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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

2. Unter Umständen wird dagegen das Vorhandensein einer
Rechtswidrigkeit geradezu die Entschädigung ausschließen.

Sie ist immer nur geschuldet für den Nachteil, der aus der öffent-
lichen Verwaltung dem Einzelnen zugeht. Wo die Rechtswidrigkeit
des Beamten derart ist, daß sie kein bloßes Fehlgehen der Ver-
waltung mehr bedeutet, sondern einen Mißbrauch der Gelegenheit,
den diese darbot, geht sie den Beamten allein an (vgl. Note 8).

3. Der Nachweis einer Rechtswidrigkeit kann aber auch Be-
dingung
der öffentlichrechtlichen Entschädigung sein, und zwar dieses
in doppelter Weise.

Die Frage, ob der Schade aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung hervorgegangen ist oder nicht, ist unter Umständen nur
zu entscheiden danach, ob ein Verschulden vorliegt. Wenn in ein
Grundstück eingegriffen wird, ist die Sache einfach. Wenn aber Schiffe
zusammenstoßen, Artilleriefuhrwerke einen Menschen überfahren, bei
Straßenarbeiten ein Unglück geschieht, überhaupt der Beschädigte
selbst in Bewegung gewesen ist oder darin sein konnte, dann kommt
es darauf an, wer hätte ausweichen und Acht haben sollen. Der es
unrichtig gemacht hat, hat den Schaden verursacht. Die Kausalität
hängt daran und folglich auch die Entschädigungspflicht der öffentlichen
Verwaltung.

Auch wenn der Schade aus der öffentlichen Verwaltung hervor-
gegangen ist, ist er ein besonderes Opfer nur dann, wenn er ungerecht
trifft, ist es namentlich dann nicht, wenn dem Betroffenen nur wider-
fahren ist, was ihm gebührt. Gewaltsame Festnahme und selbst
Körperverletzung kann ohne Entschädigung geschehen zur Verhinderung
eines rechtswidrigen Angriffes, geschmuggelte Sachen werden konfisziert,
gefälschte Nahrungsmittel vernichtet, Bauwerke zerstört, welche die
öffentliche Straße beeinträchtigen. Sobald sich herausstellt, daß die
Voraussetzung der Gewaltmaßregel nicht gegeben war, eine Rechts-
widrigkeit vorlag, ist Entschädigung geschuldet. Nicht wegen einer
Verfehlung der Beamten, wofür der Staat haftet, -- die Beamten
können durch amtlichen Irrtum oder Befehl persönlich gedeckt
sein, -- sondern wegen der objektiven Rechtswidrigkeit, welche die
Schädigung als eine ungerechte, als ein besonderes Opfer er-
scheinen läßt.

Nicht für sich selbst also, sondern im Zusammenhang unseres
umfassenden Rechtsinstituts und gemäß seinen Grundsätzen, ist hier
die rechtswidrige Amtshandlung Voraussetzung für die öffentlichrecht-
liche Entschädigungspflicht des Staates und dient sie zu ihrer Ab-
grenzung.

Recht der besonderen Schuldverhältnisse.

2. Unter Umständen wird dagegen das Vorhandensein einer
Rechtswidrigkeit geradezu die Entschädigung ausschließen.

Sie ist immer nur geschuldet für den Nachteil, der aus der öffent-
lichen Verwaltung dem Einzelnen zugeht. Wo die Rechtswidrigkeit
des Beamten derart ist, daß sie kein bloßes Fehlgehen der Ver-
waltung mehr bedeutet, sondern einen Mißbrauch der Gelegenheit,
den diese darbot, geht sie den Beamten allein an (vgl. Note 8).

3. Der Nachweis einer Rechtswidrigkeit kann aber auch Be-
dingung
der öffentlichrechtlichen Entschädigung sein, und zwar dieses
in doppelter Weise.

Die Frage, ob der Schade aus der Thätigkeit der öffentlichen
Verwaltung hervorgegangen ist oder nicht, ist unter Umständen nur
zu entscheiden danach, ob ein Verschulden vorliegt. Wenn in ein
Grundstück eingegriffen wird, ist die Sache einfach. Wenn aber Schiffe
zusammenstoßen, Artilleriefuhrwerke einen Menschen überfahren, bei
Straßenarbeiten ein Unglück geschieht, überhaupt der Beschädigte
selbst in Bewegung gewesen ist oder darin sein konnte, dann kommt
es darauf an, wer hätte ausweichen und Acht haben sollen. Der es
unrichtig gemacht hat, hat den Schaden verursacht. Die Kausalität
hängt daran und folglich auch die Entschädigungspflicht der öffentlichen
Verwaltung.

