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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 37. Der Gemeingebrauch.
mit den Wandlungen der Grundlagen unseres öffentlichen Rechtes
überhaupt.

Im älteren Staatswesen sind diese Gebühren ausgebildet als Gegen-
stand eines besonderen landesherrlichen Hoheitsrechtes. Die Wegezölle,
Wasserzölle, Brückenzölle gehören zu den Regalien, und zwar zu
den niederen Regalien, welche auch an Gemeinden und Einzelne
übergehen können durch Vertrag oder unvordenklichen Besitz23.

Gegenüber den verwickelten und teilweilse gemeinschädlichen
Sonderrechten, die sich daraus ergaben, ist der Polizeistaat vor allem
darauf bedacht, dem planmäßigen Eingreifen der Verwaltung Raum
zu schaffen. Er zwingt den danach bisher schon erhobenen Gebühren
Ermäßigungen auf oder unterdrückt sie gänzlich, meist mit Ent-
schädigung. Das Recht, solche Gebühren neu aufzulegen, nimmt er
ausschließlich in Anspruch24.

Der Verfassungsstaat stellt endlich auch die Gebührenauflage des
Staates unter den Vorbehalt des Gesetzes. Die veröffentlichten all-
gemeinen Anordnungen aus früherer Zeit werden, wie das ja auch in
anderer Beziehung geschieht, als Gesetze übernommen. Neue Auf-
lagen von Gebühren können nur erfolgen auf Grund eines Ge-
setzes
.

Dieser Satz gilt in seiner vollen Strenge nur für die Gebühr auf
den Gemeingebrauch. Diese Gebühr erhält dadurch ihre rechtliche
Eigentümlichkeit gegen andere Gebühren für öffentliche Nutzungen.
Wir werden sehen, wie an die Benützung der mancherlei öffentlichen
Anstalten Gebührenpflichten sich knüpfen ohne Gesetz. Den Fall des
civilrechtlichen Vertrages lassen wir ganz beiseite; auch eine öffentlich-
rechtliche Gebührenpflicht kann dort ohne Gesetz entstehen. Die
Entstehung wird vermittelt durch die Gewährung der Anstalts-
leistungen durch den Staat und durch die Unterwerfung unter die Be-
dingungen, an welche sie geknüpft wird. Das Genauere unten § 52, II.
Diese Vermittlung fehlt hier. Der Gemeingebrauch ist ein Ausfluß
der allgemeinen Freiheit; das Recht dazu beruht auf keiner Gewährung;
durch seine Ausübung hat man sich keinen Bedingungen der Ge-
währung zu unterwerfen. Die Gebührenauflage ist wirtschaftlich wohl
vermittelt durch den Gedanken des Entgeltes, aber rechtlich geschieht

23 Klüber, Öff. R. §§ 408, 409 (Wegeregal); § 460 (Wasserregal); in dem
Regal ist immer auch das Recht der Gebührenbestimmung begriffen.
24 Diese Entwicklung wird dargestellt für Preußen bei Roenne u. Simon,
Verf. und Verord. des Preuß. St. VI, 4 Abt. 2 (Wegepolizei) S. 481 ff.; für Baden
bei Bär, Die Wasser- und Straßenbauverwaltung in dem Großherzogtum Baden
S. 370 ff.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 9

§ 37. Der Gemeingebrauch.
mit den Wandlungen der Grundlagen unseres öffentlichen Rechtes
überhaupt.

Im älteren Staatswesen sind diese Gebühren ausgebildet als Gegen-
stand eines besonderen landesherrlichen Hoheitsrechtes. Die Wegezölle,
Wasserzölle, Brückenzölle gehören zu den Regalien, und zwar zu
den niederen Regalien, welche auch an Gemeinden und Einzelne
übergehen können durch Vertrag oder unvordenklichen Besitz23.

Gegenüber den verwickelten und teilweilse gemeinschädlichen
Sonderrechten, die sich daraus ergaben, ist der Polizeistaat vor allem
darauf bedacht, dem planmäßigen Eingreifen der Verwaltung Raum
zu schaffen. Er zwingt den danach bisher schon erhobenen Gebühren
Ermäßigungen auf oder unterdrückt sie gänzlich, meist mit Ent-
schädigung. Das Recht, solche Gebühren neu aufzulegen, nimmt er
ausschließlich in Anspruch24.

Der Verfassungsstaat stellt endlich auch die Gebührenauflage des
Staates unter den Vorbehalt des Gesetzes. Die veröffentlichten all-
gemeinen Anordnungen aus früherer Zeit werden, wie das ja auch in
anderer Beziehung geschieht, als Gesetze übernommen. Neue Auf-
lagen von Gebühren können nur erfolgen auf Grund eines Ge-
setzes
.

