Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

sie ein Geschrei, wie ich es nimmermehr gehöret, noch
zu hören begehre. Denn als ich in meiner Jugend in
der Schlesien sahe, wie ein feindlicher Soldat einer Mut¬
ter in ihrer Gegenwärtigkeit ein Kindlein spießete, mei¬
nete ich, das sei ein Geschrei gewest, so die Mutter
thät; aber dieses Geschrei war ein Kinderspiel gegen
das Geschrei der alten Lisen. Alle meine Haare recke¬
ten sich gen Himmel, und auch ihre rothen Haare wur¬
den also steif, und wie die Reiser von dem Besen an¬
zusehen, worauf sie lag. Brüllete auch ebenmäßig: "das
ist der Geist Dudaim, den mir der verfluchte Amtshaubt¬
mann schicket, das Nachtmahl umb Gottes willen das
Nachtmahl -- ich will auch noch viel mehr bekennen --,
ich bin schon an die 30 Jahre eine Hexe! -- das Nacht¬
mahl, das Nachtmahl! Also brüllende schlug sie mit
Händen und Füßen umb sich, dieweil das garstige Ge¬
würm sich gehoben, und allbereits umb ihr Lager schnur¬
rete und burrete, daß es ein Gräuel anzusehen und hö¬
ren war. Und rief die Unholdin umwechselnd bald Gott
bald ihren Geist Stoffer bald mich an, ihr beizusprin¬
gen, bis das Gewürm ihr mit einem Male in den of¬
fenen Rachen fuhr, worauf sie allsogleich verreckete und
schwarz und blau, wie eine Brummelbeer wurde.

Hörete darauf weiter nichtes, als daß das Fenster
klirrete, doch nicht gar harte, besondern als wenn eine
Erbse dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich ab¬
nehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurch
gefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes

ſie ein Geſchrei, wie ich es nimmermehr gehöret, noch
zu hören begehre. Denn als ich in meiner Jugend in
der Schleſien ſahe, wie ein feindlicher Soldat einer Mut¬
ter in ihrer Gegenwärtigkeit ein Kindlein ſpießete, mei¬
nete ich, das ſei ein Geſchrei geweſt, ſo die Mutter
thät; aber dieſes Geſchrei war ein Kinderſpiel gegen
das Geſchrei der alten Liſen. Alle meine Haare recke¬
ten ſich gen Himmel, und auch ihre rothen Haare wur¬
den alſo ſteif, und wie die Reiſer von dem Beſen an¬
zuſehen, worauf ſie lag. Brüllete auch ebenmäßig: „das
iſt der Geiſt Dudaim, den mir der verfluchte Amtshaubt¬
mann ſchicket, das Nachtmahl umb Gottes willen das
Nachtmahl — ich will auch noch viel mehr bekennen —,
ich bin ſchon an die 30 Jahre eine Hexe! — das Nacht¬
mahl, das Nachtmahl! Alſo brüllende ſchlug ſie mit
Händen und Füßen umb ſich, dieweil das garſtige Ge¬
würm ſich gehoben, und allbereits umb ihr Lager ſchnur¬
rete und burrete, daß es ein Gräuel anzuſehen und hö¬
ren war. Und rief die Unholdin umwechſelnd bald Gott
bald ihren Geiſt Stoffer bald mich an, ihr beizuſprin¬
gen, bis das Gewürm ihr mit einem Male in den of¬
fenen Rachen fuhr, worauf ſie allſogleich verreckete und
ſchwarz und blau, wie eine Brummelbeer wurde.

