stehen ergänzend daneben; es wäre ein folgenschwerer Irrtum, wenn man glaubte, alles in Gesetzestexten zu finden.
Wir haben in der Lehre von der Polizeigewalt gesehen, wie die natürliche Freiheitsgrenze dieser gegenüber durch den Begriff des Privatlebens und andere der üblichen Anschauung entnommene Bestimmungen gegeben wird (oben § 19, I n. 1). Hier ist einfach wieder so ein Fall: der Polizeigewalt gegenüber, welche die öffent- lichen Sachen ordnet und gegen die Einzelnen verteidigt, steht ein gewisses Maß von freier Bewegung des Einzellebens, welches Ein- wirkungen auf die öffentliche Sache begreift und angesehen wird als eine natürliche Ausstattung aller im Staate lebenden Menschen. Wie alle Freiheit im öffentlichen Rechte von dem Willen des Gesetzes formell abhängig ist, von diesem unterdrückt und beschränkt oder auch erweitert werden kann, oder, was gleichsteht, mit seiner Er- mächtigung von der vollziehenden Gewalt, so auch die hergebrachte Freiheit des Privatlebens, die bestehende Freiheit des Gebrauchs der öffentlichen Sachen. Aber so weit dies nicht geschehen ist, bleibt dieses Gebiet von Lebensäußerungen in einem gewissen natürlichen Umfang frei und geschützt auch der Polizeigewalt gegenüber. Daß man das ein Recht nennt, eine verwaltungsrechtliche Befugnis, einen "bloß" administrativen Anspruch, stimmt ja wieder ganz überein mit dem sonstigen Sprachgebrauch. Weitere Folgerungen braucht man aus dem Namen nicht zu ziehen.
Wohl aber sind solche Folgerungen zu ziehen aus dem jetzt ent- wickelten Begriffe des Rechts des Gemeingebrauchs. Wir haben dem- nach die Umrisse dieses Rechts nach seinen einzelnen Seiten hin noch genauer zu bestimmen.
II. Der Inhalt des Rechts des Gemeingebrauchs unterliegt, wie alle Äußerungen der Freiheit, der Regelung des Gesetzes. Das Gesetz und was in seiner Vertretung ergeht, spricht sich jedoch selten darüber aus und nie erschöpfend.
Der Inhalt des Rechts muß deshalb nach anderen Maßstäben gewonnen werden.
Einen solchen giebt in erster Linie die Art der öffentlichen Sache selbst, wie diese von der Natur oder durch die Herrichtung und Widmung bestimmt ist. Innerhalb der dadurch geschaffenen Möglich- keiten giebt die gemeine Anschauung von dem, was zulässig ist, die genauere Begrenzung. Diese wird aber durch nichts besser erkannt als durch die Übung: die Übung der Benutzenden, die alle, sowie sie in die Lage kommen, der öffentlichen Sache in dieser oder jener Weise sich bedienen zu sollen, unbedenklich zu solcher Gebrauchsart
Das öffentliche Sachenrecht.
stehen ergänzend daneben; es wäre ein folgenschwerer Irrtum, wenn man glaubte, alles in Gesetzestexten zu finden.
Wir haben in der Lehre von der Polizeigewalt gesehen, wie die natürliche Freiheitsgrenze dieser gegenüber durch den Begriff des Privatlebens und andere der üblichen Anschauung entnommene Bestimmungen gegeben wird (oben § 19, I n. 1). Hier ist einfach wieder so ein Fall: der Polizeigewalt gegenüber, welche die öffent- lichen Sachen ordnet und gegen die Einzelnen verteidigt, steht ein gewisses Maß von freier Bewegung des Einzellebens, welches Ein- wirkungen auf die öffentliche Sache begreift und angesehen wird als eine natürliche Ausstattung aller im Staate lebenden Menschen. Wie alle Freiheit im öffentlichen Rechte von dem Willen des Gesetzes formell abhängig ist, von diesem unterdrückt und beschränkt oder auch erweitert werden kann, oder, was gleichsteht, mit seiner Er- mächtigung von der vollziehenden Gewalt, so auch die hergebrachte Freiheit des Privatlebens, die bestehende Freiheit des Gebrauchs der öffentlichen Sachen. Aber so weit dies nicht geschehen ist, bleibt dieses Gebiet von Lebensäußerungen in einem gewissen natürlichen Umfang frei und geschützt auch der Polizeigewalt gegenüber. Daß man das ein Recht nennt, eine verwaltungsrechtliche Befugnis, einen „bloß“ administrativen Anspruch, stimmt ja wieder ganz überein mit dem sonstigen Sprachgebrauch. Weitere Folgerungen braucht man aus dem Namen nicht zu ziehen.
