solches zu thun, ja das Gericht beföhl es ihme an, zu sprechen, so er etwas wüßte.
Aber aus Furcht vor dem alten Drachen, schwiegen sie Alle so mäuseken stille, daß man die Fliegen kunnte brummen hören umb das Dintenfaß. Da stund ich Elen¬ der auf, und streckete meine Arme über mein verzagt und verstürztes Volk aus und sprach: könnet ihr mich also kreuzigen mit mein arm Kinde, hab' ich das umb euch verdienet? Sprecht doch, ach will Niemand spre¬ chen? -- Aber ich hörete wohl Etzliche heulen, doch Nie¬ manden sprechen, und jetzunder mußte sich mein arm Töch¬ terlein wohl zufrieden geben.
Und war die Bosheit der alten Vettel so groß, daß sie meinem Kinde nicht nur die erschröcklichste Zaube¬ reien fürhielt, besondern auch die Zeit ausrechnen wollte, wann sie sich dem leidigen Satan ergeben, umb ihr zu¬ gleich ihre jungfräuliche Ehr zu rauben, inmaßen sie be¬ hauptete, daß dazumalen Satanas ihr sonder Zweifel wohl die Jungfrauschaft genommen, als sie nit mehr hätte das Viehe heilen mügen, sondern es gestorben wär. Hiezu sagte mein Töchterlein aber Nichtes, denn daß sie die Augen niederschlug und verschamrothete über solche Unfläterei und auf die andere Lästerung, so die Vettel mit vielen Thränen ausstieß, daß sie nämblich ihren Mann lebendig dem Satanas übergeben antwortete sie, wie oben gedacht worden. Doch als die Vettel auf ihre Umtaufe in der Sehe kam, und fürgab, daß sie im Busch nach Erdbeeren gesuchet, worauf sie alsbald meines Töchter¬
ſolches zu thun, ja das Gericht beföhl es ihme an, zu ſprechen, ſo er etwas wüßte.
Aber aus Furcht vor dem alten Drachen, ſchwiegen ſie Alle ſo mäuſeken ſtille, daß man die Fliegen kunnte brummen hören umb das Dintenfaß. Da ſtund ich Elen¬ der auf, und ſtreckete meine Arme über mein verzagt und verſtürztes Volk aus und ſprach: könnet ihr mich alſo kreuzigen mit mein arm Kinde, hab' ich das umb euch verdienet? Sprecht doch, ach will Niemand ſpre¬ chen? — Aber ich hörete wohl Etzliche heulen, doch Nie¬ manden ſprechen, und jetzunder mußte ſich mein arm Töch¬ terlein wohl zufrieden geben.
Und war die Bosheit der alten Vettel ſo groß, daß ſie meinem Kinde nicht nur die erſchröcklichſte Zaube¬ reien fürhielt, beſondern auch die Zeit ausrechnen wollte, wann ſie ſich dem leidigen Satan ergeben, umb ihr zu¬ gleich ihre jungfräuliche Ehr zu rauben, inmaßen ſie be¬ hauptete, daß dazumalen Satanas ihr ſonder Zweifel wohl die Jungfrauſchaft genommen, als ſie nit mehr hätte das Viehe heilen mügen, ſondern es geſtorben wär. Hiezu ſagte mein Töchterlein aber Nichtes, denn daß ſie die Augen niederſchlug und verſchamrothete über ſolche Unfläterei und auf die andere Läſterung, ſo die Vettel mit vielen Thränen ausſtieß, daß ſie nämblich ihren Mann lebendig dem Satanas übergeben antwortete ſie, wie oben gedacht worden. Doch als die Vettel auf ihre Umtaufe in der Sehe kam, und fürgab, daß ſie im Buſch nach Erdbeeren geſuchet, worauf ſie alsbald meines Töchter¬
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[174/0190]
ſolches zu thun, ja das Gericht beföhl es ihme an, zu
ſprechen, ſo er etwas wüßte.
Aber aus Furcht vor dem alten Drachen, ſchwiegen
ſie Alle ſo mäuſeken ſtille, daß man die Fliegen kunnte
brummen hören umb das Dintenfaß. Da ſtund ich Elen¬
der auf, und ſtreckete meine Arme über mein verzagt
und verſtürztes Volk aus und ſprach: könnet ihr mich
alſo kreuzigen mit mein arm Kinde, hab' ich das umb
euch verdienet? Sprecht doch, ach will Niemand ſpre¬
chen? — Aber ich hörete wohl Etzliche heulen, doch Nie¬
manden ſprechen, und jetzunder mußte ſich mein arm Töch¬
terlein wohl zufrieden geben.
Und war die Bosheit der alten Vettel ſo groß, daß
ſie meinem Kinde nicht nur die erſchröcklichſte Zaube¬
reien fürhielt, beſondern auch die Zeit ausrechnen wollte,
wann ſie ſich dem leidigen Satan ergeben, umb ihr zu¬
gleich ihre jungfräuliche Ehr zu rauben, inmaßen ſie be¬
hauptete, daß dazumalen Satanas ihr ſonder Zweifel
wohl die Jungfrauſchaft genommen, als ſie nit mehr
hätte das Viehe heilen mügen, ſondern es geſtorben wär.
Hiezu ſagte mein Töchterlein aber Nichtes, denn daß ſie
die Augen niederſchlug und verſchamrothete über ſolche
Unfläterei und auf die andere Läſterung, ſo die Vettel mit
vielen Thränen ausſtieß, daß ſie nämblich ihren Mann
lebendig dem Satanas übergeben antwortete ſie, wie oben
gedacht worden. Doch als die Vettel auf ihre Umtaufe
in der Sehe kam, und fürgab, daß ſie im Buſch nach
Erdbeeren geſuchet, worauf ſie alsbald meines Töchter¬
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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