unmittelbaren Zwang zu
üben zur Verhinderung strafbarer Handlungen, ein Seitenstück nicht
haben. Denn was hier geschieht, ist seinem Wesen nach nichts
anderes als gerichtliche Polizei in dem oben (§ 18, III n. 1)
festgestellten Begriff; in der Lehre des Verwaltungsrechts haben wir
nicht weiter darauf einzugehen.

Unmittelbarer Zwang hat auf dem Gebiete der Polizei allerdings
auch noch statt auſserhalb des Gebietes jener groſsen selbstverständ-
lichen Zuständigkeiten, auf Grund besonderer Ermächtigungen,
welche das Gesetz für derartige Eingriffe gewährt (oben S. 347).
Und in dieser Beziehung findet sich ähnliches auch im Finanzzwang.
Zur Sicherung der Finanzinteressen sind verschiedenartige Befugnisse
gegeben zu thatsächlichen Einwirkungen auf Person und Sachen der
Unterthanen, die im Falle des Widerstands mit Gewalt sich durch-
setzen. Der besondere Rechtsgrund dafür beruht entweder im Ge-
setz
oder in den Ordnungen der Regulative.

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[473/0493] § 32. Der Finanzzwang. jedes Vertreters der staatlichen Macht vorgenommen werden, nach vorgängiger Ankündigung sogar: die geringste Polizeiübertretung würde in solchem Falle pflichtmäſsig mit Gewalt verhindert, das Finanz- delikt, auf welchem vielleicht eine viel höhere Strafe steht, wird man ungestört vollziehen können. Der Beamte hat gar nicht einmal das Recht, gegen die Begehung einzuschreiten. Erst wenn das Delikt vollendet und an ihm selbst nichts mehr zu bekämpfen ist, beginnt die Feststellung der Namen, die Beschlagnahme, Durchsuchung, Haus- suchung u. s. w. Noch deutlicher wird das beim Falle der Zolldefraudation. Die Zollschutzbeamten stehen bewaffnet an der Grenze. Ihr bloſses Er- scheinen wird genügen, daſs von der etwa beabsichtigten Schmuggelei abgestanden wird. So würde die Polizei verfahren. Die Finanzbeamten aber, im Gegenteil, lassen das Delikt zur Entwicklung und Vollendung kommen; sie verbergen sich geradezu, um ihm dafür Raum zu geben, und haben nur Sorge, daſs sie noch rechtzeitig kommen, um das De- likt, in seinem ganzen Umfange festgestellt und gesichert, der Straf- verfolgung zu überliefern. Selbst in der Behandlung der Delikte kommt also die eingangs er- wähnte Besonderheit der Finanzgewalt zum Ausdruck: das Sollen im persönlichen Verhalten, das sie den Unterthanen auferlegt, hat keinen Wert in sich, so daſs es unbedingt durchgeführt werden müſste; es ist nur Mittel für einen andern, wichtigeren Zweck, dem möglicherweise die Ahndung des verletzten Sollens noch besser dient. Für die Lehre vom Finanzzwang bedeutet das, daſs wir auch zu dem allgemeinen Rechte der Polizeigewalt, unmittelbaren Zwang zu üben zur Verhinderung strafbarer Handlungen, ein Seitenstück nicht haben. Denn was hier geschieht, ist seinem Wesen nach nichts anderes als gerichtliche Polizei in dem oben (§ 18, III n. 1) festgestellten Begriff; in der Lehre des Verwaltungsrechts haben wir nicht weiter darauf einzugehen. Unmittelbarer Zwang hat auf dem Gebiete der Polizei allerdings auch noch statt auſserhalb des Gebietes jener groſsen selbstverständ- lichen Zuständigkeiten, auf Grund besonderer Ermächtigungen, welche das Gesetz für derartige Eingriffe gewährt (oben S. 347). Und in dieser Beziehung findet sich ähnliches auch im Finanzzwang. Zur Sicherung der Finanzinteressen sind verschiedenartige Befugnisse gegeben zu thatsächlichen Einwirkungen auf Person und Sachen der Unterthanen, die im Falle des Widerstands mit Gewalt sich durch- setzen. Der besondere Rechtsgrund dafür beruht entweder im Ge- setz oder in den Ordnungen der Regulative.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/493>, abgerufen am 31.10.2024.