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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
von selbst ohne Annahmeerklärung; es wird kein Vertrag abgeschlossen
und keiner abgeändert. Eine gänzliche oder teilmäßige Entziehung
des Gehaltsanspruches wird dagegen nur zulässig durch Einwilligung
des Betroffenen, es sei denn, daß ein besonderer Rechtsgrund für den
Dienstherrn gegeben ist, um sie einseitig vorzunehmen.

Die Einwilligung kann insbesondere liegen in der Annahme
eines geringer dotierten Amtes. Bei verbleibendem Amte ist sie
wirkungslos, wenn die Besoldung rechtssatzmäßig festgelegt ist.
Vereinbarte Gehaltsabzüge kommen hauptsächlich zur Anwendung be-
hufs Ansammlung einer zu stellenden Kaution, Bildung einer Pensions-
kasse5, gemeinsamer Beschaffung von Dienstkleidern, auch zur Be-
zahlung eines Stellvertreters, wo dies zur Bedingung einer Urlaubs-
erteilung gemacht ist. Der Abzug wird durch die Dienstbehörde
verfügt auf Grund der Einwilligung.

Auch ohne Einwilligung kann die Gehaltsentziehung geschehen,
einseitig, aus besonderem Grunde. Das richtet sich aber hier
nach wesentlich anderen Regeln, als das civilrechtliche Dienstverhältnis
sie aufweist. Dort steht alles unter dem Gesichtspunkte der exceptio
non adimpleti contractus: der Lohn kann verweigert werden, sofern
aus einem in der Person des Pflichtigen liegenden Grunde die Pflicht

das Reichsgericht erkennt demgemäß, da eine unzulässige Umgehung des Ver-
storbenen stattgehabt habe. Das Gesetz sagt aber nicht: sobald eine etatsmäßige
Zulage verfügbar ist, muß sie dem Richter verliehen werden, der vermöge seines
Dienstalters an der Reihe ist. Sondern es sagt: wenn die Behörde etatsmäßige
Zulagen verleiht, muß sie dabei die Reihenfolge einhalten sie darf keine Um-
gehung machen, sonst verletzt sie das Recht des Umgangenen. Indem das Gericht
dieser letzteren Ausdrucksweise sich bedient, dabei aber verfährt, als hätte das
Gesetz den ersteren Sinn, kommt es zu dem seltsamen Ausspruche: die Behörde
habe den Richter drei Monate nach seiner Beerdigung bei einer Zulagebewilligung
"umgangen". -- Zu beachten ist die Stellung des nachprüfenden Civilgerichts: es
erkennt nicht nur über bewilligte Besoldungen, sondern prüft auch die Bewilli-
gungen nach auf ihre Rechtmäßigkeit und ergänzt sie durch das, was hätte ge-
schehen sollen; Preuß. Ges. v. 24. Mai 1861 § 1 (Oppenhoff, Ress.Verh. S. 552
n. 11); R.B.G. § 149.
5 C.C.H. 12. Okt. 1872 (J.M.Bl. S. 295) nimmt an, daß der Beitritt zu einer
Witwenkasse durch Dienstbefehl erzwungen werden könne; in einer früheren Ent-
scheidung, v. 14. Jan. 1854, hatte der C.C.H. erklärt, solches gehöre "nicht zur
publizistischen Seite, sondern zur privatrechtlichen Seite des Verhältnisses", und
demgemäß sei civilgerichtliche Entscheidung über die Gehaltsabzüge zulässig.
Das letztere führt wenigstens praktisch zu einem richtigen Ergebnisse; die Sache
liegt jedenfalls außerhalb des Gebietes des Dienstbefehls; ohne Einwilligung, die
nachträglich gegeben oder schon in der Annahme des also geordneten Amts-
verhältnisses stillschweigend enthalten ist, könnte der Abzug nur auf Grund eines
Gesetzes gemacht werden.

