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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

II. Voraussetzung des Anspruchs auf Entschädigung ist ein
Vermögensnachteil, der dem Einzelnen zugeht aus der Thätigkeit der
öffentlichen Verwaltung und der sich darstellt als ein besonderes Opfer,
das ihm zugemutet wird.

1. Aus der öffentlichen Verwaltung muß der Nachteil
entstanden sein. Handelt es sich um ein Unternehmen, welches der
Staat betreibt wie ein Privatunternehmer, eine fiskalische Verwaltung,
so gilt für alle daraus hervorgehenden Beziehungen Civilrecht, und
die besonderen Regeln des öffentlichen Rechtes, welche die Grundlage
unseres Rechtsinstituts bilden, sind unanwendbar (Bd. I S. 141).

Es muß ein zugefügter Nachteil sein, durch die Kraft einer
Einwirkung entstanden, welche von der öffentlichen Verwaltung aus-
geht. Ein bloßes Nichterfüllen von Verbindlichkeiten erzeugt in civil-
rechtlichen Vertragsverhältnissen eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht, in öffentlichrechtlichen Verhältnissen kommen nur die gegebenen
Formen des Rechtsschutzes in Bewegung. Die Gestalt, in welcher
diese Schadenszufügung erscheint, ist dann gleichgültig. Es kann eben-
sogut ein obrigkeitlicher Akt sein, der ungerechter Weise ein Recht
entzieht, eine Pflicht auferlegt, als eine thatsächliche Gewaltübung,
welche Werte zerstört, oder auch nur die nachteilige Einwirkung, die
von dem Bestande oder der Beseitigung einer Anlage, eines Bauwerkes,
einer Vorrichtung ausgeht. Nicht wesentlich ist auch der Unterschied,
ob die Einwirkung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig war, ob sie so
gewollt war, oder nur zufällig sich ergab, oder geradezu hätte ver-
mieden werden sollen. Es genügt der Kausalzusammenhang,
wonach aus dem staatlichen Unternehmen heraus die Schädigung vor
sich ging7.

7 Nichts anderes als eine besondere Anwendung des Grundsatzes ist die viel-
besprochene strengere Haftung des Staates für Verlust und Beschädigung von
Sachen, die er in seinen Gewahrsam genommen hat. Diese Thatsache kommt eben
dabei in Rechnung: er hat sich an die Stelle des Eigentümers gesetzt und damit
dessen Hut über die Sache beseitigt; aller Schade ist also von ihm verursacht,
den dieser ordentlicher Weise verhütet haben würde. Dafür gilt jeder andere als
der selbstverschuldete und der von außen kommende mit den gewöhnlichen Mitteln
unabwendbare. Der Staat, der die beschädigte Sache in seinen Gewahrsam ge-
nommen hatte, muß also einen darauf gerichteten Entlastungsbeweis führen. Diese
Regel ergiebt sich aus der natürlichen Würdigung der Kausalität auch ohne be-
sonderes Gesetz. Man hat sich selbstverständlich bemüht, das auf vertragsmäßige
Verpflichtungen zurückzuführen. Aber es gilt ja auch für beschlagnahmte
Sachen, für Werkzeuge, Fuhrwerke u. s. w., die nur zum Gebrauch requiriert
worden waren, vor allem für gerichtliche Hinterlegungen, und zwar ohne
Unterschied, ob die Hinterlegung freiwillig oder gezwungen geschah. Warum muß
Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

II. Voraussetzung des Anspruchs auf Entschädigung ist ein
Vermögensnachteil, der dem Einzelnen zugeht aus der Thätigkeit der
öffentlichen Verwaltung und der sich darstellt als ein besonderes Opfer,
das ihm zugemutet wird.

1. Aus der öffentlichen Verwaltung muß der Nachteil
entstanden sein. Handelt es sich um ein Unternehmen, welches der
Staat betreibt wie ein Privatunternehmer, eine fiskalische Verwaltung,
so gilt für alle daraus hervorgehenden Beziehungen Civilrecht, und
die besonderen Regeln des öffentlichen Rechtes, welche die Grundlage
unseres Rechtsinstituts bilden, sind unanwendbar (Bd. I S. 141).

Es muß ein zugefügter Nachteil sein, durch die Kraft einer
Einwirkung entstanden, welche von der öffentlichen Verwaltung aus-
geht. Ein bloßes Nichterfüllen von Verbindlichkeiten erzeugt in civil-
rechtlichen Vertragsverhältnissen eine civilrechtliche Schadensersatz-
pflicht, in öffentlichrechtlichen Verhältnissen kommen nur die gegebenen
Formen des Rechtsschutzes in Bewegung. Die Gestalt, in welcher
diese Schadenszufügung erscheint, ist dann gleichgültig. Es kann eben-
sogut ein obrigkeitlicher Akt sein, der ungerechter Weise ein Recht
entzieht, eine Pflicht auferlegt, als eine thatsächliche Gewaltübung,
welche Werte zerstört, oder auch nur die nachteilige Einwirkung, die
von dem Bestande oder der Beseitigung einer Anlage, eines Bauwerkes,
einer Vorrichtung ausgeht. Nicht wesentlich ist auch der Unterschied,
ob die Einwirkung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig war, ob sie so
gewollt war, oder nur zufällig sich ergab, oder geradezu hätte ver-
mieden werden sollen. Es genügt der Kausalzusammenhang,
wonach aus dem staatlichen Unternehmen heraus die Schädigung vor
sich ging7.