Dieser Satz gilt in seiner vollen Strenge nur für die Gebühr auf
den Gemeingebrauch. Diese Gebühr erhält dadurch ihre rechtliche
Eigentümlichkeit gegen andere Gebühren für öffentliche Nutzungen.
Wir werden sehen, wie an die Benützung der mancherlei öffentlichen
Anstalten Gebührenpflichten sich knüpfen ohne Gesetz. Den Fall des
civilrechtlichen Vertrages lassen wir ganz beiseite; auch eine öffentlich-
rechtliche Gebührenpflicht kann dort ohne Gesetz entstehen. Die
Entstehung wird vermittelt durch die Gewährung der Anstalts-
leistungen durch den Staat und durch die Unterwerfung unter die Be-
dingungen, an welche sie geknüpft wird. Das Genauere unten § 52, II.
Diese Vermittlung fehlt hier. Der Gemeingebrauch ist ein Ausfluß
der allgemeinen Freiheit; das Recht dazu beruht auf keiner Gewährung;
durch seine Ausübung hat man sich keinen Bedingungen der Ge-
währung zu unterwerfen. Die Gebührenauflage ist wirtschaftlich wohl
vermittelt durch den Gedanken des Entgeltes, aber rechtlich geschieht

23 Klüber, Öff. R. §§ 408, 409 (Wegeregal); § 460 (Wasserregal); in dem
Regal ist immer auch das Recht der Gebührenbestimmung begriffen.
24 Diese Entwicklung wird dargestellt für Preußen bei Roenne u. Simon,
Verf. und Verord. des Preuß. St. VI, 4 Abt. 2 (Wegepolizei) S. 481 ff.; für Baden
bei Bär, Die Wasser- und Straßenbauverwaltung in dem Großherzogtum Baden
S. 370 ff.
Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 9
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[129/0141] § 37. Der Gemeingebrauch. mit den Wandlungen der Grundlagen unseres öffentlichen Rechtes überhaupt. Im älteren Staatswesen sind diese Gebühren ausgebildet als Gegen- stand eines besonderen landesherrlichen Hoheitsrechtes. Die Wegezölle, Wasserzölle, Brückenzölle gehören zu den Regalien, und zwar zu den niederen Regalien, welche auch an Gemeinden und Einzelne übergehen können durch Vertrag oder unvordenklichen Besitz 23. Gegenüber den verwickelten und teilweilse gemeinschädlichen Sonderrechten, die sich daraus ergaben, ist der Polizeistaat vor allem darauf bedacht, dem planmäßigen Eingreifen der Verwaltung Raum zu schaffen. Er zwingt den danach bisher schon erhobenen Gebühren Ermäßigungen auf oder unterdrückt sie gänzlich, meist mit Ent- schädigung. Das Recht, solche Gebühren neu aufzulegen, nimmt er ausschließlich in Anspruch 24. Der Verfassungsstaat stellt endlich auch die Gebührenauflage des Staates unter den Vorbehalt des Gesetzes. Die veröffentlichten all- gemeinen Anordnungen aus früherer Zeit werden, wie das ja auch in anderer Beziehung geschieht, als Gesetze übernommen. Neue Auf- lagen von Gebühren können nur erfolgen auf Grund eines Ge- setzes. Dieser Satz gilt in seiner vollen Strenge nur für die Gebühr auf den Gemeingebrauch. Diese Gebühr erhält dadurch ihre rechtliche Eigentümlichkeit gegen andere Gebühren für öffentliche Nutzungen. Wir werden sehen, wie an die Benützung der mancherlei öffentlichen Anstalten Gebührenpflichten sich knüpfen ohne Gesetz. Den Fall des civilrechtlichen Vertrages lassen wir ganz beiseite; auch eine öffentlich- rechtliche Gebührenpflicht kann dort ohne Gesetz entstehen. Die Entstehung wird vermittelt durch die Gewährung der Anstalts- leistungen durch den Staat und durch die Unterwerfung unter die Be- dingungen, an welche sie geknüpft wird. Das Genauere unten § 52, II. Diese Vermittlung fehlt hier. Der Gemeingebrauch ist ein Ausfluß der allgemeinen Freiheit; das Recht dazu beruht auf keiner Gewährung; durch seine Ausübung hat man sich keinen Bedingungen der Ge- währung zu unterwerfen. Die Gebührenauflage ist wirtschaftlich wohl vermittelt durch den Gedanken des Entgeltes, aber rechtlich geschieht 23 Klüber, Öff. R. §§ 408, 409 (Wegeregal); § 460 (Wasserregal); in dem Regal ist immer auch das Recht der Gebührenbestimmung begriffen. 24 Diese Entwicklung wird dargestellt für Preußen bei Roenne u. Simon, Verf. und Verord. des Preuß. St. VI, 4 Abt. 2 (Wegepolizei) S. 481 ff.; für Baden bei Bär, Die Wasser- und Straßenbauverwaltung in dem Großherzogtum Baden S. 370 ff. Binding, Handbuch. VI. 2: Otto Mayer, Verwaltungsr. II. 9

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/141>, abgerufen am 24.11.2024.