Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

gehöret, auch von ihrem nächtlichen Wandel nichts ver¬
nommen, angesehen er im Stall bei den Pferden schliefe,
und auch sicher gläube, daß böse Leute, wobei er auf
die alte Lise sah, ihr dies Herzeleid bereitet, und sie ganz
unschuldig sei.

Als nunmehro auch an dies alte Satanskind die Reihe
kam, so ein Hauptzeugniß ablegen sollte erklärete mein
Töchterlein abermalen, daß sie das Gezeugniß der alten
Lisen nit annehmen müge und das Gericht umb Gerech¬
tigkeit anriefe, denn sie wäre ihr von Jugend auf gramm
und länger in dem Geschrei der Zauberei gewest, denn
sie selbsten.

Aber die alte Vettel rief: Gott vergebe dir deine
Sünden. Das ganze Dorf weiß, daß ich ein fromm Weib
bin, und meinem Gott diene, wie sich gebühret, worauf
sie den alten Zuter Witthahn und meinen Fürsteher Claus
Bulk aufrief, welche auch für sie Zeugniß ablegeten. Aber
der alte Paassch stund und schüttelte das Haubt, doch
als mein Töchterlein sagte: Paassch warumb schüttelt
Ihr mit dem Kopf? verzufzete *) er sich und gab zur
Antwort: "i, nicks **)!"

Dieses wurde aber auch Dn. Consul gewahr und
fragete ihn: ob er etwas Unartiges wider die alte Lise
fürzubringen habe, so möge er Gott die Ehre geben und
solches bekennen; item stünde es einem Jeglichen erlaubt,

*) plattdeutsch: für zusammenfahren.
**) ei nichts.

gehöret, auch von ihrem nächtlichen Wandel nichts ver¬
nommen, angeſehen er im Stall bei den Pferden ſchliefe,
und auch ſicher gläube, daß böſe Leute, wobei er auf
die alte Liſe ſah, ihr dies Herzeleid bereitet, und ſie ganz
unſchuldig ſei.

Als nunmehro auch an dies alte Satanskind die Reihe
kam, ſo ein Hauptzeugniß ablegen ſollte erklärete mein
Töchterlein abermalen, daß ſie das Gezeugniß der alten
Liſen nit annehmen müge und das Gericht umb Gerech¬
tigkeit anriefe, denn ſie wäre ihr von Jugend auf gramm
und länger in dem Geſchrei der Zauberei geweſt, denn
ſie ſelbſten.

Aber die alte Vettel rief: Gott vergebe dir deine
Sünden. Das ganze Dorf weiß, daß ich ein fromm Weib
bin, und meinem Gott diene, wie ſich gebühret, worauf
ſie den alten Zuter Witthahn und meinen Fürſteher Claus
Bulk aufrief, welche auch für ſie Zeugniß ablegeten. Aber
der alte Paaſsch ſtund und ſchüttelte das Haubt, doch
als mein Töchterlein ſagte: Paaſsch warumb ſchüttelt
Ihr mit dem Kopf? verzufzete *) er ſich und gab zur
Antwort: „i, nicks **)!“

Dieſes wurde aber auch Dn. Consul gewahr und
fragete ihn: ob er etwas Unartiges wider die alte Liſe
fürzubringen habe, ſo möge er Gott die Ehre geben und
ſolches bekennen; item ſtünde es einem Jeglichen erlaubt,

