Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten. nach öffentlichem Recht; ist es Eigentum, so wird es öffentlichrecht-liches oder öffentliches Eigentum, ist es eine Grunddienstbarkeit, so wird diese eine öffentlichrechtliche oder öffentliche Grunddienstbarkeit. Wir deuten diesen Zusammenhang an, indem wir für diese Art die Bezeichnung einer Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache wählen3. Nicht bei allen öffentlichen Sachen findet diese Form der recht- 3 Vgl. die entsprechende Lehre vom öffentlichen Eigentum oben § 35, III n. 2. Für öffentlichrechtliche Wegedienstbarkeiten dieser Art geben Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 327 eine wunderlich verdrehte Formulierung: "Der Staat (oder die Ge- meinde) kann auch eine Servitut haben für das Wegerecht des von ihm vertretenen Jedermann". Auf diese Weise würde sich die Theorie, wonach das Publikum der eigentliche Herr der öffentlichen Sache ist (oben § 35 Note 8), und die neuere Auffassung, wonach der Staat es ist, allerdings vereinbaren; aber um welchen Preis! 4 Beispiele von öffentlichrechtlichen Wegeservituten in voriger Note und unten
Note 6. Eine solche Servitut über den Hof eines Privatgrundstückes erwähnt Bayr. Ob.G.H. 9. Nov. 1868 (Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 391). Das Hamburger Siehl, welches unter einem Privathaus durchführt, bezeichnet R.G. 10. Jan. 1883 (Samml. VIII S. 152) als "ein öffentliches Recht, welches nach Art einer Dienstbarkeit das Privateigentum beschränkt". Württemb. V.G.H. 5. Mai 1880 (Württemb. Arch. f. R. Bd. 22 S. 221) erwähnt eine öffentliche Dohle unter einem Privathaus, welche der Stadt vermöge einer "öffentlichrechtlichen Servitut" gehört. -- Wo die Servitut der Stadt oder dem Staate zusteht und auch die Sache zu öffentlichen Zwecken verwendbar macht, aber sie nicht unmittelbar als öffentliche Sache einen solchen Zweck verwirklichen läßt, wird sie nicht zur öffentlichrechtlichen Servitut, so wenig wie Eigentum in solchen Voraussetzungen öffentliches Eigentum war (oben § 35, II). Danach sind die falschen öffentlichrechtlichen Dienstbarkeiten auszu- scheiden. V.G.H. 15. Dez. 1885 (Samml. VI S. 241) spricht von einer Servitut, welche zu Gunsten einer gemeindlichen Wasserleitung auf Quellen einer Nachbar- gemeinde gelegt ist, damit nicht Veränderungen daran vorgenommen werden dürfen, welche den Bestand des Werkes gefährden; eine solche, meint das Gericht, wäre "auf civilrechtlichem Gebiet als negative Realservitut zulässig". Damit soll also wohl gesagt sein: hier wäre es eine öffentlichrechtliche Servitut. Aber der Zu- sammenhang mit der Wasserleitung würde nicht genügen, ihr diese Natur zu geben; die Quelle selbst, an der sie besteht, wird dadurch zu keiner öffentlichen Sache. § 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten. nach öffentlichem Recht; ist es Eigentum, so wird es öffentlichrecht-liches oder öffentliches Eigentum, ist es eine Grunddienstbarkeit, so wird diese eine öffentlichrechtliche oder öffentliche Grunddienstbarkeit. Wir deuten diesen Zusammenhang an, indem wir für diese Art die Bezeichnung einer Grunddienstbarkeit der öffentlichen Sache wählen3. Nicht bei allen öffentlichen Sachen findet diese Form der recht- 3 Vgl. die entsprechende Lehre vom öffentlichen Eigentum oben § 35, III n. 2. Für öffentlichrechtliche Wegedienstbarkeiten dieser Art geben Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 327 eine wunderlich verdrehte Formulierung: „Der Staat (oder die Ge- meinde) kann auch eine Servitut haben für das Wegerecht des von ihm vertretenen Jedermann“. Auf diese Weise würde sich die Theorie, wonach das Publikum der eigentliche Herr der öffentlichen Sache ist (oben § 35 Note 8), und die neuere Auffassung, wonach der Staat es ist, allerdings vereinbaren; aber um welchen Preis! 4 Beispiele von öffentlichrechtlichen Wegeservituten in voriger Note und unten
Note 6. Eine solche Servitut über den Hof eines Privatgrundstückes erwähnt Bayr. Ob.G.H. 9. Nov. 1868 (Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 391). Das Hamburger Siehl, welches unter einem Privathaus durchführt, bezeichnet R.G. 10. Jan. 1883 (Samml. VIII S. 152) als „ein öffentliches Recht, welches nach Art einer Dienstbarkeit das Privateigentum beschränkt“. Württemb. V.G.H. 5. Mai 1880 (Württemb. Arch. f. R. Bd. 22 S. 221) erwähnt eine öffentliche Dohle unter einem Privathaus, welche der Stadt vermöge einer „öffentlichrechtlichen Servitut“ gehört. — Wo die Servitut der Stadt oder dem Staate zusteht und auch die Sache zu öffentlichen Zwecken verwendbar macht, aber sie nicht unmittelbar als öffentliche Sache einen solchen Zweck verwirklichen läßt, wird sie nicht zur öffentlichrechtlichen Servitut, so wenig wie Eigentum in solchen Voraussetzungen öffentliches Eigentum war (oben § 35, II). Danach sind die falschen öffentlichrechtlichen Dienstbarkeiten auszu- scheiden. V.G.H. 15. Dez. 1885 (Samml. VI S. 241) spricht von einer Servitut, welche zu Gunsten einer gemeindlichen Wasserleitung auf Quellen einer Nachbar- gemeinde gelegt ist, damit nicht Veränderungen daran vorgenommen werden dürfen, welche den Bestand des Werkes gefährden; eine solche, meint das Gericht, wäre „auf civilrechtlichem Gebiet als negative Realservitut zulässig“. Damit soll also wohl gesagt sein: hier wäre es eine öffentlichrechtliche Servitut. Aber der Zu- sammenhang mit der Wasserleitung würde nicht genügen, ihr diese Natur zu geben; die Quelle selbst, an der sie besteht, wird dadurch zu keiner öffentlichen Sache. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0179" n="167"/><fw place="top" type="header">§ 40. 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§ 40. Öffentlichrechtliche Grunddienstbarkeiten.
