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Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896.

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§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Polizeiverwaltung, sodann die Mitwirkung der Gemeinde an der staat-
lichen Steuerauflage und Steuererhebung, die Führung des Standes-
amtes, des Vergleichsamtes und ähnliches. Die Beamten, welche diese
Geschäfte besorgen, thun das im Namen des Staates. Sie werden
vom Staate überwacht und geleitet, nicht kraft Aufsichtsrechts über
den Selbstverwaltungskörper, sondern in den nämlichen Formen, in
welchen er innerhalb seiner eigenen Behördenorganisation den richtigen
Gang der Geschäfte aufrecht erhält: mit Dienstbefehl und mit Ab-
änderungsrecht im Instanzenzug. Es ist ein staatliches Amt, welches
hier geführt wird. Dieses Amt soll nur kraft Gesetzes mit dem ge-
meindlichen Berufs- oder Ehrenamte verbunden sein. Der Beamte
nimmt eine Doppelstellung ein: er steht im allgemeinen im Dienste
der Gemeinde, bezüglich dieser Amtsverrichtungen aber steht er in
Dienst und Dienstgewalt des Staates und bildet ein Glied seiner Be-
hördenordnung5.

Von einem Wirkungskreise der Gemeinde ist demnach überhaupt
nicht die Rede, sondern nur von einem besonderen Wirkungskreise
ihrer Beamten. Der Anteil, den sie an der Sache hat, ist nur der,
daß sie den Aufwand für diese Geschäfte trägt und gesetzlich tragen
muß: sie stellt die Amtsträger, deren Gehalt und Dienstauslagen sie
bestreitet, liefert die sächlichen Mittel an Gebäuden, Gerätschaften,
Unterhaltskosten des Betriebes, haftet für alle Entschädigungen, welche
Dritte aus der Thätigkeit dieses Verwaltungszweiges zu beanspruchen
haben können6. Die Geschäfte selbst sind des Staates. Es handelt
sich hier allerdings um eine Last der Gemeinde, aber um eine Last
ganz anderer Art als die zuerst erwähnte Selbstverwaltungslast: nicht
um eine aus dem Zwecke des Selbstverwaltungskörpers entwickelte,
sondern um eine von außen auferlegte. Ihrer rechtlichen Natur nach
ist sie eher den oben § 48 und 49 besprochenen öffentlichen Lasten
verwandt, insbesondere den Vorzugslasten: die Gemeinde hat als be-
sonders Beteiligte den Aufwand des staatlichen Unternehmens zu tragen.

Der Unterschied wird sofort schon bedeutsam an der Art der
Geltendmachung; der Staat steht der Gemeinde nicht mit der
Aufsichtsgewalt gegenüber, mit der sie bei der Erfüllung ihres Zweckes

5 Besonders ausgeprägt ist diese Doppelstellung beim Stadtvorstand, insofern
er zugleich die örtliche Polizeiverwaltung führt: Oertel, Preuß. Städteord. I
S. 261, 262; Foerstemann, Pol. R. S. 75 ff.; Neukamp in Arch. f. öff. R. IV
S. 358; Seydel, Bayr. St.R. III S. 61, 62 Note 2.
6 Oertel, Preuß. Städteord. I S. 263; Foerstemann, Pol. R. S. 93;
Seydel, Bayr. St.R. III S. 61. V.G.H. 13. April 1881 (Samml. II S. 652); O.Tr.
22. Febr. 1859 (Str. 32 S. 307); vgl. auch O.Tr. 24 Febr. 1865 (Str. 56 S. 356).

§ 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen.
Polizeiverwaltung, sodann die Mitwirkung der Gemeinde an der staat-
lichen Steuerauflage und Steuererhebung, die Führung des Standes-
amtes, des Vergleichsamtes und ähnliches. Die Beamten, welche diese
Geschäfte besorgen, thun das im Namen des Staates. Sie werden
vom Staate überwacht und geleitet, nicht kraft Aufsichtsrechts über
den Selbstverwaltungskörper, sondern in den nämlichen Formen, in
welchen er innerhalb seiner eigenen Behördenorganisation den richtigen
Gang der Geschäfte aufrecht erhält: mit Dienstbefehl und mit Ab-
änderungsrecht im Instanzenzug. Es ist ein staatliches Amt, welches
hier geführt wird. Dieses Amt soll nur kraft Gesetzes mit dem ge-
meindlichen Berufs- oder Ehrenamte verbunden sein. Der Beamte
nimmt eine Doppelstellung ein: er steht im allgemeinen im Dienste
der Gemeinde, bezüglich dieser Amtsverrichtungen aber steht er in
Dienst und Dienstgewalt des Staates und bildet ein Glied seiner Be-
hördenordnung5.