Auch wenn der Schade aus der öffentlichen Verwaltung hervor-
gegangen ist, ist er ein besonderes Opfer nur dann, wenn er ungerecht
trifft, ist es namentlich dann nicht, wenn dem Betroffenen nur wider-
fahren ist, was ihm gebührt. Gewaltsame Festnahme und selbst
Körperverletzung kann ohne Entschädigung geschehen zur Verhinderung
eines rechtswidrigen Angriffes, geschmuggelte Sachen werden konfisziert,
gefälschte Nahrungsmittel vernichtet, Bauwerke zerstört, welche die
öffentliche Straße beeinträchtigen. Sobald sich herausstellt, daß die
Voraussetzung der Gewaltmaßregel nicht gegeben war, eine Rechts-
widrigkeit vorlag, ist Entschädigung geschuldet. Nicht wegen einer
Verfehlung der Beamten, wofür der Staat haftet, — die Beamten
können durch amtlichen Irrtum oder Befehl persönlich gedeckt
sein, — sondern wegen der objektiven Rechtswidrigkeit, welche die
Schädigung als eine ungerechte, als ein besonderes Opfer er-
scheinen läßt.

Nicht für sich selbst also, sondern im Zusammenhang unseres
umfassenden Rechtsinstituts und gemäß seinen Grundsätzen, ist hier
die rechtswidrige Amtshandlung Voraussetzung für die öffentlichrecht-
liche Entschädigungspflicht des Staates und dient sie zu ihrer Ab-
grenzung.

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[362/0374] Recht der besonderen Schuldverhältnisse. 2. Unter Umständen wird dagegen das Vorhandensein einer Rechtswidrigkeit geradezu die Entschädigung ausschließen. Sie ist immer nur geschuldet für den Nachteil, der aus der öffent- lichen Verwaltung dem Einzelnen zugeht. Wo die Rechtswidrigkeit des Beamten derart ist, daß sie kein bloßes Fehlgehen der Ver- waltung mehr bedeutet, sondern einen Mißbrauch der Gelegenheit, den diese darbot, geht sie den Beamten allein an (vgl. Note 8). 3. Der Nachweis einer Rechtswidrigkeit kann aber auch Be- dingung der öffentlichrechtlichen Entschädigung sein, und zwar dieses in doppelter Weise. Die Frage, ob der Schade aus der Thätigkeit der öffentlichen Verwaltung hervorgegangen ist oder nicht, ist unter Umständen nur zu entscheiden danach, ob ein Verschulden vorliegt. Wenn in ein Grundstück eingegriffen wird, ist die Sache einfach. Wenn aber Schiffe zusammenstoßen, Artilleriefuhrwerke einen Menschen überfahren, bei Straßenarbeiten ein Unglück geschieht, überhaupt der Beschädigte selbst in Bewegung gewesen ist oder darin sein konnte, dann kommt es darauf an, wer hätte ausweichen und Acht haben sollen. Der es unrichtig gemacht hat, hat den Schaden verursacht. Die Kausalität hängt daran und folglich auch die Entschädigungspflicht der öffentlichen Verwaltung. Auch wenn der Schade aus der öffentlichen Verwaltung hervor- gegangen ist, ist er ein besonderes Opfer nur dann, wenn er ungerecht trifft, ist es namentlich dann nicht, wenn dem Betroffenen nur wider- fahren ist, was ihm gebührt. Gewaltsame Festnahme und selbst Körperverletzung kann ohne Entschädigung geschehen zur Verhinderung eines rechtswidrigen Angriffes, geschmuggelte Sachen werden konfisziert, gefälschte Nahrungsmittel vernichtet, Bauwerke zerstört, welche die öffentliche Straße beeinträchtigen. Sobald sich herausstellt, daß die Voraussetzung der Gewaltmaßregel nicht gegeben war, eine Rechts- widrigkeit vorlag, ist Entschädigung geschuldet. Nicht wegen einer Verfehlung der Beamten, wofür der Staat haftet, — die Beamten können durch amtlichen Irrtum oder Befehl persönlich gedeckt sein, — sondern wegen der objektiven Rechtswidrigkeit, welche die Schädigung als eine ungerechte, als ein besonderes Opfer er- scheinen läßt. Nicht für sich selbst also, sondern im Zusammenhang unseres umfassenden Rechtsinstituts und gemäß seinen Grundsätzen, ist hier die rechtswidrige Amtshandlung Voraussetzung für die öffentlichrecht- liche Entschädigungspflicht des Staates und dient sie zu ihrer Ab- grenzung.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/374>, abgerufen am 22.11.2024.