§ 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse.
von selbst ohne Annahmeerklärung; es wird kein Vertrag abgeschlossen
und keiner abgeändert. Eine gänzliche oder teilmäßige Entziehung
des Gehaltsanspruches wird dagegen nur zulässig durch Einwilligung
des Betroffenen, es sei denn, daß ein besonderer Rechtsgrund für den
Dienstherrn gegeben ist, um sie einseitig vorzunehmen.

Die Einwilligung kann insbesondere liegen in der Annahme
eines geringer dotierten Amtes. Bei verbleibendem Amte ist sie
wirkungslos, wenn die Besoldung rechtssatzmäßig festgelegt ist.
Vereinbarte Gehaltsabzüge kommen hauptsächlich zur Anwendung be-
hufs Ansammlung einer zu stellenden Kaution, Bildung einer Pensions-
kasse5, gemeinsamer Beschaffung von Dienstkleidern, auch zur Be-
zahlung eines Stellvertreters, wo dies zur Bedingung einer Urlaubs-
erteilung gemacht ist. Der Abzug wird durch die Dienstbehörde
verfügt auf Grund der Einwilligung.

Auch ohne Einwilligung kann die Gehaltsentziehung geschehen,
einseitig, aus besonderem Grunde. Das richtet sich aber hier
nach wesentlich anderen Regeln, als das civilrechtliche Dienstverhältnis
sie aufweist. Dort steht alles unter dem Gesichtspunkte der exceptio
non adimpleti contractus: der Lohn kann verweigert werden, sofern
aus einem in der Person des Pflichtigen liegenden Grunde die Pflicht