7 Nichts anderes als eine besondere Anwendung des Grundsatzes ist die viel-
besprochene strengere Haftung des Staates für Verlust und Beschädigung von
Sachen, die er in seinen Gewahrsam genommen hat. Diese Thatsache kommt eben
dabei in Rechnung: er hat sich an die Stelle des Eigentümers gesetzt und damit
dessen Hut über die Sache beseitigt; aller Schade ist also von ihm verursacht,
den dieser ordentlicher Weise verhütet haben würde. Dafür gilt jeder andere als
der selbstverschuldete und der von außen kommende mit den gewöhnlichen Mitteln
unabwendbare. Der Staat, der die beschädigte Sache in seinen Gewahrsam ge-
nommen hatte, muß also einen darauf gerichteten Entlastungsbeweis führen. Diese
Regel ergiebt sich aus der natürlichen Würdigung der Kausalität auch ohne be-
sonderes Gesetz. Man hat sich selbstverständlich bemüht, das auf vertragsmäßige
Verpflichtungen zurückzuführen. Aber es gilt ja auch für beschlagnahmte
Sachen, für Werkzeuge, Fuhrwerke u. s. w., die nur zum Gebrauch requiriert
worden waren, vor allem für gerichtliche Hinterlegungen, und zwar ohne
Unterschied, ob die Hinterlegung freiwillig oder gezwungen geschah. Warum muß
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[350/0362] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. II. Voraussetzung des Anspruchs auf Entschädigung ist ein Vermögensnachteil, der dem Einzelnen zugeht aus der Thätigkeit der öffentlichen Verwaltung und der sich darstellt als ein besonderes Opfer, das ihm zugemutet wird. 1. Aus der öffentlichen Verwaltung muß der Nachteil entstanden sein. Handelt es sich um ein Unternehmen, welches der Staat betreibt wie ein Privatunternehmer, eine fiskalische Verwaltung, so gilt für alle daraus hervorgehenden Beziehungen Civilrecht, und die besonderen Regeln des öffentlichen Rechtes, welche die Grundlage unseres Rechtsinstituts bilden, sind unanwendbar (Bd. I S. 141). Es muß ein zugefügter Nachteil sein, durch die Kraft einer Einwirkung entstanden, welche von der öffentlichen Verwaltung aus- geht. Ein bloßes Nichterfüllen von Verbindlichkeiten erzeugt in civil- rechtlichen Vertragsverhältnissen eine civilrechtliche Schadensersatz- pflicht, in öffentlichrechtlichen Verhältnissen kommen nur die gegebenen Formen des Rechtsschutzes in Bewegung. Die Gestalt, in welcher diese Schadenszufügung erscheint, ist dann gleichgültig. Es kann eben- sogut ein obrigkeitlicher Akt sein, der ungerechter Weise ein Recht entzieht, eine Pflicht auferlegt, als eine thatsächliche Gewaltübung, welche Werte zerstört, oder auch nur die nachteilige Einwirkung, die von dem Bestande oder der Beseitigung einer Anlage, eines Bauwerkes, einer Vorrichtung ausgeht. Nicht wesentlich ist auch der Unterschied, ob die Einwirkung rechtmäßig oder nicht rechtmäßig war, ob sie so gewollt war, oder nur zufällig sich ergab, oder geradezu hätte ver- mieden werden sollen. Es genügt der Kausalzusammenhang, wonach aus dem staatlichen Unternehmen heraus die Schädigung vor sich ging 7. 7 Nichts anderes als eine besondere Anwendung des Grundsatzes ist die viel- besprochene strengere Haftung des Staates für Verlust und Beschädigung von Sachen, die er in seinen Gewahrsam genommen hat. Diese Thatsache kommt eben dabei in Rechnung: er hat sich an die Stelle des Eigentümers gesetzt und damit dessen Hut über die Sache beseitigt; aller Schade ist also von ihm verursacht, den dieser ordentlicher Weise verhütet haben würde. Dafür gilt jeder andere als der selbstverschuldete und der von außen kommende mit den gewöhnlichen Mitteln unabwendbare. Der Staat, der die beschädigte Sache in seinen Gewahrsam ge- nommen hatte, muß also einen darauf gerichteten Entlastungsbeweis führen. Diese Regel ergiebt sich aus der natürlichen Würdigung der Kausalität auch ohne be- sonderes Gesetz. Man hat sich selbstverständlich bemüht, das auf vertragsmäßige Verpflichtungen zurückzuführen. Aber es gilt ja auch für beschlagnahmte Sachen, für Werkzeuge, Fuhrwerke u. s. w., die nur zum Gebrauch requiriert worden waren, vor allem für gerichtliche Hinterlegungen, und zwar ohne Unterschied, ob die Hinterlegung freiwillig oder gezwungen geschah. Warum muß

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/362>, abgerufen am 22.11.2024.