Hörete darauf weiter nichtes, als daß das Fenſter
klirrete, doch nicht gar harte, beſondern als wenn eine
Erbſe dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich ab¬
nehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurch
gefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0233" n="217"/>
&#x017F;ie ein Ge&#x017F;chrei, wie ich es nimmermehr gehöret, noch<lb/>
zu hören begehre. Denn als ich in meiner Jugend in<lb/>
der Schle&#x017F;ien &#x017F;ahe, wie ein feindlicher Soldat einer Mut¬<lb/>
ter in ihrer Gegenwärtigkeit ein Kindlein &#x017F;pießete, mei¬<lb/>
nete ich, das &#x017F;ei ein Ge&#x017F;chrei gewe&#x017F;t, &#x017F;o die Mutter<lb/>
thät; aber die&#x017F;es Ge&#x017F;chrei war ein Kinder&#x017F;piel gegen<lb/>
das Ge&#x017F;chrei der alten Li&#x017F;en. Alle meine Haare recke¬<lb/>
ten &#x017F;ich gen Himmel, und auch ihre rothen Haare wur¬<lb/>
den al&#x017F;o &#x017F;teif, und wie die Rei&#x017F;er von dem Be&#x017F;en an¬<lb/>
zu&#x017F;ehen, worauf &#x017F;ie lag. Brüllete auch ebenmäßig: &#x201E;das<lb/>
i&#x017F;t der Gei&#x017F;t Dudaim, den mir der verfluchte Amtshaubt¬<lb/>
mann &#x017F;chicket, das Nachtmahl umb Gottes willen das<lb/>
Nachtmahl &#x2014; ich will auch noch viel mehr bekennen &#x2014;,<lb/>
ich bin &#x017F;chon an die 30 Jahre eine Hexe! &#x2014; das Nacht¬<lb/>
mahl, das Nachtmahl! Al&#x017F;o brüllende &#x017F;chlug &#x017F;ie mit<lb/>
Händen und Füßen umb &#x017F;ich, dieweil das gar&#x017F;tige Ge¬<lb/>
würm &#x017F;ich gehoben, und allbereits umb ihr Lager &#x017F;chnur¬<lb/>
rete und burrete, daß es ein Gräuel anzu&#x017F;ehen und hö¬<lb/>
ren war. Und rief die Unholdin umwech&#x017F;elnd bald Gott<lb/>
bald ihren Gei&#x017F;t Stoffer bald mich an, ihr beizu&#x017F;prin¬<lb/>
gen, bis das Gewürm ihr mit einem Male in den of¬<lb/>
fenen Rachen fuhr, worauf &#x017F;ie all&#x017F;ogleich verreckete und<lb/>
&#x017F;chwarz und blau, wie eine Brummelbeer wurde.</p><lb/>
        <p>Hörete darauf weiter nichtes, als daß das Fen&#x017F;ter<lb/>
klirrete, doch nicht gar harte, be&#x017F;ondern als wenn eine<lb/>
Erb&#x017F;e dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich ab¬<lb/>
nehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurch<lb/>
gefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0233] ſie ein Geſchrei, wie ich es nimmermehr gehöret, noch zu hören begehre. Denn als ich in meiner Jugend in der Schleſien ſahe, wie ein feindlicher Soldat einer Mut¬ ter in ihrer Gegenwärtigkeit ein Kindlein ſpießete, mei¬ nete ich, das ſei ein Geſchrei geweſt, ſo die Mutter thät; aber dieſes Geſchrei war ein Kinderſpiel gegen das Geſchrei der alten Liſen. Alle meine Haare recke¬ ten ſich gen Himmel, und auch ihre rothen Haare wur¬ den alſo ſteif, und wie die Reiſer von dem Beſen an¬ zuſehen, worauf ſie lag. Brüllete auch ebenmäßig: „das iſt der Geiſt Dudaim, den mir der verfluchte Amtshaubt¬ mann ſchicket, das Nachtmahl umb Gottes willen das Nachtmahl — ich will auch noch viel mehr bekennen —, ich bin ſchon an die 30 Jahre eine Hexe! — das Nacht¬ mahl, das Nachtmahl! Alſo brüllende ſchlug ſie mit Händen und Füßen umb ſich, dieweil das garſtige Ge¬ würm ſich gehoben, und allbereits umb ihr Lager ſchnur¬ rete und burrete, daß es ein Gräuel anzuſehen und hö¬ ren war. Und rief die Unholdin umwechſelnd bald Gott bald ihren Geiſt Stoffer bald mich an, ihr beizuſprin¬ gen, bis das Gewürm ihr mit einem Male in den of¬ fenen Rachen fuhr, worauf ſie allſogleich verreckete und ſchwarz und blau, wie eine Brummelbeer wurde. Hörete darauf weiter nichtes, als daß das Fenſter klirrete, doch nicht gar harte, beſondern als wenn eine Erbſe dagegen geworfen würd, woraus ich leichtlich ab¬ nehmen kunnte, daß Satanas mit ihrer Seelen hindurch gefahren. Der barmherzige Gott bewahre doch jedes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/233
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/233>, abgerufen am 21.11.2024.