Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Lieber, wie ward mir anjetzo zu Muthe, als ich dies
Allens und auch von der lieben Nachtigallen hörete, woran
du nunmehro auch nicht mehr zweifeln wirst, daß sie Got¬
tes Dienerin gewest. Ich umbhalsete mein Töchterlein
sogleich mit tausend Thränen und verzählete ihr, wies
mir gangen, und gewunnen wir Beide einen solchen Muth
und Zuversicht, als wir noch nie gehabt, so daß sich
Dn. Consul verwunderte, wie es den Anschein hatte,
der Amtshaubtmann aber blaß wurde wie ein Laken,
als sie anjetzo auf die beiden Herrschaften hinzutrat und
sprach: "jetzo machet mit mir, als euch geliebet, das
Lämmlein erschröcket nicht, denn es stehet in der Hand
des guten Hirten!" Hierzwischen trat nun auch Dn. Ca¬
merarius
mit dem Scriba ein, entsatzte sich aber, als
er ungefährlich mit dem Rockzipf meim Töchterlein an
die Schürzen stieß und stund und schrapete, an seim Rock,
als ein Weib, so Fische schrapet. Endiglich, nachdem
er zuvor zu dreien Malen ausgespieen, redete er das
Gerichte an: ob sie nicht anheben wöllten, den Zeugen¬
eid abzunehmen, angesehen alles Volk schon längstens im
Schloß und Kruge versammblet wäre. Solches ward
angenehm aufgenommen, und erhielt der Büttel Befehl,
mein Kind so lange in seinem Zimmer aufzubewahren,
bis das Gericht sie wieder rufen würd. Ging also mit
ihr; hatten aber viel Plage von dem dreusten Schalk,
inmaßen er nicht blöde war, den Arm meinem Töchter¬
lein umb die Schulter zu legen, und in mea praesentia *)

*) In meiner Gegenwart.

Lieber, wie ward mir anjetzo zu Muthe, als ich dies
Allens und auch von der lieben Nachtigallen hörete, woran
du nunmehro auch nicht mehr zweifeln wirſt, daß ſie Got¬
tes Dienerin geweſt. Ich umbhalſete mein Töchterlein
ſogleich mit tauſend Thränen und verzählete ihr, wies
mir gangen, und gewunnen wir Beide einen ſolchen Muth
und Zuverſicht, als wir noch nie gehabt, ſo daß ſich
Dn. Consul verwunderte, wie es den Anſchein hatte,
der Amtshaubtmann aber blaß wurde wie ein Laken,
als ſie anjetzo auf die beiden Herrſchaften hinzutrat und
ſprach: „jetzo machet mit mir, als euch geliebet, das
Lämmlein erſchröcket nicht, denn es ſtehet in der Hand
des guten Hirten!" Hierzwiſchen trat nun auch Dn. Ca¬
merarius
mit dem Scriba ein, entſatzte ſich aber, als
er ungefährlich mit dem Rockzipf meim Töchterlein an
die Schürzen ſtieß und ſtund und ſchrapete, an ſeim Rock,
als ein Weib, ſo Fiſche ſchrapet. Endiglich, nachdem
er zuvor zu dreien Malen ausgeſpieen, redete er das
Gerichte an: ob ſie nicht anheben wöllten, den Zeugen¬
eid abzunehmen, angeſehen alles Volk ſchon längſtens im
Schloß und Kruge verſammblet wäre. Solches ward
angenehm aufgenommen, und erhielt der Büttel Befehl,
mein Kind ſo lange in ſeinem Zimmer aufzubewahren,
bis das Gericht ſie wieder rufen würd. Ging alſo mit
ihr; hatten aber viel Plage von dem dreuſten Schalk,
inmaßen er nicht blöde war, den Arm meinem Töchter¬
lein umb die Schulter zu legen, und in mea praesentia *)

