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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 33. Enteignungsverfahren.

Die Lösung liegt darin, daß das öffentliche Eigentum selbst in
seinem Rechtsbestande nicht unabänderlich ist. Es kann seiner
öffentlichrechtlichen Natur entkleidet werden durch einen Akt der
darüber gesetzten Behörde, die Auflassung, Aufhebung, Deklassierung;
davon soll unten (§ 36, III) noch eingehender gehandelt werden. Die
Auflassung bewirkt, daß das Grundstück dem Staate, der Gemeinde,
oder wem es sonst bisher schon gehörte, fortan nach gewöhnlichem
Privateigentum zusteht, folglich auch Gegenstand der Enteignung
sein kann.

Überall also, wo das Enteignungsverfahren für ein öffentliches
Unternehmen auf öffentliches Eigentum stößt, kann die Durchführung
vermittelt werden durch eine Auflassung, aber auch nur durch eine
solche wird sie möglich. Der dazu nötige Akt wird sich in zwangloser
Weise mit dem ganzen Prozeß verbinden, auch stillschweigend kann
er erfolgen. Im Falle die zunächst dazu berufene Behörde, die als
Vertreterin des Herrn der öffentlichen Sache von dem Unternehmer an-
zugehen und als Beteiligte in das Verfahren zu ziehen war, sich weigert,
in die Auflassung zu willigen, wird in Frage kommen, inwieweit auf
dem Wege der Beschwerde oder der Anrufung einer Aufsichtsgewalt
diese Auflassung doch noch zu erreichen ist. Die Gewalt des Ent-
eignungsausspruches für sich allein dringt hier nicht durch32.

ohne weiteres vorausgesetzt in V.G.H. v. 4. Mai 1876 (Samml. VII S. 231). Ob
dabei nicht eher Zwang im Aufsichtswege und dergleichen gemeint ist? Vgl.
unten Note 33.
32 Das Hindernis, welches der Enteignung hier entgegensteht und welches es
zu beseitigen gilt, wird von de Lalleau, traite de l'expr. I n. 182, folgender-
maßen bezeichnet: "II faut donc reconnaeitre, que ... la loi ... ne peut pas
s'entendre de l'alienation du domaine public proprement dit (also hier das wirk-
liche öffentliche Eigentum gemeint, vgl. oben Note 18); que cela serait trop con-
traire aux principes et aux art. 538 und 2226 du c. c., qui consacrent l'inaliena-
bilite et l'imprescriptibilite du "domaine public". Les objets qui le composent ne
deviennent alienables que lorsqu'ils en ont ete detaches par changement de nature
et de destination et qu'ils ont ete remis aux corps administratifs pour faire partie
des biens ordinaires et patrimoniaux." Der Akt, durch den das geschieht, ist das
declassement, die Auflassung. -- Unsere Schriftsteller beobachten ganz richtig,
daß hier immer noch etwas außerhalb des Enteignungsverfahrens vor sich geht;
den Sinn davon geben sie aber nur sehr ungenau wieder und mischen andere
Dinge herein. Eger, Ges. über die Enteignung I S. 14, bemerkt mit Recht, daß
der verlassene Bahndamm ohne weiteres enteignet werden kann; hier hat eben
die Auflassung stattgefunden. Im übrigen geht Eger davon aus, daß nicht das
öffentliche Eigentum die Schwierigkeit macht, sondern die Fähigkeit des an-
gegriffenen Unternehmens, ebenfalls zur Enteignung zugelassen zu werden (oben
Note 30); da soll denn nach der verschiedenen Stärke des öffentlichen Interesses,
§ 33. Enteignungsverfahren.

Die Lösung liegt darin, daß das öffentliche Eigentum selbst in
seinem Rechtsbestande nicht unabänderlich ist. Es kann seiner
öffentlichrechtlichen Natur entkleidet werden durch einen Akt der
darüber gesetzten Behörde, die Auflassung, Aufhebung, Deklassierung;
davon soll unten (§ 36, III) noch eingehender gehandelt werden. Die
Auflassung bewirkt, daß das Grundstück dem Staate, der Gemeinde,
oder wem es sonst bisher schon gehörte, fortan nach gewöhnlichem
Privateigentum zusteht, folglich auch Gegenstand der Enteignung
sein kann.

Überall also, wo das Enteignungsverfahren für ein öffentliches
Unternehmen auf öffentliches Eigentum stößt, kann die Durchführung
vermittelt werden durch eine Auflassung, aber auch nur durch eine
solche wird sie möglich. Der dazu nötige Akt wird sich in zwangloser
Weise mit dem ganzen Prozeß verbinden, auch stillschweigend kann
er erfolgen. Im Falle die zunächst dazu berufene Behörde, die als
Vertreterin des Herrn der öffentlichen Sache von dem Unternehmer an-
zugehen und als Beteiligte in das Verfahren zu ziehen war, sich weigert,
in die Auflassung zu willigen, wird in Frage kommen, inwieweit auf
dem Wege der Beschwerde oder der Anrufung einer Aufsichtsgewalt
diese Auflassung doch noch zu erreichen ist. Die Gewalt des Ent-
eignungsausspruches für sich allein dringt hier nicht durch32.