Wohl aber sind solche Folgerungen zu ziehen aus dem jetzt ent- wickelten Begriffe des Rechts des Gemeingebrauchs. Wir haben dem- nach die Umrisse dieses Rechts nach seinen einzelnen Seiten hin noch genauer zu bestimmen.
II. Der Inhalt des Rechts des Gemeingebrauchs unterliegt, wie alle Äußerungen der Freiheit, der Regelung des Gesetzes. Das Gesetz und was in seiner Vertretung ergeht, spricht sich jedoch selten darüber aus und nie erschöpfend.
Der Inhalt des Rechts muß deshalb nach anderen Maßstäben gewonnen werden.
Einen solchen giebt in erster Linie die Art der öffentlichen Sache selbst, wie diese von der Natur oder durch die Herrichtung und Widmung bestimmt ist. Innerhalb der dadurch geschaffenen Möglich- keiten giebt die gemeine Anschauung von dem, was zulässig ist, die genauere Begrenzung. Diese wird aber durch nichts besser erkannt als durch die Übung: die Übung der Benutzenden, die alle, sowie sie in die Lage kommen, der öffentlichen Sache in dieser oder jener Weise sich bedienen zu sollen, unbedenklich zu solcher Gebrauchsart
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[118/0130]
Das öffentliche Sachenrecht.
stehen ergänzend daneben; es wäre ein folgenschwerer Irrtum, wenn
man glaubte, alles in Gesetzestexten zu finden.
Wir haben in der Lehre von der Polizeigewalt gesehen, wie die
natürliche Freiheitsgrenze dieser gegenüber durch den Begriff des
Privatlebens und andere der üblichen Anschauung entnommene
Bestimmungen gegeben wird (oben § 19, I n. 1). Hier ist einfach
wieder so ein Fall: der Polizeigewalt gegenüber, welche die öffent-
lichen Sachen ordnet und gegen die Einzelnen verteidigt, steht ein
gewisses Maß von freier Bewegung des Einzellebens, welches Ein-
wirkungen auf die öffentliche Sache begreift und angesehen wird als
eine natürliche Ausstattung aller im Staate lebenden Menschen. Wie
alle Freiheit im öffentlichen Rechte von dem Willen des Gesetzes
formell abhängig ist, von diesem unterdrückt und beschränkt oder
auch erweitert werden kann, oder, was gleichsteht, mit seiner Er-
mächtigung von der vollziehenden Gewalt, so auch die hergebrachte
Freiheit des Privatlebens, die bestehende Freiheit des Gebrauchs der
öffentlichen Sachen. Aber so weit dies nicht geschehen ist, bleibt
dieses Gebiet von Lebensäußerungen in einem gewissen natürlichen
Umfang frei und geschützt auch der Polizeigewalt gegenüber. Daß
man das ein Recht nennt, eine verwaltungsrechtliche Befugnis, einen
„bloß“ administrativen Anspruch, stimmt ja wieder ganz überein mit
dem sonstigen Sprachgebrauch. Weitere Folgerungen braucht man
aus dem Namen nicht zu ziehen.
Wohl aber sind solche Folgerungen zu ziehen aus dem jetzt ent-
wickelten Begriffe des Rechts des Gemeingebrauchs. Wir haben dem-
nach die Umrisse dieses Rechts nach seinen einzelnen Seiten hin noch
genauer zu bestimmen.
II. Der Inhalt des Rechts des Gemeingebrauchs unterliegt, wie
alle Äußerungen der Freiheit, der Regelung des Gesetzes. Das Gesetz
und was in seiner Vertretung ergeht, spricht sich jedoch selten darüber
aus und nie erschöpfend.
Der Inhalt des Rechts muß deshalb nach anderen Maßstäben
gewonnen werden.
Einen solchen giebt in erster Linie die Art der öffentlichen Sache
selbst, wie diese von der Natur oder durch die Herrichtung und
Widmung bestimmt ist. Innerhalb der dadurch geschaffenen Möglich-
keiten giebt die gemeine Anschauung von dem, was zulässig ist, die
genauere Begrenzung. Diese wird aber durch nichts besser erkannt
als durch die Übung: die Übung der Benutzenden, die alle, sowie
sie in die Lage kommen, der öffentlichen Sache in dieser oder jener
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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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