Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums. walter der öffentlichen Sache behauptet öffentliches Eigentum, derGegner nimmt sie als sein civilrechtliches Eigentum in Anspruch. Die Grundlagen für die Gestalt, die dieser Streit annehmen muß, Der Staat oder wer an seiner Stelle steht, erscheint also im Die Rollen können nicht verschoben werden dadurch, daß 22 Die rechtliche Möglichkeit von possessorischen Interdikten wegen
öffentlicher Sachen wird nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der Besitz ist kein Recht civilrechtlicher Art, für welches diese Sachen, insbesondere die im öffentlichen Eigentum stehenden unzugänglich wären; er ist eine Thatsache, an welche Rechtserwerb und Rechtsschutz sich knüpfen; diese Thatsache kann auch enthalten sein in der Herrschaft, welche die Verwaltung in obrigkeitlicher Form über die Sache übt. Daher wir auch die Möglichkeit einer Ersitzung zu ihren Gunsten angenommen haben (oben Note 16). Die possessorischen Inter- dikte werden aber regelmäßig gegenstandslos sein wegen der alles erdrückenden Macht der Polizei der öffentlichen Sache. Eine Besitzklage gegen die Verwaltung wegen einer Sache, die sie als öffentliche beansprucht und zurückholt, wäre nichts anderes als ein Versuch, diese Polizeigewalt durch das Gericht nachprüfen und brechen zu lassen. Das Preußische Recht hat gerade für diese Fälle den Satz aufgestellt: gegen polizeiliche Verfügungen ist ein possessorium unzulässig. Darüber ausführlich Foerstemann, Pol.R. S. 472 ff. Einer Besitzklage des Herrn der öffent- lichen Sache gegen den Einzelnen, der ihn stört, steht die Polizei der öffentlichen Sachen nicht als ein Hindernis entgegen; sie wird durch diese nur überflüssig ge- macht: eine Verwaltung, die sich selbst helfen kann und statt dessen die Gerichte anruft, würde eine gewisse Schwächlichkeit verraten. Bei untergeordneten Rechts- subjekten der öffentlichen Verwaltung ist das verhältnismäßig leichter denkbar. That- sächlich sehen wir auch solche Besitzklagen kaum vom Staate selbst, wohl aber häufig von Gemeinden erhoben. Das französische Recht erkennt z. B. an, daß wenigstens wegen der Gemeindewege die Wahl freisteht zwischen Besitzklage und polizeilichem Einschreiten (Proudhon, domaine public, Bd. II, n. 269, 630). Einen bezeichnenden Fall behandelt O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88, S. 341): Das Militär hat bei Errichtung eines Zaunes in die städtische Straße übergegriffen. Die Stadt erhebt Besitzstörungsklage gegen den "Militärfiskus", mit welcher sie durchdringt. Diese Klage war aber offenbar nur ein Verlegenheitsausweg. Hatte § 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums. walter der öffentlichen Sache behauptet öffentliches Eigentum, derGegner nimmt sie als sein civilrechtliches Eigentum in Anspruch. Die Grundlagen für die Gestalt, die dieser Streit annehmen muß, Der Staat oder wer an seiner Stelle steht, erscheint also im Die Rollen können nicht verschoben werden dadurch, daß 22 Die rechtliche Möglichkeit von possessorischen Interdikten wegen
öffentlicher Sachen wird nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der Besitz ist kein Recht civilrechtlicher Art, für welches diese Sachen, insbesondere die im öffentlichen Eigentum stehenden unzugänglich wären; er ist eine Thatsache, an welche Rechtserwerb und Rechtsschutz sich knüpfen; diese Thatsache kann auch enthalten sein in der Herrschaft, welche die Verwaltung in obrigkeitlicher Form über die Sache übt. Daher wir auch die Möglichkeit einer Ersitzung zu ihren Gunsten angenommen haben (oben Note 16). Die possessorischen Inter- dikte werden aber regelmäßig gegenstandslos sein wegen der alles erdrückenden Macht der Polizei der öffentlichen Sache. Eine Besitzklage gegen die Verwaltung wegen einer Sache, die sie als öffentliche beansprucht und zurückholt, wäre nichts anderes als ein Versuch, diese Polizeigewalt durch das Gericht nachprüfen und brechen zu lassen. Das Preußische Recht hat gerade für diese Fälle den Satz aufgestellt: gegen polizeiliche Verfügungen ist ein possessorium unzulässig. Darüber ausführlich Foerstemann, Pol.R. S. 472 ff. Einer Besitzklage des Herrn der öffent- lichen Sache gegen den Einzelnen, der ihn stört, steht die Polizei der öffentlichen Sachen nicht als ein Hindernis entgegen; sie wird durch diese nur überflüssig ge- macht: eine Verwaltung, die sich selbst helfen kann und statt dessen die Gerichte anruft, würde eine gewisse Schwächlichkeit verraten. Bei untergeordneten Rechts- subjekten der öffentlichen Verwaltung ist