nach öffentlichem Recht; ist es Eigentum, so wird es öffentlichrecht-
liches oder öffentliches Eigentum, ist es eine Grunddienstbarkeit, so
wird diese eine öffentlichrechtliche oder öffentliche Grunddienstbarkeit.
Wir deuten diesen Zusammenhang an, indem wir für diese Art die
Bezeichnung einer Grunddienstbarkeit der öffentlichen
Sache wählen 3.
Nicht bei allen öffentlichen Sachen findet diese Form der recht-
lichen Gestaltung Raum. Die sogenannten natürlichen öffent-
lichen Sachen: Flüsse, Seen, Meeresstrand, sind für den Staat
einfürallemal umfassend in Anspruch genommen, so daß ein zu be-
lastendes Privateigentum nicht übrig bleibt. Alle anderen ließen sich
wohl in der Form der öffentlichen Grunddienstbarkeit denken, selbst
Festungswerke, Kirchhöfe, Kanalstrecken. Den Hauptanwendungsfall
für sie bilden immer die öffentlichen Wege und was damit zusammen-
hängt: Brücken, Plätze, sogenannte Durchhäuser. Auch Abzugskanäle,
Siehle liefern Beispiele 4.
3 Vgl. die entsprechende Lehre vom öffentlichen Eigentum oben § 35, III
n. 2. Für öffentlichrechtliche Wegedienstbarkeiten dieser Art geben Bl. f. adm.
Pr. 1870 S. 327 eine wunderlich verdrehte Formulierung: „Der Staat (oder die Ge-
meinde) kann auch eine Servitut haben für das Wegerecht des von ihm vertretenen
Jedermann“. Auf diese Weise würde sich die Theorie, wonach das Publikum der
eigentliche Herr der öffentlichen Sache ist (oben § 35 Note 8), und die neuere
Auffassung, wonach der Staat es ist, allerdings vereinbaren; aber um welchen
Preis!
4 Beispiele von öffentlichrechtlichen Wegeservituten in voriger Note und unten
Note 6. Eine solche Servitut über den Hof eines Privatgrundstückes erwähnt
Bayr. Ob.G.H. 9. Nov. 1868 (Bl. f. adm. Pr. 1870 S. 391). Das Hamburger Siehl,
welches unter einem Privathaus durchführt, bezeichnet R.G. 10. Jan. 1883 (Samml.
VIII S. 152) als „ein öffentliches Recht, welches nach Art einer Dienstbarkeit das
Privateigentum beschränkt“. Württemb. V.G.H. 5. Mai 1880 (Württemb. Arch. f.
R. Bd. 22 S. 221) erwähnt eine öffentliche Dohle unter einem Privathaus, welche
der Stadt vermöge einer „öffentlichrechtlichen Servitut“ gehört. — Wo die Servitut
der Stadt oder dem Staate zusteht und auch die Sache zu öffentlichen Zwecken
verwendbar macht, aber sie nicht unmittelbar als öffentliche Sache einen solchen
Zweck verwirklichen läßt, wird sie nicht zur öffentlichrechtlichen Servitut, so
wenig wie Eigentum in solchen Voraussetzungen öffentliches Eigentum war (oben
§ 35, II). Danach sind die falschen öffentlichrechtlichen Dienstbarkeiten auszu-
scheiden. V.G.H. 15. Dez. 1885 (Samml. VI S. 241) spricht von einer Servitut,
welche zu Gunsten einer gemeindlichen Wasserleitung auf Quellen einer Nachbar-
gemeinde gelegt ist, damit nicht Veränderungen daran vorgenommen werden dürfen,
welche den Bestand des Werkes gefährden; eine solche, meint das Gericht, wäre
„auf civilrechtlichem Gebiet als negative Realservitut zulässig“. Damit soll also
wohl gesagt sein: hier wäre es eine öffentlichrechtliche Servitut. Aber der Zu-
sammenhang mit der Wasserleitung würde nicht genügen, ihr diese Natur zu geben;
die Quelle selbst, an der sie besteht, wird dadurch zu keiner öffentlichen Sache.
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