das Reichsgericht erkennt demgemäß, da eine unzulässige Umgehung des Ver-
storbenen stattgehabt habe. Das Gesetz sagt aber nicht: sobald eine etatsmäßige
Zulage verfügbar ist, muß sie dem Richter verliehen werden, der vermöge seines
Dienstalters an der Reihe ist. Sondern es sagt: wenn die Behörde etatsmäßige
Zulagen verleiht, muß sie dabei die Reihenfolge einhalten sie darf keine Um-
gehung machen, sonst verletzt sie das Recht des Umgangenen. Indem das Gericht
dieser letzteren Ausdrucksweise sich bedient, dabei aber verfährt, als hätte das
Gesetz den ersteren Sinn, kommt es zu dem seltsamen Ausspruche: die Behörde
habe den Richter drei Monate nach seiner Beerdigung bei einer Zulagebewilligung
„umgangen“. — Zu beachten ist die Stellung des nachprüfenden Civilgerichts: es
erkennt nicht nur über bewilligte Besoldungen, sondern prüft auch die Bewilli-
gungen nach auf ihre Rechtmäßigkeit und ergänzt sie durch das, was hätte ge-
schehen sollen; Preuß. Ges. v. 24. Mai 1861 § 1 (Oppenhoff, Ress.Verh. S. 552
n. 11); R.B.G. § 149.
5 C.C.H. 12. Okt. 1872 (J.M.Bl. S. 295) nimmt an, daß der Beitritt zu einer
Witwenkasse durch Dienstbefehl erzwungen werden könne; in einer früheren Ent-
scheidung, v. 14. Jan. 1854, hatte der C.C.H. erklärt, solches gehöre „nicht zur
publizistischen Seite, sondern zur privatrechtlichen Seite des Verhältnisses“, und
demgemäß sei civilgerichtliche Entscheidung über die Gehaltsabzüge zulässig.
Das letztere führt wenigstens praktisch zu einem richtigen Ergebnisse; die Sache
liegt jedenfalls außerhalb des Gebietes des Dienstbefehls; ohne Einwilligung, die
nachträglich gegeben oder schon in der Annahme des also geordneten Amts-
verhältnisses stillschweigend enthalten ist, könnte der Abzug nur auf Grund eines
Gesetzes gemacht werden.
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[251/0263] § 46. Vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnisse. von selbst ohne Annahmeerklärung; es wird kein Vertrag abgeschlossen und keiner abgeändert. Eine gänzliche oder teilmäßige Entziehung des Gehaltsanspruches wird dagegen nur zulässig durch Einwilligung des Betroffenen, es sei denn, daß ein besonderer Rechtsgrund für den Dienstherrn gegeben ist, um sie einseitig vorzunehmen. Die Einwilligung kann insbesondere liegen in der Annahme eines geringer dotierten Amtes. Bei verbleibendem Amte ist sie wirkungslos, wenn die Besoldung rechtssatzmäßig festgelegt ist. Vereinbarte Gehaltsabzüge kommen hauptsächlich zur Anwendung be- hufs Ansammlung einer zu stellenden Kaution, Bildung einer Pensions- kasse 5, gemeinsamer Beschaffung von Dienstkleidern, auch zur Be- zahlung eines Stellvertreters, wo dies zur Bedingung einer Urlaubs- erteilung gemacht ist. Der Abzug wird durch die Dienstbehörde verfügt auf Grund der Einwilligung. Auch ohne Einwilligung kann die Gehaltsentziehung geschehen, einseitig, aus besonderem Grunde. Das richtet sich aber hier nach wesentlich anderen Regeln, als das civilrechtliche Dienstverhältnis sie aufweist. Dort steht alles unter dem Gesichtspunkte der exceptio non adimpleti contractus: der Lohn kann verweigert werden, sofern aus einem in der Person des Pflichtigen liegenden Grunde die Pflicht 4 5 C.C.H. 12. Okt. 1872 (J.M.Bl. S. 295) nimmt an, daß der Beitritt zu einer Witwenkasse durch Dienstbefehl erzwungen werden könne; in einer früheren Ent- scheidung, v. 14. Jan. 1854, hatte der C.C.H. erklärt, solches gehöre „nicht zur publizistischen Seite, sondern zur privatrechtlichen Seite des Verhältnisses“, und demgemäß sei civilgerichtliche Entscheidung über die Gehaltsabzüge zulässig. Das letztere führt wenigstens praktisch zu einem richtigen Ergebnisse; die Sache liegt jedenfalls außerhalb des Gebietes des Dienstbefehls; ohne Einwilligung, die nachträglich gegeben oder schon in der Annahme des also geordneten Amts- verhältnisses stillschweigend enthalten ist, könnte der Abzug nur auf Grund eines Gesetzes gemacht werden. 4 das Reichsgericht erkennt demgemäß, da eine unzulässige Umgehung des Ver- storbenen stattgehabt habe. Das Gesetz sagt aber nicht: sobald eine etatsmäßige Zulage verfügbar ist, muß sie dem Richter verliehen werden, der vermöge seines Dienstalters an der Reihe ist. Sondern es sagt: wenn die Behörde etatsmäßige Zulagen verleiht, muß sie dabei die Reihenfolge einhalten sie darf keine Um- gehung machen, sonst verletzt sie das Recht des Umgangenen. Indem das Gericht dieser letzteren Ausdrucksweise sich bedient, dabei aber verfährt, als hätte das Gesetz den ersteren Sinn, kommt es zu dem seltsamen Ausspruche: die Behörde habe den Richter drei Monate nach seiner Beerdigung bei einer Zulagebewilligung „umgangen“. — Zu beachten ist die Stellung des nachprüfenden Civilgerichts: es erkennt nicht nur über bewilligte Besoldungen, sondern prüft auch die Bewilli- gungen nach auf ihre Rechtmäßigkeit und ergänzt sie durch das, was hätte ge- schehen sollen; Preuß. Ges. v. 24. Mai 1861 § 1 (Oppenhoff, Ress.Verh. S. 552 n. 11); R.B.G. § 149.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/263>, abgerufen am 17.06.2024.