das verhältnismäßig leichter denkbar. That- sächlich sehen wir auch solche Besitzklagen kaum vom Staate selbst, wohl aber häufig von Gemeinden erhoben. Das französische Recht erkennt z. B. an, daß wenigstens wegen der Gemeindewege die Wahl freisteht zwischen Besitzklage und polizeilichem Einschreiten (Proudhon, domaine public, Bd. II, n. 269, 630). Einen bezeichnenden Fall behandelt O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88, S. 341): Das Militär hat bei Errichtung eines Zaunes in die städtische Straße übergegriffen. Die Stadt erhebt Besitzstörungsklage gegen den „Militärfiskus“, mit welcher sie durchdringt. Diese Klage war aber offenbar nur ein Verlegenheitsausweg. Hatte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0115" n="103"/><fw place="top" type="header">§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.</fw><lb/> walter der öffentlichen Sache behauptet öffentliches Eigentum, der<lb/> Gegner nimmt sie als sein civilrechtliches Eigentum in Anspruch.</p><lb/> <p>Die Grundlagen für die Gestalt, die dieser Streit annehmen muß,<lb/> sind gegeben durch die Rechtsinstitute des Schutzes der öffentlichen<lb/> Sachen. Die Behörde bestimmt selbständig, was sie als eine öffent-<lb/> liche Sache behandeln will, und behauptet sich im Besitz durch die<lb/> damit verbundene Polizeigewalt.</p><lb/> <p>Der Staat oder wer an seiner Stelle steht, erscheint also im<lb/> Eigentumsstreit immer in der Rolle des Verklagten.</p><lb/> <p>Die Rollen können nicht verschoben werden dadurch, daß<lb/> statt der Eigentumsklage eine <hi rendition="#g">Besitzklage</hi> erhoben wird. Eine<lb/> solche Klage hat sachlich die Natur einer Beschwerde über die polizei-<lb/> liche Maßregel, deren Aufhebung verlangt wird. Dazu aber ist das<lb/> Civilgericht, an welches sie geht, mangels einer besonderen gesetz-<lb/> lichen Ermächtigung nicht zuständig; es steht Behörde gegen Be-<lb/> hörde<note xml:id="seg2pn_35_1" next="#seg2pn_35_2" place="foot" n="22">Die rechtliche Möglichkeit von <hi rendition="#g">possessorischen Interdikten</hi> wegen<lb/> öffentlicher Sachen wird nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der<lb/> Besitz ist kein Recht civilrechtlicher Art, für welches diese Sachen, insbesondere<lb/> die im öffentlichen Eigentum stehenden unzugänglich wären; er ist eine Thatsache,<lb/> an welche Rechtserwerb und Rechtsschutz sich knüpfen; diese Thatsache kann<lb/> auch enthalten sein in der Herrschaft, welche die Verwaltung in obrigkeitlicher<lb/> Form über die Sache übt. Daher wir auch die Möglichkeit einer Ersitzung<lb/> zu ihren Gunsten angenommen haben (oben Note 16). Die possessorischen Inter-<lb/> dikte werden aber regelmäßig gegenstandslos sein wegen der alles erdrückenden<lb/> Macht der Polizei der öffentlichen Sache. Eine Besitzklage gegen die Verwaltung<lb/> wegen einer Sache, die sie als öffentliche beansprucht und zurückholt, wäre nichts<lb/> anderes als ein Versuch, diese Polizeigewalt durch das Gericht nachprüfen und<lb/> brechen zu lassen. Das Preußische Recht hat gerade für diese Fälle den Satz<lb/> aufgestellt: gegen polizeiliche Verfügungen ist ein possessorium unzulässig. Darüber<lb/> ausführlich <hi rendition="#g">Foerstemann,</hi> Pol.R. S. 472 ff. Einer Besitzklage des Herrn der öffent-<lb/> lichen Sache gegen den Einzelnen, der ihn stört, steht die Polizei der öffentlichen<lb/> Sachen nicht als ein Hindernis entgegen; sie wird durch diese nur überflüssig ge-<lb/> macht: eine Verwaltung, die sich selbst helfen kann und statt dessen die Gerichte<lb/> anruft, würde eine gewisse Schwächlichkeit verraten. Bei untergeordneten Rechts-<lb/> subjekten der öffentlichen Verwaltung ist das verhältnismäßig leichter denkbar. That-<lb/> sächlich sehen wir auch solche Besitzklagen kaum vom Staate selbst, wohl aber<lb/> häufig von Gemeinden erhoben. Das französische Recht erkennt z. B. an, daß<lb/> wenigstens wegen der Gemeindewege die Wahl freisteht zwischen Besitzklage und<lb/> polizeilichem Einschreiten (<hi rendition="#g">Proudhon,</hi> domaine public, Bd. II, n. 269, 630).<lb/> Einen bezeichnenden Fall behandelt O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88, S. 341): Das<lb/> Militär hat bei Errichtung eines Zaunes in die städtische Straße übergegriffen.<lb/> Die Stadt erhebt Besitzstörungsklage gegen den „Militärfiskus“, mit welcher sie<lb/> durchdringt. Diese Klage war aber offenbar nur ein Verlegenheitsausweg. Hatte</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0115]
§ 36. Die Rechtsordnung des öffentlichen Eigentums.