*) plattdeutſch: für zuſammenfahren.
**) ei nichts.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="173"/>
gehöret, auch von ihrem nächtlichen Wandel nichts ver¬<lb/>
nommen, ange&#x017F;ehen er im Stall bei den Pferden &#x017F;chliefe,<lb/>
und auch &#x017F;icher gläube, daß bö&#x017F;e Leute, wobei er auf<lb/>
die alte Li&#x017F;e &#x017F;ah, ihr dies Herzeleid bereitet, und &#x017F;ie ganz<lb/>
un&#x017F;chuldig &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Als nunmehro auch an dies alte Satanskind die Reihe<lb/>
kam, &#x017F;o ein Hauptzeugniß ablegen &#x017F;ollte erklärete mein<lb/>
Töchterlein abermalen, daß &#x017F;ie das Gezeugniß der alten<lb/>
Li&#x017F;en nit annehmen müge und das Gericht umb Gerech¬<lb/>
tigkeit anriefe, denn &#x017F;ie wäre ihr von Jugend auf gramm<lb/>
und länger in dem Ge&#x017F;chrei der Zauberei gewe&#x017F;t, denn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Aber die alte Vettel rief: Gott vergebe dir deine<lb/>
Sünden. Das ganze Dorf weiß, daß ich ein fromm Weib<lb/>
bin, und meinem Gott diene, wie &#x017F;ich gebühret, worauf<lb/>
&#x017F;ie den alten Zuter Witthahn und meinen Für&#x017F;teher Claus<lb/>
Bulk aufrief, welche auch für &#x017F;ie Zeugniß ablegeten. Aber<lb/>
der alte Paa&#x017F;sch &#x017F;tund und &#x017F;chüttelte das Haubt, doch<lb/>
als mein Töchterlein &#x017F;agte: Paa&#x017F;sch warumb &#x017F;chüttelt<lb/>
Ihr mit dem Kopf? verzufzete <note place="foot" n="*)">plattdeut&#x017F;ch: für zu&#x017F;ammenfahren.</note> er &#x017F;ich und gab zur<lb/>
Antwort: &#x201E;i, nicks <note place="foot" n="**)">ei nichts.</note>!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es wurde aber auch <hi rendition="#aq">Dn. Consul</hi> gewahr und<lb/>
fragete ihn: ob er etwas Unartiges wider die alte Li&#x017F;e<lb/>
fürzubringen habe, &#x017F;o möge er Gott die Ehre geben und<lb/>
&#x017F;olches bekennen; <hi rendition="#aq">item</hi> &#x017F;tünde es einem Jeglichen erlaubt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0189] gehöret, auch von ihrem nächtlichen Wandel nichts ver¬ nommen, angeſehen er im Stall bei den Pferden ſchliefe, und auch ſicher gläube, daß böſe Leute, wobei er auf die alte Liſe ſah, ihr dies Herzeleid bereitet, und ſie ganz unſchuldig ſei. Als nunmehro auch an dies alte Satanskind die Reihe kam, ſo ein Hauptzeugniß ablegen ſollte erklärete mein Töchterlein abermalen, daß ſie das Gezeugniß der alten Liſen nit annehmen müge und das Gericht umb Gerech¬ tigkeit anriefe, denn ſie wäre ihr von Jugend auf gramm und länger in dem Geſchrei der Zauberei geweſt, denn ſie ſelbſten. Aber die alte Vettel rief: Gott vergebe dir deine Sünden. Das ganze Dorf weiß, daß ich ein fromm Weib bin, und meinem Gott diene, wie ſich gebühret, worauf ſie den alten Zuter Witthahn und meinen Fürſteher Claus Bulk aufrief, welche auch für ſie Zeugniß ablegeten. Aber der alte Paaſsch ſtund und ſchüttelte das Haubt, doch als mein Töchterlein ſagte: Paaſsch warumb ſchüttelt Ihr mit dem Kopf? verzufzete *) er ſich und gab zur Antwort: „i, nicks **)!“ Dieſes wurde aber auch Dn. Consul gewahr und fragete ihn: ob er etwas Unartiges wider die alte Liſe fürzubringen habe, ſo möge er Gott die Ehre geben und ſolches bekennen; item ſtünde es einem Jeglichen erlaubt, *) plattdeutſch: für zuſammenfahren. **) ei nichts.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/189
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/189>, abgerufen am 18.05.2024.