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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
satze selbst gegeben: die Verpflichtbarkeit des Einzelnen. Man
bezeichnet auch diese schon als die öffentliche Last. Die Verpflicht-
barkeit wird immer bestimmt sein in mehr oder weniger engem An-
schlusse an das Eine, worauf es ankommt: an die Fähigkeit, die in
Anspruch genommene Leistung zu machen7. Bei den Zufallslasten
ist das unmittelbare Vorhandensein dieser Fähigkeit in dem Augen-
blick, wo die Pflicht zur Leistung entstehen soll, sogar die natürliche
und selbstverständliche Bedingung für die Entstehung der Pflicht.
Die Zeugnispflicht macht davon keine Ausnahme: die Fähigkeit,
welche sie voraussetzt, ist ja nicht die, etwas Sachdienliches zu wissen,
sondern nur die, vernommen werden zu können. Nur bei der
anderen Gerichtslast, der Sachverständigenpflicht, ist die Art, wie die
verpflichtbar machende Fähigkeit erscheinen muß, formell abgegrenzt.

Die geordneten Lasten dagegen haben das Eigentümliche, daß
sie die Verpflichtbarkeit noch nach anderen Rücksichten als der
Fähigkeit zu der erforderlichen Leistung regeln. Sie beschränken sie
auf einen engeren Kreis, auf solche mit einer besonderen rechtlichen
Zugehörigkeit an das betreffende Gemeinwesen oder auch auf solche,
die durch einen gewissen Besitz oder Gewerbebetrieb bezeichnet sind.
Vor allem bestimmen sie eine Rangfolge, in welcher die verschie-
denen verpflichtbaren Personen in Anspruch genommen werden sollen:
persönliche Lasten gehen etwa in den Reihendienst, oder gewisse als
abkömmlicher angesehene Kategorien sollen vorzugsweise herangezogen
werden, oder für die erste Inanspruchnahme der Last wird die Steuer-

7 Diese Fähigkeit kann namentlich auch voraussetzen den Besitz der Sachen,
deren das öffentliche Unternehmen bedarf. Die Verpflichtbarkeit ist dann mög-
licherweise an das Vorhandensein dieses Besitzes geknüpft. Die Sache kann auch
ein Grundstück sein. Es beweist aber doch ein allzustarkes Anlehnungsbedürfnis
an ältere Begriffe, wenn man um dieses Zusammenhanges willen die öffentliche
Last geradezu für eine Reallast erklärt. Dies ist namentlich der Quartierlast
häufig begegnet: ein Grundstück ist in Frage, denn ohne Grundstück keine Woh-
nung, und eine Verpflichtung zu einem Leisten, das in den Rahmen einer Grund-
dienstbarkeit nicht paßt, trifft jeden, der diese Wohnung besitzt; also Reallast. So
Laband, St. R. II S. 771 (3. Aufl. S. 735); V.G.H. 20. Mai 1887 (Samml. IX
S. 137); Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 188. In Wahrheit ist das aber doch keine Last
auf dem Grundstück, sondern eine rein persönliche Verpflichtung dessen, der durch
den Besitz irgend einer Wohnung fähig wird zu leisten, ganz ähnlich wie das
bei anderen Lasten auch der Fall ist. Wenn man bei der Quartierlast das Ver-
hältnis in dieser Weise umdreht, so müßte man dann ebenso auch von einer Last
auf Wagen und Pferden und auf Heuvorräten sprechen, die dem jeweiligen Be-
sitzer zur Erfüllung obliegt. Was mit dieser sporadischen Heranziehung des an
sich ja recht umstrittenen Begriffes der Reallast zur Erklärung ganz neuzeitlicher
Rechtsinstitute eigentlich geholfen sein soll, ist wirklich nicht abzusehen.

§ 47. Gemeine öffentliche Lasten.
satze selbst gegeben: die Verpflichtbarkeit des Einzelnen. Man
bezeichnet auch diese schon als die öffentliche Last. Die Verpflicht-
barkeit wird immer bestimmt sein in mehr oder weniger engem An-
schlusse an das Eine, worauf es ankommt: an die Fähigkeit, die in
Anspruch genommene Leistung zu machen7. Bei den Zufallslasten
ist das unmittelbare Vorhandensein dieser Fähigkeit in dem Augen-
blick, wo die Pflicht zur Leistung entstehen soll, sogar die natürliche
und selbstverständliche Bedingung für die Entstehung der Pflicht.
Die Zeugnispflicht macht davon keine Ausnahme: die Fähigkeit,
welche sie voraussetzt, ist ja nicht die, etwas Sachdienliches zu wissen,
sondern nur die, vernommen werden zu können. Nur bei der
anderen Gerichtslast, der Sachverständigenpflicht, ist die Art, wie die
verpflichtbar machende Fähigkeit erscheinen muß, formell abgegrenzt.