walter der öffentlichen Sache behauptet öffentliches Eigentum, der
Gegner nimmt sie als sein civilrechtliches Eigentum in Anspruch.
Die Grundlagen für die Gestalt, die dieser Streit annehmen muß,
sind gegeben durch die Rechtsinstitute des Schutzes der öffentlichen
Sachen. Die Behörde bestimmt selbständig, was sie als eine öffent-
liche Sache behandeln will, und behauptet sich im Besitz durch die
damit verbundene Polizeigewalt.
Der Staat oder wer an seiner Stelle steht, erscheint also im
Eigentumsstreit immer in der Rolle des Verklagten.
Die Rollen können nicht verschoben werden dadurch, daß
statt der Eigentumsklage eine Besitzklage erhoben wird. Eine
solche Klage hat sachlich die Natur einer Beschwerde über die polizei-
liche Maßregel, deren Aufhebung verlangt wird. Dazu aber ist das
Civilgericht, an welches sie geht, mangels einer besonderen gesetz-
lichen Ermächtigung nicht zuständig; es steht Behörde gegen Be-
hörde 22.
22 Die rechtliche Möglichkeit von possessorischen Interdikten wegen
öffentlicher Sachen wird nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Der
Besitz ist kein Recht civilrechtlicher Art, für welches diese Sachen, insbesondere
die im öffentlichen Eigentum stehenden unzugänglich wären; er ist eine Thatsache,
an welche Rechtserwerb und Rechtsschutz sich knüpfen; diese Thatsache kann
auch enthalten sein in der Herrschaft, welche die Verwaltung in obrigkeitlicher
Form über die Sache übt. Daher wir auch die Möglichkeit einer Ersitzung
zu ihren Gunsten angenommen haben (oben Note 16). Die possessorischen Inter-
dikte werden aber regelmäßig gegenstandslos sein wegen der alles erdrückenden
Macht der Polizei der öffentlichen Sache. Eine Besitzklage gegen die Verwaltung
wegen einer Sache, die sie als öffentliche beansprucht und zurückholt, wäre nichts
anderes als ein Versuch, diese Polizeigewalt durch das Gericht nachprüfen und
brechen zu lassen. Das Preußische Recht hat gerade für diese Fälle den Satz
aufgestellt: gegen polizeiliche Verfügungen ist ein possessorium unzulässig. Darüber
ausführlich Foerstemann, Pol.R. S. 472 ff. Einer Besitzklage des Herrn der öffent-
lichen Sache gegen den Einzelnen, der ihn stört, steht die Polizei der öffentlichen
Sachen nicht als ein Hindernis entgegen; sie wird durch diese nur überflüssig ge-
macht: eine Verwaltung, die sich selbst helfen kann und statt dessen die Gerichte
anruft, würde eine gewisse Schwächlichkeit verraten. Bei untergeordneten Rechts-
subjekten der öffentlichen Verwaltung ist das verhältnismäßig leichter denkbar. That-
sächlich sehen wir auch solche Besitzklagen kaum vom Staate selbst, wohl aber
häufig von Gemeinden erhoben. Das französische Recht erkennt z. B. an, daß
wenigstens wegen der Gemeindewege die Wahl freisteht zwischen Besitzklage und
polizeilichem Einschreiten (Proudhon, domaine public, Bd. II, n. 269, 630).
Einen bezeichnenden Fall behandelt O.Tr. 28. März 1873 (Str. 88, S. 341): Das
Militär hat bei Errichtung eines Zaunes in die städtische Straße übergegriffen.
Die Stadt erhebt Besitzstörungsklage gegen den „Militärfiskus“, mit welcher sie
durchdringt. Diese Klage war aber offenbar nur ein Verlegenheitsausweg. Hatte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |