Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.Das öffentliche Sachenrecht. Durch all das ist aber die Frage des Eigentums nicht berührt. Dieses Eigentum kann also noch von einem Andern behauptet die Militärbehörde im öffentlichen Interesse, z. B. zur Sicherung eines Festungs- werkes, den Zaun errichtet, so gab es dagegen weder Polizei, noch Besitzklage; sie machte damit, um in der Sprache des preußischen Rechtes zu reden, selbst eine polizeiliche Verfügung; es gab nur den Beschwerdeweg. Hatte sie aber gleich einem andern Eigentümer ein gewöhnliches Grundstück umzäunen lassen, so war die Wegepolizei am Platz. Das letztere war hier wohl der Fall, sonst hätte die Gemeinde auch mit der Besitzklage nicht durchdringen können. Aber sie fühlte sich offenbar nicht stark genug, gegen das Militär geraden Weges vorzugehen. 23 Der umgekehrte Fall, daß der Herr der öffentlichen Sache die rei vindi-
catio erhebt, kann nicht vorkommen. Wir müssen sogar annehmen, daß das Recht der rei vindicatio ihm überhaupt nicht zusteht. Diese setzt civilrechtliches Eigentum voraus, und das liegt nicht vor. Es steht hier anders, wie bei der Besitzklage, die nur Thatsachen voraussetzt (oben Note 22). Dieser Grundsatz wird in der Praxis vielfach verdunkelt durch das Hereinspielen der Theorien, welche hinter dem öffentlichen Eigentum ein civilrechtliches des Fiskus oder ein "latentes" civilrechtliches oder sonst etwas der Art annehmen, um das öffentliche Eigentum möglichst wieder nach Civilrecht zu behandeln. Bezeichnend für diese Auffassung, aber auch für die ungünstige Lage, in welche der Staat dabei gerät, ist ein Erk. des Ob.App.Ger. Kassel vom 18. Februar 1843 in S. Fiskus c. Treyan (Strippel- mann, Samml. III, S. 260). Es führt aus: "daß Wege zwar möglicherweise im Privateigentum des Staates sich befinden und durch die gewöhnlichen Eigentums- klagen verfolgt werden können, Appellant (Fiskus) aber seine Klage auf ein der- artiges Privateigentum nicht stützt, vielmehr nur behauptet hat, daß der Staat die fragliche Wegestrecke vor einigen Jahren unter die Landstraßen, insbesondere in seine eigene (des Fiskus) Administration und bauliche Unterhaltung aufgenommen habe; hierdurch jedoch nur ein kraft der Staatsgewalt geltend gemachtes öffent- liches Recht in betreff der fraglichen Wegestrecken folgt, welches nur uneigent- lich als Eigentum bezeichnet und nicht durch die civilrechtlichen Eigentumsklagen geschützt werden kann." Also erst läßt man den Staat wegen seiner öffentlichen Straßen mit der rei vindicatio kommen, weil er ja Eigentümer sein könnte, dann erklärt man, das sei doch kein richtiges Eigentum und weist ihn ab. O.Tr. 31. Dez. 1863 (Str. 51, S. 332): Die Gemeinde klagt gegen Beeinträchtigung ihres Weges durch eine vorgerückte Mauer. Der Vorderrichter hatte entschieden, Das öffentliche Sachenrecht. Durch all das ist aber die Frage des Eigentums nicht berührt. Dieses Eigentum kann also noch von einem Andern behauptet die Militärbehörde im öffentlichen Interesse, z. B. zur Sicherung eines Festungs- werkes, den Zaun errichtet, so gab es dagegen weder Polizei, noch Besitzklage; sie machte damit, um in der Sprache des preußischen Rechtes zu reden, selbst eine polizeiliche Verfügung; es gab nur den Beschwerdeweg. Hatte sie aber gleich einem andern Eigentümer ein gewöhnliches Grundstück umzäunen lassen, so war die Wegepolizei am Platz. Das letztere war hier wohl der Fall, sonst hätte die Gemeinde auch mit der Besitzklage nicht durchdringen können. Aber sie fühlte sich offenbar nicht stark genug, gegen das Militär geraden Weges vorzugehen. 23 Der umgekehrte Fall, daß der Herr der öffentlichen Sache die rei vindi-
catio erhebt, kann nicht vorkommen. Wir müssen sogar annehmen, daß das Recht der rei vindicatio ihm überhaupt nicht zusteht. Diese setzt civilrechtliches Eigentum voraus, und das liegt nicht vor. Es steht hier anders, wie bei der Besitzklage, die nur Thatsachen voraussetzt (oben Note 22). Dieser Grundsatz wird in der Praxis vielfach verdunkelt durch das Hereinspielen der Theorien, welche hinter dem öffentlichen Eigentum ein civilrechtliches des Fiskus oder ein „latentes“ civilrechtliches oder sonst etwas der Art annehmen, um das öffentliche Eigentum möglichst wieder nach Civilrecht zu behandeln. Bezeichnend für diese Auffassung, aber auch für die ungünstige Lage, in welche der Staat dabei gerät, ist ein Erk. des Ob.App.Ger. Kassel vom 18. Februar 1843 in S. Fiskus c. Treyan (Strippel- mann, Samml. III, S. 260). Es führt aus: „daß Wege zwar möglicherweise im Privateigentum des Staates sich befinden und durch die gewöhnlichen Eigentums- klagen verfolgt werden können, Appellant (Fiskus) aber seine Klage auf ein der- artiges Privateigentum nicht stützt, vielmehr nur behauptet hat, daß der Staat die fragliche Wegestrecke vor einigen Jahren unter die Landstraßen, insbesondere in seine eigene (des Fiskus) Administration und bauliche Unterhaltung aufgenommen habe; hierdurch jedoch nur ein kraft der Staatsgewalt geltend gemachtes öffent- liches Recht in betreff der fraglichen Wegestrecken folgt, welches nur uneigent- lich als Eigentum bezeichnet und nicht durch die civilrechtlichen Eigentumsklagen geschützt werden kann.