Die geordneten Lasten dagegen haben das Eigentümliche, daß
sie die Verpflichtbarkeit noch nach anderen Rücksichten als der
Fähigkeit zu der erforderlichen Leistung regeln. Sie beschränken sie
auf einen engeren Kreis, auf solche mit einer besonderen rechtlichen
Zugehörigkeit an das betreffende Gemeinwesen oder auch auf solche,
die durch einen gewissen Besitz oder Gewerbebetrieb bezeichnet sind.
Vor allem bestimmen sie eine Rangfolge, in welcher die verschie-
denen verpflichtbaren Personen in Anspruch genommen werden sollen:
persönliche Lasten gehen etwa in den Reihendienst, oder gewisse als
abkömmlicher angesehene Kategorien sollen vorzugsweise herangezogen
werden, oder für die erste Inanspruchnahme der Last wird die Steuer-

7 Diese Fähigkeit kann namentlich auch voraussetzen den Besitz der Sachen,
deren das öffentliche Unternehmen bedarf. Die Verpflichtbarkeit ist dann mög-
licherweise an das Vorhandensein dieses Besitzes geknüpft. Die Sache kann auch
ein Grundstück sein. Es beweist aber doch ein allzustarkes Anlehnungsbedürfnis
an ältere Begriffe, wenn man um dieses Zusammenhanges willen die öffentliche
Last geradezu für eine Reallast erklärt. Dies ist namentlich der Quartierlast
häufig begegnet: ein Grundstück ist in Frage, denn ohne Grundstück keine Woh-
nung, und eine Verpflichtung zu einem Leisten, das in den Rahmen einer Grund-
dienstbarkeit nicht paßt, trifft jeden, der diese Wohnung besitzt; also Reallast. So
Laband, St. R. II S. 771 (3. Aufl. S. 735); V.G.H. 20. Mai 1887 (Samml. IX
S. 137); Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 188. In Wahrheit ist das aber doch keine Last
auf dem Grundstück, sondern eine rein persönliche Verpflichtung dessen, der durch
den Besitz irgend einer Wohnung fähig wird zu leisten, ganz ähnlich wie das
bei anderen Lasten auch der Fall ist. Wenn man bei der Quartierlast das Ver-
hältnis in dieser Weise umdreht, so müßte man dann ebenso auch von einer Last
auf Wagen und Pferden und auf Heuvorräten sprechen, die dem jeweiligen Be-
sitzer zur Erfüllung obliegt. Was mit dieser sporadischen Heranziehung des an
sich ja recht umstrittenen Begriffes der Reallast zur Erklärung ganz neuzeitlicher
Rechtsinstitute eigentlich geholfen sein soll, ist wirklich nicht abzusehen.
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[269/0281] § 47. Gemeine öffentliche Lasten. satze selbst gegeben: die Verpflichtbarkeit des Einzelnen. Man bezeichnet auch diese schon als die öffentliche Last. Die Verpflicht- barkeit wird immer bestimmt sein in mehr oder weniger engem An- schlusse an das Eine, worauf es ankommt: an die Fähigkeit, die in Anspruch genommene Leistung zu machen 7. Bei den Zufallslasten ist das unmittelbare Vorhandensein dieser Fähigkeit in dem Augen- blick, wo die Pflicht zur Leistung entstehen soll, sogar die natürliche und selbstverständliche Bedingung für die Entstehung der Pflicht. Die Zeugnispflicht macht davon keine Ausnahme: die Fähigkeit, welche sie voraussetzt, ist ja nicht die, etwas Sachdienliches zu wissen, sondern nur die, vernommen werden zu können. Nur bei der anderen Gerichtslast, der Sachverständigenpflicht, ist die Art, wie die verpflichtbar machende Fähigkeit erscheinen muß, formell abgegrenzt. Die geordneten Lasten dagegen haben das Eigentümliche, daß sie die Verpflichtbarkeit noch nach anderen Rücksichten als der Fähigkeit zu der erforderlichen Leistung regeln. Sie beschränken sie auf einen engeren Kreis, auf solche mit einer besonderen rechtlichen Zugehörigkeit an das betreffende Gemeinwesen oder auch auf solche, die durch einen gewissen Besitz oder Gewerbebetrieb bezeichnet sind. Vor allem bestimmen sie eine Rangfolge, in welcher die verschie- denen verpflichtbaren Personen in Anspruch genommen werden sollen: persönliche Lasten gehen etwa in den Reihendienst, oder gewisse als abkömmlicher angesehene Kategorien sollen vorzugsweise herangezogen werden, oder für die erste Inanspruchnahme der Last wird die Steuer- 7 Diese Fähigkeit kann namentlich auch voraussetzen den Besitz der Sachen, deren das öffentliche Unternehmen bedarf. Die Verpflichtbarkeit ist dann mög- licherweise an das Vorhandensein dieses Besitzes geknüpft. Die Sache kann auch ein Grundstück sein. Es beweist aber doch ein allzustarkes Anlehnungsbedürfnis an ältere Begriffe, wenn man um dieses Zusammenhanges willen die öffentliche Last geradezu für eine Reallast erklärt. Dies ist namentlich der Quartierlast häufig begegnet: ein Grundstück ist in Frage, denn ohne Grundstück keine Woh- nung, und eine Verpflichtung zu einem Leisten, das in den Rahmen einer Grund- dienstbarkeit nicht paßt, trifft jeden, der diese Wohnung besitzt; also Reallast. So Laband, St. R. II S. 771 (3. Aufl. S. 735); V.G.H. 20. Mai 1887 (Samml. IX S. 137); Bl. f. adm. Pr. 1876 S. 188. In Wahrheit ist das aber doch keine Last auf dem Grundstück, sondern eine rein persönliche Verpflichtung dessen, der durch den Besitz irgend einer Wohnung fähig wird zu leisten, ganz ähnlich wie das bei anderen Lasten auch der Fall ist. Wenn man bei der Quartierlast das Ver- hältnis in dieser Weise umdreht, so müßte man dann ebenso auch von einer Last auf Wagen und Pferden und auf Heuvorräten sprechen, die dem jeweiligen Be- sitzer zur Erfüllung obliegt. Was mit dieser sporadischen Heranziehung des an sich ja recht umstrittenen Begriffes der Reallast zur Erklärung ganz neuzeitlicher Rechtsinstitute eigentlich geholfen sein soll, ist wirklich nicht abzusehen.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/281>, abgerufen am 24.11.2024.