*) In meiner Gegenwart.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0185" n="169"/>
        <p>Lieber, wie ward mir anjetzo zu Muthe, als ich dies<lb/>
Allens und auch von der lieben Nachtigallen hörete, woran<lb/>
du nunmehro auch nicht mehr zweifeln wir&#x017F;t, daß &#x017F;ie Got¬<lb/>
tes Dienerin gewe&#x017F;t. Ich umbhal&#x017F;ete mein Töchterlein<lb/>
&#x017F;ogleich mit tau&#x017F;end Thränen und verzählete ihr, wies<lb/>
mir gangen, und gewunnen wir Beide einen &#x017F;olchen Muth<lb/>
und Zuver&#x017F;icht, als wir noch nie gehabt, &#x017F;o daß &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#aq">Dn. Consul</hi> verwunderte, wie es den An&#x017F;chein hatte,<lb/>
der Amtshaubtmann aber blaß wurde wie ein Laken,<lb/>
als &#x017F;ie anjetzo auf die beiden Herr&#x017F;chaften hinzutrat und<lb/>
&#x017F;prach: &#x201E;jetzo machet mit mir, als euch geliebet, das<lb/>
Lämmlein er&#x017F;chröcket nicht, denn es &#x017F;tehet in der Hand<lb/>
des guten Hirten!" Hierzwi&#x017F;chen trat nun auch <hi rendition="#aq">Dn. Ca¬<lb/>
merarius</hi> mit dem <hi rendition="#aq">Scriba</hi> ein, ent&#x017F;atzte &#x017F;ich aber, als<lb/>
er ungefährlich mit dem Rockzipf meim Töchterlein an<lb/>
die Schürzen &#x017F;tieß und &#x017F;tund und &#x017F;chrapete, an &#x017F;eim Rock,<lb/>
als ein Weib, &#x017F;o Fi&#x017F;che &#x017F;chrapet. Endiglich, nachdem<lb/>
er zuvor zu dreien Malen ausge&#x017F;pieen, redete er das<lb/>
Gerichte an: ob &#x017F;ie nicht anheben wöllten, den Zeugen¬<lb/>
eid abzunehmen, ange&#x017F;ehen alles Volk &#x017F;chon läng&#x017F;tens im<lb/>
Schloß und Kruge ver&#x017F;ammblet wäre. Solches ward<lb/>
angenehm aufgenommen, und erhielt der Büttel Befehl,<lb/>
mein Kind &#x017F;o lange in &#x017F;einem Zimmer aufzubewahren,<lb/>
bis das Gericht &#x017F;ie wieder rufen würd. Ging al&#x017F;o mit<lb/>
ihr; hatten aber viel Plage von dem dreu&#x017F;ten Schalk,<lb/>
inmaßen er nicht blöde war, den Arm meinem Töchter¬<lb/>
lein umb die Schulter zu legen, und in <hi rendition="#aq">mea praesentia</hi> <note place="foot" n="*)">In meiner Gegenwart.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] Lieber, wie ward mir anjetzo zu Muthe, als ich dies Allens und auch von der lieben Nachtigallen hörete, woran du nunmehro auch nicht mehr zweifeln wirſt, daß ſie Got¬ tes Dienerin geweſt. Ich umbhalſete mein Töchterlein ſogleich mit tauſend Thränen und verzählete ihr, wies mir gangen, und gewunnen wir Beide einen ſolchen Muth und Zuverſicht, als wir noch nie gehabt, ſo daß ſich Dn. Consul verwunderte, wie es den Anſchein hatte, der Amtshaubtmann aber blaß wurde wie ein Laken, als ſie anjetzo auf die beiden Herrſchaften hinzutrat und ſprach: „jetzo machet mit mir, als euch geliebet, das Lämmlein erſchröcket nicht, denn es ſtehet in der Hand des guten Hirten!" Hierzwiſchen trat nun auch Dn. Ca¬ merarius mit dem Scriba ein, entſatzte ſich aber, als er ungefährlich mit dem Rockzipf meim Töchterlein an die Schürzen ſtieß und ſtund und ſchrapete, an ſeim Rock, als ein Weib, ſo Fiſche ſchrapet. Endiglich, nachdem er zuvor zu dreien Malen ausgeſpieen, redete er das Gerichte an: ob ſie nicht anheben wöllten, den Zeugen¬ eid abzunehmen, angeſehen alles Volk ſchon längſtens im Schloß und Kruge verſammblet wäre. Solches ward angenehm aufgenommen, und erhielt der Büttel Befehl, mein Kind ſo lange in ſeinem Zimmer aufzubewahren, bis das Gericht ſie wieder rufen würd. Ging alſo mit ihr; hatten aber viel Plage von dem dreuſten Schalk, inmaßen er nicht blöde war, den Arm meinem Töchter¬ lein umb die Schulter zu legen, und in mea praesentia *) *) In meiner Gegenwart.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/185
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/185>, abgerufen am 22.05.2024.