“ Also erst läßt man den Staat wegen seiner öffentlichen Straßen mit der rei vindicatio kommen, weil er ja Eigentümer sein könnte, dann erklärt man, das sei doch kein richtiges Eigentum und weist ihn ab. O.Tr. 31. Dez. 1863 (Str. 51, S. 332): Die Gemeinde klagt gegen Beeinträchtigung ihres Weges durch eine vorgerückte Mauer. Der Vorderrichter hatte entschieden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0116" n="104"/> <fw place="top" type="header">Das öffentliche Sachenrecht.</fw><lb/> <p>Durch all das ist aber die Frage des Eigentums nicht berührt.<lb/> Die Herrichtung und Verwaltung einer Sache als einer öffentlichen<lb/> läßt das etwa noch vorhandene civilrechtliche Eigentum eines Andern<lb/> bestehen. Die Inanspruchnahme der öffentlichen Sache bestimmt<lb/> bindend nur diese ihre Eigenschaft, nicht die rechtliche Grundlage,<lb/> auf welcher sie das ist. Die Polizei der öffentlichen Sache schafft und<lb/> wahrt nur den äußerlichen Besitzstand.</p><lb/> <p>Dieses Eigentum kann also noch von einem Andern behauptet<lb/> und geltend gemacht werden; der Ort, an welchem das zu ge-<lb/> schehen hat, ist naturgemäß das Civilgericht; es wird die rei vindi-<lb/> catio erhoben gegen den besitzenden Verwalter der öffentlichen<lb/> Sache<note xml:id="seg2pn_36_1" next="#seg2pn_36_2" place="foot" n="23">Der umgekehrte Fall, daß der Herr der öffentlichen Sache die rei vindi-<lb/> catio erhebt, kann nicht vorkommen. Wir müssen sogar annehmen, daß das<lb/> Recht der rei vindicatio ihm überhaupt nicht zusteht. Diese setzt civilrechtliches<lb/> Eigentum voraus, und das liegt nicht vor. Es steht hier anders, wie bei der<lb/> Besitzklage, die nur Thatsachen voraussetzt (oben Note 22). Dieser Grundsatz wird<lb/> in der Praxis vielfach verdunkelt durch das Hereinspielen der Theorien, welche<lb/> hinter dem öffentlichen Eigentum ein civilrechtliches des Fiskus oder ein „latentes“<lb/> civilrechtliches oder sonst etwas der Art annehmen, um das öffentliche Eigentum<lb/> möglichst wieder nach Civilrecht zu behandeln. Bezeichnend für diese Auffassung,<lb/> aber auch für die ungünstige Lage, in welche der Staat dabei gerät, ist ein Erk.<lb/> des Ob.App.Ger. Kassel vom 18. Februar 1843 in S. Fiskus c. Treyan (<hi rendition="#g">Strippel-<lb/> mann,</hi> Samml. III, S. 260). Es führt aus: „daß Wege zwar möglicherweise im<lb/> Privateigentum des Staates sich befinden und durch die gewöhnlichen Eigentums-<lb/> klagen verfolgt werden können, Appellant (Fiskus) aber seine Klage auf ein der-<lb/> artiges Privateigentum nicht stützt, vielmehr nur behauptet hat, daß der Staat die<lb/> fragliche Wegestrecke vor einigen Jahren unter die Landstraßen, insbesondere in<lb/> seine eigene (des Fiskus) Administration und bauliche Unterhaltung aufgenommen<lb/> habe; hierdurch jedoch nur ein kraft der Staatsgewalt geltend gemachtes öffent-<lb/> liches Recht in betreff der fraglichen Wegestrecken folgt, welches nur uneigent-<lb/> lich als Eigentum bezeichnet und nicht durch die civilrechtlichen Eigentumsklagen<lb/> geschützt werden kann.“ Also erst läßt man den Staat wegen seiner öffentlichen<lb/> Straßen mit der rei vindicatio kommen, weil er ja Eigentümer sein könnte, dann<lb/> erklärt man, das sei doch kein richtiges Eigentum und weist ihn ab. O.Tr.<lb/> 31. Dez. 1863 (Str. 51, S. 332): Die Gemeinde klagt gegen Beeinträchtigung ihres<lb/> Weges durch eine vorgerückte Mauer. Der Vorderrichter hatte entschieden,</note>.</p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_35_2" prev="#seg2pn_35_1" place="foot" n="22">die Militärbehörde im öffentlichen Interesse, z. B. zur Sicherung eines Festungs-<lb/> werkes, den Zaun errichtet, so gab es dagegen weder Polizei, noch Besitzklage; sie<lb/> machte damit, um in der Sprache des preußischen Rechtes zu reden, selbst eine<lb/> polizeiliche Verfügung; es gab nur den Beschwerdeweg. Hatte sie aber gleich<lb/> einem andern Eigentümer ein gewöhnliches Grundstück umzäunen lassen, so war<lb/> die Wegepolizei am Platz. Das letztere war hier wohl der Fall, sonst hätte die<lb/> Gemeinde auch mit der Besitzklage nicht durchdringen können. Aber sie fühlte<lb/> sich offenbar nicht stark genug, gegen das Militär geraden Weges vorzugehen.</note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
Das öffentliche Sachenrecht.
