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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 37. Der Gemeingebrauch.
übergehen; der Verwaltungsbehörden, die das geschehen lassen; der
Gerichte, die für solche Dinge, falls sie je dagegen angerufen werden,
das Einschreiten mit Anwendung der allgemeinen Strafbestimmungen
gegen Mißbrauch der Sache verweigern.

Das ist dann kein Gewohnheitsrecht; wir können dieser Krücke
hier wieder vollständig entbehren.

Es ist auch keine bloße thatsächliche Anmaßung und Duldung.

Es ist die Erscheinung des Gemeinbewußtseins an dem Umfange
der selbstverständlichen Freiheit der Genossen, d. h. der Menschen
im Staate. --

Den bei weitem wichtigsten Gegenstand des Gemeingebrauchs
bilden die öffentlichen Straßen. Sie sind selbst unter sich
nicht gleichartig, sondern zerfallen gerade in der Richtung des Gemein-
gebrauchs wieder in Unterarten: Fahrstraßen, Fußpfade, Reitwege,
Bürgersteige, Leinpfade -- jede Unterart wieder den allgemeinen
Rahmen bestimmend für das, was geschehen darf, namentlich in der
Weise, daß gewisse Gebrauchsarten ausgeschlossen, andere bevorzugt
sind. Eine Rangordnung der Gebrauchsarten knüpft sich daran, deren
Aufrechterhaltung der Polizei der öffentlichen Sache obliegt (unten III
n. 2). Fragen wir aber, was darf man alles auf solchen Straßen
thun, so werden wir vergebens nach formulierten Rechtssätzen suchen.
Die gesetzliche "Gestattung", auf die man sich wohl berufen möchte,
um die Grenze zu bestimmen, fehlt entweder oder ist von einer un-
verhohlenen Unzulänglichkeit. Da soll z. B. der Gemeingebrauch an
Landstraßen beruhen auf A.L.R. II, 15 § 7, wonach solche jedem
verstattet sind "zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen". Ein
schöner Zustand, wenn man auf diesen Text angewiesen und sonst
nichts auf der Straße berechtigt wäre!

Thatsächlich geschieht viel mehr und ist viel mehr als berechtigt
allgemein anerkannt in dem Sinne, daß die Hinderung daran als ein
Eingriff in die Freiheit empfunden werden würde, der als Unrecht ab-
zuwehren und aufzuheben ist.

Die Straße, sagt man, dient dem allgemeinen Verkehr.
Auch damit ist durchaus nicht alles erschöpft; es ist nur die Haupt-
masse ihrer Benutzungsarten damit bezeichnet. Sie steht aber auch
offen für alles, was gelegentlich dieses Verkehrs sich als Benutzung
von selbst ergiebt, und noch für vieles darüber hinaus.

Am deutlichsten zeigt sich das in mancherlei Benutzungsformen,
die da stattfinden zu Gunsten der angrenzenden Grundstücke, vor
allem der Gebäude und hier wieder vorzugsweise zu Gunsten der
Wohngebäude innerhalb der Ortschaften.

§ 37. Der Gemeingebrauch.
übergehen; der Verwaltungsbehörden, die das geschehen lassen; der
Gerichte, die für solche Dinge, falls sie je dagegen angerufen werden,
das Einschreiten mit Anwendung der allgemeinen Strafbestimmungen
gegen Mißbrauch der Sache verweigern.

Das ist dann kein Gewohnheitsrecht; wir können dieser Krücke
hier wieder vollständig entbehren.

Es ist auch keine bloße thatsächliche Anmaßung und Duldung.

Es ist die Erscheinung des Gemeinbewußtseins an dem Umfange
der selbstverständlichen Freiheit der Genossen, d. h. der Menschen
im Staate. —

Den bei weitem wichtigsten Gegenstand des Gemeingebrauchs
bilden die öffentlichen Straßen. Sie sind selbst unter sich
nicht gleichartig, sondern zerfallen gerade in der Richtung des Gemein-
gebrauchs wieder in Unterarten: Fahrstraßen, Fußpfade, Reitwege,
Bürgersteige, Leinpfade — jede Unterart wieder den allgemeinen
Rahmen bestimmend für das, was geschehen darf, namentlich in der
Weise, daß gewisse Gebrauchsarten ausgeschlossen, andere bevorzugt
sind. Eine Rangordnung der Gebrauchsarten knüpft sich daran, deren
Aufrechterhaltung der Polizei der öffentlichen Sache obliegt (unten III
n. 2). Fragen wir aber, was darf man alles auf solchen Straßen
thun, so werden wir vergebens nach formulierten Rechtssätzen suchen.
Die gesetzliche „Gestattung“, auf die man sich wohl berufen möchte,
um die Grenze zu bestimmen, fehlt entweder oder ist von einer un-
verhohlenen Unzulänglichkeit. Da soll z. B. der Gemeingebrauch an
Landstraßen beruhen auf A.L.R. II, 15 § 7, wonach solche jedem
verstattet sind „zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen“. Ein
schöner Zustand, wenn man auf diesen Text angewiesen und sonst
nichts auf der Straße berechtigt wäre!