ohne weiteres vorausgesetzt in V.G.H. v. 4. Mai 1876 (Samml. VII S. 231). Ob
dabei nicht eher Zwang im Aufsichtswege und dergleichen gemeint ist? Vgl.
unten Note 33.
32 Das Hindernis, welches der Enteignung hier entgegensteht und welches es
zu beseitigen gilt, wird von de Lalleau, traité de l’expr. I n. 182, folgender-
maßen bezeichnet: „II faut donc reconnaître, que … la loi … ne peut pas
s’entendre de l’aliénation du domaine public proprement dit (also hier das wirk-
liche öffentliche Eigentum gemeint, vgl. oben Note 18); que cela serait trop con-
traire aux principes et aux art. 538 und 2226 du c. c., qui consacrent l’inaliéna-
bilité et l’imprescriptibilité du »domaine public«. Les objets qui le composent ne
deviennent aliénables que lorsqu’ils en ont été détachés par changement de nature
et de destination et qu’ils ont été remis aux corps administratifs pour faire partie
des biens ordinaires et patrimoniaux.“ Der Akt, durch den das geschieht, ist das
déclassement, die Auflassung. — Unsere Schriftsteller beobachten ganz richtig,
daß hier immer noch etwas außerhalb des Enteignungsverfahrens vor sich geht;
den Sinn davon geben sie aber nur sehr ungenau wieder und mischen andere
Dinge herein. Eger, Ges. über die Enteignung I S. 14, bemerkt mit Recht, daß
der verlassene Bahndamm ohne weiteres enteignet werden kann; hier hat eben
die Auflassung stattgefunden. Im übrigen geht Eger davon aus, daß nicht das
öffentliche Eigentum die Schwierigkeit macht, sondern die Fähigkeit des an-
gegriffenen Unternehmens, ebenfalls zur Enteignung zugelassen zu werden (oben
Note 30); da soll denn nach der verschiedenen Stärke des öffentlichen Interesses,
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[25/0037] § 33. Enteignungsverfahren. Die Lösung liegt darin, daß das öffentliche Eigentum selbst in seinem Rechtsbestande nicht unabänderlich ist. Es kann seiner öffentlichrechtlichen Natur entkleidet werden durch einen Akt der darüber gesetzten Behörde, die Auflassung, Aufhebung, Deklassierung; davon soll unten (§ 36, III) noch eingehender gehandelt werden. Die Auflassung bewirkt, daß das Grundstück dem Staate, der Gemeinde, oder wem es sonst bisher schon gehörte, fortan nach gewöhnlichem Privateigentum zusteht, folglich auch Gegenstand der Enteignung sein kann. Überall also, wo das Enteignungsverfahren für ein öffentliches Unternehmen auf öffentliches Eigentum stößt, kann die Durchführung vermittelt werden durch eine Auflassung, aber auch nur durch eine solche wird sie möglich. Der dazu nötige Akt wird sich in zwangloser Weise mit dem ganzen Prozeß verbinden, auch stillschweigend kann er erfolgen. Im Falle die zunächst dazu berufene Behörde, die als Vertreterin des Herrn der öffentlichen Sache von dem Unternehmer an- zugehen und als Beteiligte in das Verfahren zu ziehen war, sich weigert, in die Auflassung zu willigen, wird in Frage kommen, inwieweit auf dem Wege der Beschwerde oder der Anrufung einer Aufsichtsgewalt diese Auflassung doch noch zu erreichen ist. Die Gewalt des Ent- eignungsausspruches für sich allein dringt hier nicht durch 32. 31 32 Das Hindernis, welches der Enteignung hier entgegensteht und welches es zu beseitigen gilt, wird von de Lalleau, traité de l’expr. I n. 182, folgender- maßen bezeichnet: „II faut donc reconnaître, que … la loi … ne peut pas s’entendre de l’aliénation du domaine public proprement dit (also hier das wirk- liche öffentliche Eigentum gemeint, vgl. oben Note 18); que cela serait trop con- traire aux principes et aux art. 538 und 2226 du c. c., qui consacrent l’inaliéna- bilité et l’imprescriptibilité du »domaine public«. Les objets qui le composent ne deviennent aliénables que lorsqu’ils en ont été détachés par changement de nature et de destination et qu’ils ont été remis aux corps administratifs pour faire partie des biens ordinaires et patrimoniaux.“ Der Akt, durch den das geschieht, ist das déclassement, die Auflassung. — Unsere Schriftsteller beobachten ganz richtig, daß hier immer noch etwas außerhalb des Enteignungsverfahrens vor sich geht; den Sinn davon geben sie aber nur sehr ungenau wieder und mischen andere Dinge herein. Eger, Ges. über die Enteignung I S. 14, bemerkt mit Recht, daß der verlassene Bahndamm ohne weiteres enteignet werden kann; hier hat eben die Auflassung stattgefunden. Im übrigen geht Eger davon aus, daß nicht das öffentliche Eigentum die Schwierigkeit macht, sondern die Fähigkeit des an- gegriffenen Unternehmens, ebenfalls zur Enteignung zugelassen zu werden (oben Note 30); da soll denn nach der verschiedenen Stärke des öffentlichen Interesses, 31 ohne weiteres vorausgesetzt in V.G.H. v. 4. Mai 1876 (Samml. VII S. 231). Ob dabei nicht eher Zwang im Aufsichtswege und dergleichen gemeint ist? Vgl. unten Note 33.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/37>, abgerufen am 21.11.2024.