Von einem Wirkungskreise der Gemeinde ist demnach überhaupt
nicht die Rede, sondern nur von einem besonderen Wirkungskreise
ihrer Beamten. Der Anteil, den sie an der Sache hat, ist nur der,
daß sie den Aufwand für diese Geschäfte trägt und gesetzlich tragen
muß: sie stellt die Amtsträger, deren Gehalt und Dienstauslagen sie
bestreitet, liefert die sächlichen Mittel an Gebäuden, Gerätschaften,
Unterhaltskosten des Betriebes, haftet für alle Entschädigungen, welche
Dritte aus der Thätigkeit dieses Verwaltungszweiges zu beanspruchen
haben können6. Die Geschäfte selbst sind des Staates. Es handelt
sich hier allerdings um eine Last der Gemeinde, aber um eine Last
ganz anderer Art als die zuerst erwähnte Selbstverwaltungslast: nicht
um eine aus dem Zwecke des Selbstverwaltungskörpers entwickelte,
sondern um eine von außen auferlegte. Ihrer rechtlichen Natur nach
ist sie eher den oben § 48 und 49 besprochenen öffentlichen Lasten
verwandt, insbesondere den Vorzugslasten: die Gemeinde hat als be-
sonders Beteiligte den Aufwand des staatlichen Unternehmens zu tragen.

Der Unterschied wird sofort schon bedeutsam an der Art der
Geltendmachung; der Staat steht der Gemeinde nicht mit der
Aufsichtsgewalt gegenüber, mit der sie bei der Erfüllung ihres Zweckes

5 Besonders ausgeprägt ist diese Doppelstellung beim Stadtvorstand, insofern
er zugleich die örtliche Polizeiverwaltung führt: Oertel, Preuß. Städteord. I
S. 261, 262; Foerstemann, Pol. R. S. 75 ff.; Neukamp in Arch. f. öff. R. IV
S. 358; Seydel, Bayr. St.R. III S. 61, 62 Note 2.
6 Oertel, Preuß. Städteord. I S. 263; Foerstemann, Pol. R. S. 93;
Seydel, Bayr. St.R. III S. 61. V.G.H. 13. April 1881 (Samml. II S. 652); O.Tr.
22. Febr. 1859 (Str. 32 S. 307); vgl. auch O.Tr. 24 Febr. 1865 (Str. 56 S. 356).
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[425/0437] § 60. Selbstverwaltungslasten und Ausgleichungen. Polizeiverwaltung, sodann die Mitwirkung der Gemeinde an der staat- lichen Steuerauflage und Steuererhebung, die Führung des Standes- amtes, des Vergleichsamtes und ähnliches. Die Beamten, welche diese Geschäfte besorgen, thun das im Namen des Staates. Sie werden vom Staate überwacht und geleitet, nicht kraft Aufsichtsrechts über den Selbstverwaltungskörper, sondern in den nämlichen Formen, in welchen er innerhalb seiner eigenen Behördenorganisation den richtigen Gang der Geschäfte aufrecht erhält: mit Dienstbefehl und mit Ab- änderungsrecht im Instanzenzug. Es ist ein staatliches Amt, welches hier geführt wird. Dieses Amt soll nur kraft Gesetzes mit dem ge- meindlichen Berufs- oder Ehrenamte verbunden sein. Der Beamte nimmt eine Doppelstellung ein: er steht im allgemeinen im Dienste der Gemeinde, bezüglich dieser Amtsverrichtungen aber steht er in Dienst und Dienstgewalt des Staates und bildet ein Glied seiner Be- hördenordnung 5. Von einem Wirkungskreise der Gemeinde ist demnach überhaupt nicht die Rede, sondern nur von einem besonderen Wirkungskreise ihrer Beamten. Der Anteil, den sie an der Sache hat, ist nur der, daß sie den Aufwand für diese Geschäfte trägt und gesetzlich tragen muß: sie stellt die Amtsträger, deren Gehalt und Dienstauslagen sie bestreitet, liefert die sächlichen Mittel an Gebäuden, Gerätschaften, Unterhaltskosten des Betriebes, haftet für alle Entschädigungen, welche Dritte aus der Thätigkeit dieses Verwaltungszweiges zu beanspruchen haben können 6. Die Geschäfte selbst sind des Staates. Es handelt sich hier allerdings um eine Last der Gemeinde, aber um eine Last ganz anderer Art als die zuerst erwähnte Selbstverwaltungslast: nicht um eine aus dem Zwecke des Selbstverwaltungskörpers entwickelte, sondern um eine von außen auferlegte. Ihrer rechtlichen Natur nach ist sie eher den oben § 48 und 49 besprochenen öffentlichen Lasten verwandt, insbesondere den Vorzugslasten: die Gemeinde hat als be- sonders Beteiligte den Aufwand des staatlichen Unternehmens zu tragen. Der Unterschied wird sofort schon bedeutsam an der Art der Geltendmachung; der Staat steht der Gemeinde nicht mit der Aufsichtsgewalt gegenüber, mit der sie bei der Erfüllung ihres Zweckes 5 Besonders ausgeprägt ist diese Doppelstellung beim Stadtvorstand, insofern er zugleich die örtliche Polizeiverwaltung führt: Oertel, Preuß. Städteord. I S. 261, 262; Foerstemann, Pol. R. S. 75 ff.; Neukamp in Arch. f. öff. R. IV S. 358; Seydel, Bayr. St.R. III S. 61, 62 Note 2. 6 Oertel, Preuß. Städteord. I S. 263; Foerstemann, Pol. R. S. 93; Seydel, Bayr. St.R. III S. 61. V.G.H. 13. April 1881 (Samml. II S. 652); O.Tr. 22. Febr. 1859 (Str. 32 S. 307); vgl. auch O.Tr. 24 Febr. 1865 (Str. 56 S. 356).

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Zitationshilfe: Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 2. Leipzig, 1896, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht02_1896/437>, abgerufen am 22.11.2024.