große Rad niedergestiegen, umb den Amtshaubtmann, so bis dato noch immer auf und niedergangen war, aus denen Schaufeln zu ziehen. Solches kunnten sie aber nicht ehender, als sie eine Schaufel zersaget, und wie sie ihn letzlich ans Land brachten, befand es sich, daß er sich das Genick abgefallen und bereits so blau als eine Trembse *) anzusehen war. Auch war ihme der Hals abgeschunden und das Blut lief ihm annoch aus Maul und Nasen. Doch hatte das Volk mein Töchterlein nicht schimpfiret, so schimpfirete es sie jetztunder, und wollte sie mit Koth und Steinen werfen, wenn es Ein ehrsam Gericht nicht mit aller Macht gewehret, sagende sie würde ja alsbald ihre wohlverdiente Straf empfangen.
Auch stieg mein lieber Gevatter Ehre Martinus wie¬ der auf den Wagen und vermahnete das Volk, der Ober¬ keit nit vorzugreifen, angesehen das Wetter wiederumb ein wenig nachgelassen, daß man ihn hören konnte. Und als es sich in etwas zufrieden gestellet, übergab Dn. Consul dem Müller das Leich von dem Amts¬ haubtmann, bis er mit Gottes Hülf wiederkäme, item den Schimmel ließ er so lange an die Eiche binden, die¬ weil der Müller schwur, er hätte keinen Raum in der Mühlen, inmaßen sein Pferdestall annoch voll Stroh läge, er wölle dem Schimmel aber etwas Heu fürgeben, und ein gut Augenmerk auf ihn haben. Und jetzto mu߬ ten wir elendigen Menschen, nachdem der unerforsch¬
*) Kornblume.
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große Rad niedergeſtiegen, umb den Amtshaubtmann, ſo bis dato noch immer auf und niedergangen war, aus denen Schaufeln zu ziehen. Solches kunnten ſie aber nicht ehender, als ſie eine Schaufel zerſaget, und wie ſie ihn letzlich ans Land brachten, befand es ſich, daß er ſich das Genick abgefallen und bereits ſo blau als eine Trembſe *) anzuſehen war. Auch war ihme der Hals abgeſchunden und das Blut lief ihm annoch aus Maul und Naſen. Doch hatte das Volk mein Töchterlein nicht ſchimpfiret, ſo ſchimpfirete es ſie jetztunder, und wollte ſie mit Koth und Steinen werfen, wenn es Ein ehrſam Gericht nicht mit aller Macht gewehret, ſagende ſie würde ja alsbald ihre wohlverdiente Straf empfangen.
Auch ſtieg mein lieber Gevatter Ehre Martinus wie¬ der auf den Wagen und vermahnete das Volk, der Ober¬ keit nit vorzugreifen, angeſehen das Wetter wiederumb ein wenig nachgelaſſen, daß man ihn hören konnte. Und als es ſich in etwas zufrieden geſtellet, übergab Dn. Consul dem Müller das Leich von dem Amts¬ haubtmann, bis er mit Gottes Hülf wiederkäme, item den Schimmel ließ er ſo lange an die Eiche binden, die¬ weil der Müller ſchwur, er hätte keinen Raum in der Mühlen, inmaßen ſein Pferdeſtall annoch voll Stroh läge, er wölle dem Schimmel aber etwas Heu fürgeben, und ein gut Augenmerk auf ihn haben. Und jetzto mu߬ ten wir elendigen Menſchen, nachdem der unerforſch¬
*) Kornblume.
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große Rad niedergeſtiegen, umb den Amtshaubtmann,
ſo bis dato noch immer auf und niedergangen war, aus
denen Schaufeln zu ziehen. Solches kunnten ſie aber
nicht ehender, als ſie eine Schaufel zerſaget, und wie
ſie ihn letzlich ans Land brachten, befand es ſich, daß
er ſich das Genick abgefallen und bereits ſo blau als eine
Trembſe *) anzuſehen war. Auch war ihme der Hals
abgeſchunden und das Blut lief ihm annoch aus Maul
und Naſen. Doch hatte das Volk mein Töchterlein
nicht ſchimpfiret, ſo ſchimpfirete es ſie jetztunder, und
wollte ſie mit Koth und Steinen werfen, wenn es Ein
ehrſam Gericht nicht mit aller Macht gewehret, ſagende ſie
würde ja alsbald ihre wohlverdiente Straf empfangen.
Auch ſtieg mein lieber Gevatter Ehre Martinus wie¬
der auf den Wagen und vermahnete das Volk, der Ober¬
keit nit vorzugreifen, angeſehen das Wetter wiederumb
ein wenig nachgelaſſen, daß man ihn hören konnte.
Und als es ſich in etwas zufrieden geſtellet, übergab
Dn. Consul dem Müller das Leich von dem Amts¬
haubtmann, bis er mit Gottes Hülf wiederkäme, item
den Schimmel ließ er ſo lange an die Eiche binden, die¬
weil der Müller ſchwur, er hätte keinen Raum in der
Mühlen, inmaßen ſein Pferdeſtall annoch voll Stroh
läge, er wölle dem Schimmel aber etwas Heu fürgeben,
und ein gut Augenmerk auf ihn haben. Und jetzto mu߬
ten wir elendigen Menſchen, nachdem der unerforſch¬
*) Kornblume.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/273>, abgerufen am 24.11.2024.
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