Thatsächlich geschieht viel mehr und ist viel mehr als berechtigt
allgemein anerkannt in dem Sinne, daß die Hinderung daran als ein
Eingriff in die Freiheit empfunden werden würde, der als Unrecht ab-
zuwehren und aufzuheben ist.

Die Straße, sagt man, dient dem allgemeinen Verkehr.
Auch damit ist durchaus nicht alles erschöpft; es ist nur die Haupt-
masse ihrer Benutzungsarten damit bezeichnet. Sie steht aber auch
offen für alles, was gelegentlich dieses Verkehrs sich als Benutzung
von selbst ergiebt, und noch für vieles darüber hinaus.

Am deutlichsten zeigt sich das in mancherlei Benutzungsformen,
die da stattfinden zu Gunsten der angrenzenden Grundstücke, vor
allem der Gebäude und hier wieder vorzugsweise zu Gunsten der
Wohngebäude innerhalb der Ortschaften.

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[119/0131] § 37. Der Gemeingebrauch. übergehen; der Verwaltungsbehörden, die das geschehen lassen; der Gerichte, die für solche Dinge, falls sie je dagegen angerufen werden, das Einschreiten mit Anwendung der allgemeinen Strafbestimmungen gegen Mißbrauch der Sache verweigern. Das ist dann kein Gewohnheitsrecht; wir können dieser Krücke hier wieder vollständig entbehren. Es ist auch keine bloße thatsächliche Anmaßung und Duldung. Es ist die Erscheinung des Gemeinbewußtseins an dem Umfange der selbstverständlichen Freiheit der Genossen, d. h. der Menschen im Staate. — Den bei weitem wichtigsten Gegenstand des Gemeingebrauchs bilden die öffentlichen Straßen. Sie sind selbst unter sich nicht gleichartig, sondern zerfallen gerade in der Richtung des Gemein- gebrauchs wieder in Unterarten: Fahrstraßen, Fußpfade, Reitwege, Bürgersteige, Leinpfade — jede Unterart wieder den allgemeinen Rahmen bestimmend für das, was geschehen darf, namentlich in der Weise, daß gewisse Gebrauchsarten ausgeschlossen, andere bevorzugt sind. Eine Rangordnung der Gebrauchsarten knüpft sich daran, deren Aufrechterhaltung der Polizei der öffentlichen Sache obliegt (unten III n. 2). Fragen wir aber, was darf man alles auf solchen Straßen thun, so werden wir vergebens nach formulierten Rechtssätzen suchen. Die gesetzliche „Gestattung“, auf die man sich wohl berufen möchte, um die Grenze zu bestimmen, fehlt entweder oder ist von einer un- verhohlenen Unzulänglichkeit. Da soll z. B. der Gemeingebrauch an Landstraßen beruhen auf A.L.R. II, 15 § 7, wonach solche jedem verstattet sind „zum Reisen und Fortbringen seiner Sachen“. Ein schöner Zustand, wenn man auf diesen Text angewiesen und sonst nichts auf der Straße berechtigt wäre! Thatsächlich geschieht viel mehr und ist viel mehr als berechtigt allgemein anerkannt in dem Sinne, daß die Hinderung daran als ein Eingriff in die Freiheit empfunden werden würde, der als Unrecht ab- zuwehren und aufzuheben ist. Die Straße, sagt man, dient dem allgemeinen Verkehr. Auch damit ist durchaus nicht alles erschöpft; es ist nur die Haupt- masse ihrer Benutzungsarten damit bezeichnet. Sie steht aber auch offen für alles, was gelegentlich dieses Verkehrs sich als Benutzung von selbst ergiebt, und noch für vieles darüber hinaus. Am deutlichsten zeigt sich das in mancherlei Benutzungsformen, die da stattfinden zu Gunsten der angrenzenden Grundstücke, vor allem der Gebäude und hier wieder vorzugsweise zu Gunsten der Wohngebäude innerhalb der Ortschaften.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/131>, abgerufen am 24.11.2024.