Durch all das ist aber die Frage des Eigentums nicht berührt.
Die Herrichtung und Verwaltung einer Sache als einer öffentlichen
läßt das etwa noch vorhandene civilrechtliche Eigentum eines Andern
bestehen. Die Inanspruchnahme der öffentlichen Sache bestimmt
bindend nur diese ihre Eigenschaft, nicht die rechtliche Grundlage,
auf welcher sie das ist. Die Polizei der öffentlichen Sache schafft und
wahrt nur den äußerlichen Besitzstand.
Dieses Eigentum kann also noch von einem Andern behauptet
und geltend gemacht werden; der Ort, an welchem das zu ge-
schehen hat, ist naturgemäß das Civilgericht; es wird die rei vindi-
catio erhoben gegen den besitzenden Verwalter der öffentlichen
Sache 23.
22
23 Der umgekehrte Fall, daß der Herr der öffentlichen Sache die rei vindi-
catio erhebt, kann nicht vorkommen. Wir müssen sogar annehmen, daß das
Recht der rei vindicatio ihm überhaupt nicht zusteht. Diese setzt civilrechtliches
Eigentum voraus, und das liegt nicht vor. Es steht hier anders, wie bei der
Besitzklage, die nur Thatsachen voraussetzt (oben Note 22). Dieser Grundsatz wird
in der Praxis vielfach verdunkelt durch das Hereinspielen der Theorien, welche
hinter dem öffentlichen Eigentum ein civilrechtliches des Fiskus oder ein „latentes“
civilrechtliches oder sonst etwas der Art annehmen, um das öffentliche Eigentum
möglichst wieder nach Civilrecht zu behandeln. Bezeichnend für diese Auffassung,
aber auch für die ungünstige Lage, in welche der Staat dabei gerät, ist ein Erk.
des Ob.App.Ger. Kassel vom 18. Februar 1843 in S. Fiskus c. Treyan (Strippel-
mann, Samml. III, S. 260). Es führt aus: „daß Wege zwar möglicherweise im
Privateigentum des Staates sich befinden und durch die gewöhnlichen Eigentums-
klagen verfolgt werden können, Appellant (Fiskus) aber seine Klage auf ein der-
artiges Privateigentum nicht stützt, vielmehr nur behauptet hat, daß der Staat die
fragliche Wegestrecke vor einigen Jahren unter die Landstraßen, insbesondere in
seine eigene (des Fiskus) Administration und bauliche Unterhaltung aufgenommen
habe; hierdurch jedoch nur ein kraft der Staatsgewalt geltend gemachtes öffent-
liches Recht in betreff der fraglichen Wegestrecken folgt, welches nur uneigent-
lich als Eigentum bezeichnet und nicht durch die civilrechtlichen Eigentumsklagen
geschützt werden kann.“ Also erst läßt man den Staat wegen seiner öffentlichen
Straßen mit der rei vindicatio kommen, weil er ja Eigentümer sein könnte, dann
erklärt man, das sei doch kein richtiges Eigentum und weist ihn ab. O.Tr.
31. Dez. 1863 (Str. 51, S. 332): Die Gemeinde klagt gegen Beeinträchtigung ihres
Weges durch eine vorgerückte Mauer. Der Vorderrichter hatte entschieden,
22 die Militärbehörde im öffentlichen Interesse, z. B. zur Sicherung eines Festungs-
werkes, den Zaun errichtet, so gab es dagegen weder Polizei, noch Besitzklage; sie
machte damit, um in der Sprache des preußischen Rechtes zu reden, selbst eine
polizeiliche Verfügung; es gab nur den Beschwerdeweg. Hatte sie aber gleich
einem andern Eigentümer ein gewöhnliches Grundstück umzäunen lassen, so war
die Wegepolizei am Platz. Das letztere war hier wohl der Fall, sonst hätte die
Gemeinde auch mit der Besitzklage nicht durchdringen können. Aber sie fühlte
sich offenbar nicht stark genug, gegen das Militär geraden Weges vorzugehen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |