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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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Das Recht der juristischen Personen.
soll, erst erhalten durch eine besondere Ordnung; ihr Dasein beruht
auf ihrer Verfassung.

Die natürliche Person erhält ihre Individualität durch die Leiblich-
keit des Menschen, dessen Zwecken sie umfassend dient, die juristische
durch die Bezeichnung ihres Zweckes, d. h. des Ausschnittes von
gemeinsamen Zwecken eines gewissen Kreises von Menschen, wofür
sie da sein soll2.

Die natürliche Person erhält den für sie wirkenden Willen von
selbst von dem Menschen, für den sie da ist; wo ausnahmsweise diesem
die Fähigkeit, einen solchen Willen zu liefern, fehlt und Vertretung
besorgt werden muß, ist wiederum dieser Mensch der Anknüpfungs-
punkt dafür. Die juristische Person hat immer nur einen Willen durch
Vertretung, und diese Vertretung kann sich nicht so ohne weiteres
und in gleichmäßiger Weise anknüpfen an die wechselnden und mehr
oder weniger unbestimmten Menschen, deren Interessen sie dient; es
bedarf besonderer Bestimmung3.

Zweckbezeichnung und Vertretungsordnung sind daher die wesent-
lichen Stücke der Verfassung.

II. Wir unterscheiden juristische Personen des Civil-
rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts
.
Worauf beruht der Gegensatz?

1. Die Unterscheidung gehört ganz dem neueren Rechte an.
Im alten Staatswesen war ja öffentliches und Privatrecht überhaupt
nicht getrennt.

Der absolutistische Polizeistaat, der zuerst eine Scheidung durch-
führt, thut das freilich gerade in dem Sinn, daß er für das Gebiet
des öffentlichen Rechts alle Rechtsformen zerschlägt. Recht giebt es
zwischen Staat und Unterthan nur auf dem Gebiete des Civilrechts.
Ganz folgerichtig giebt es auch nur für dieses juristische Personen.
Juristische Person und juristische Person des Civil-
rechts ist gleichbedeutend
. Träger der öffentlichen Gewalt
sind allemal nur natürliche Personen, der Landesherr und unter ihm
die anderen Obrigkeiten, Einzelpersonen oder Kollegia. Sofern die
gemeinsamen Interessen, welche von diesen wahrzunehmen sind, eine

2 Rosin in Annalen 1883 S. 289 ff. Ein "Zweckvermögen" im Sinne der
bekannten Theorie soll damit nicht an die Stelle der juristischen Person ge-
setzt sein.
3 Die "Willensorganisation" gehört zur Ausstattung der juristischen Person,
nicht aber bildet ein gegebener Wille ihre Grundlage: Bernatzik in Arch. f.
öff. R. S. 193 ff.

Das Recht der juristischen Personen.
soll, erst erhalten durch eine besondere Ordnung; ihr Dasein beruht
auf ihrer Verfassung.

Die natürliche Person erhält ihre Individualität durch die Leiblich-
keit des Menschen, dessen Zwecken sie umfassend dient, die juristische
durch die Bezeichnung ihres Zweckes, d. h. des Ausschnittes von
gemeinsamen Zwecken eines gewissen Kreises von Menschen, wofür
sie da sein soll2.

Die natürliche Person erhält den für sie wirkenden Willen von
selbst von dem Menschen, für den sie da ist; wo ausnahmsweise diesem
die Fähigkeit, einen solchen Willen zu liefern, fehlt und Vertretung
besorgt werden muß, ist wiederum dieser Mensch der Anknüpfungs-
punkt dafür. Die juristische Person hat immer nur einen Willen durch
Vertretung, und diese Vertretung kann sich nicht so ohne weiteres
und in gleichmäßiger Weise anknüpfen an die wechselnden und mehr
oder weniger unbestimmten Menschen, deren Interessen sie dient; es
bedarf besonderer Bestimmung3.

Zweckbezeichnung und Vertretungsordnung sind daher die wesent-
lichen Stücke der Verfassung.

II. Wir unterscheiden juristische Personen des Civil-
rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts
.
Worauf beruht der Gegensatz?

1. Die Unterscheidung gehört ganz dem neueren Rechte an.
Im alten Staatswesen war ja öffentliches und Privatrecht überhaupt
nicht getrennt.

Der absolutistische Polizeistaat, der zuerst eine Scheidung durch-
führt, thut das freilich gerade in dem Sinn, daß er für das Gebiet
des öffentlichen Rechts alle Rechtsformen zerschlägt. Recht giebt es
zwischen Staat und Unterthan nur auf dem Gebiete des Civilrechts.
Ganz folgerichtig giebt es auch nur für dieses juristische Personen.
Juristische Person und juristische Person des Civil-
rechts ist gleichbedeutend
. Träger der öffentlichen Gewalt
sind allemal nur natürliche Personen, der Landesherr und unter ihm
die anderen Obrigkeiten, Einzelpersonen oder Kollegia. Sofern die
gemeinsamen Interessen, welche von diesen wahrzunehmen sind, eine

2 Rosin in Annalen 1883 S. 289 ff. Ein „Zweckvermögen“ im Sinne der
bekannten Theorie soll damit nicht an die Stelle der juristischen Person ge-
setzt sein.
3 Die „Willensorganisation“ gehört zur Ausstattung der juristischen Person,
nicht aber bildet ein gegebener Wille ihre Grundlage: Bernatzik in Arch. f.
öff. R. S. 193 ff.
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[368/0380] Das Recht der juristischen Personen. soll, erst erhalten durch eine besondere Ordnung; ihr Dasein beruht auf ihrer Verfassung. Die natürliche Person erhält ihre Individualität durch die Leiblich- keit des Menschen, dessen Zwecken sie umfassend dient, die juristische durch die Bezeichnung ihres Zweckes, d. h. des Ausschnittes von gemeinsamen Zwecken eines gewissen Kreises von Menschen, wofür sie da sein soll 2. Die natürliche Person erhält den für sie wirkenden Willen von selbst von dem Menschen, für den sie da ist; wo ausnahmsweise diesem die Fähigkeit, einen solchen Willen zu liefern, fehlt und Vertretung besorgt werden muß, ist wiederum dieser Mensch der Anknüpfungs- punkt dafür. Die juristische Person hat immer nur einen Willen durch Vertretung, und diese Vertretung kann sich nicht so ohne weiteres und in gleichmäßiger Weise anknüpfen an die wechselnden und mehr oder weniger unbestimmten Menschen, deren Interessen sie dient; es bedarf besonderer Bestimmung 3. Zweckbezeichnung und Vertretungsordnung sind daher die wesent- lichen Stücke der Verfassung. II. Wir unterscheiden juristische Personen des Civil- rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts. Worauf beruht der Gegensatz? 1. Die Unterscheidung gehört ganz dem neueren Rechte an. Im alten Staatswesen war ja öffentliches und Privatrecht überhaupt nicht getrennt. Der absolutistische Polizeistaat, der zuerst eine Scheidung durch- führt, thut das freilich gerade in dem Sinn, daß er für das Gebiet des öffentlichen Rechts alle Rechtsformen zerschlägt. Recht giebt es zwischen Staat und Unterthan nur auf dem Gebiete des Civilrechts. Ganz folgerichtig giebt es auch nur für dieses juristische Personen. Juristische Person und juristische Person des Civil- rechts ist gleichbedeutend. Träger der öffentlichen Gewalt sind allemal nur natürliche Personen, der Landesherr und unter ihm die anderen Obrigkeiten, Einzelpersonen oder Kollegia. Sofern die gemeinsamen Interessen, welche von diesen wahrzunehmen sind, eine 2 Rosin in Annalen 1883 S. 289 ff. Ein „Zweckvermögen“ im Sinne der bekannten Theorie soll damit nicht an die Stelle der juristischen Person ge- setzt sein. 3 Die „Willensorganisation“ gehört zur Ausstattung der juristischen Person, nicht aber bildet ein gegebener Wille ihre Grundlage: Bernatzik in Arch. f. öff. R. S. 193 ff.

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/380>, abgerufen am 22.11.2024.