Spitzen, auf welchem der lange Büttel sprang, als er uns ankommen sahe und mit der Mützen winkete, so viel er kunnte. Hierüber vergingen mir aber meine Sin¬ nen, und ist es meinem Lämmelein auch nit viel anders ergangen. Denn sie hat hin und her geschwanket wie ein Rohr, und abereins ausgerufen, ihre gebundenen Händeleins gen Himmel streckende:
Rex tremendae majestatis! -- qui salvandos salvas gratis, Salva me fons pietatis. --*)
Und siehe, wie sie es kaum ausgesprochen, ist die liebe Sonne wieder herfürgetreten und hat einen Regen¬ bogen auf dem Gewölk geformiret, recht über den Berg, also, daß es lustig anzusehen gewest. Und war dieses offenbarlich ein Zeichen des barmherzigen Gottes, wie er uns oftermalen solche Zeichen giebt; aber wir blin¬ den und ungläubigen Menschen achten es nit sonderlich. So hat sie es auch nit geachtet, denn obwohl sie an den ersten Regenbogen gedacht, so uns unsere Trübsal für¬ gebildet, hat es ihr doch unmüglich geschienen, daß sie annoch könnte errettet werden, und ist also matt wor¬ den, daß sie auf das liebe Gnadenzeichen weiter gar nicht geachtet, und ihr Kopf, (dieweil sie ihne nicht mehr an mich lehnen konnte, angesehen ich so lang ich gewach¬ sen in dem Wagen gelegen) ihr also war vorne überge¬
*)
König majestät'scher Größe!Der umsonst deckt unsre Blöße, Quell der Liebe, komm, erlöse!
Spitzen, auf welchem der lange Büttel ſprang, als er uns ankommen ſahe und mit der Mützen winkete, ſo viel er kunnte. Hierüber vergingen mir aber meine Sin¬ nen, und iſt es meinem Lämmelein auch nit viel anders ergangen. Denn ſie hat hin und her geſchwanket wie ein Rohr, und abereins ausgerufen, ihre gebundenen Händeleins gen Himmel ſtreckende:
Rex tremendae majestatis! — qui salvandos salvas gratis, Salva me fons pietatis. —*)
Und ſiehe, wie ſie es kaum ausgeſprochen, iſt die liebe Sonne wieder herfürgetreten und hat einen Regen¬ bogen auf dem Gewölk geformiret, recht über den Berg, alſo, daß es luſtig anzuſehen geweſt. Und war dieſes offenbarlich ein Zeichen des barmherzigen Gottes, wie er uns oftermalen ſolche Zeichen giebt; aber wir blin¬ den und ungläubigen Menſchen achten es nit ſonderlich. So hat ſie es auch nit geachtet, denn obwohl ſie an den erſten Regenbogen gedacht, ſo uns unſere Trübſal für¬ gebildet, hat es ihr doch unmüglich geſchienen, daß ſie annoch könnte errettet werden, und iſt alſo matt wor¬ den, daß ſie auf das liebe Gnadenzeichen weiter gar nicht geachtet, und ihr Kopf, (dieweil ſie ihne nicht mehr an mich lehnen konnte, angeſehen ich ſo lang ich gewach¬ ſen in dem Wagen gelegen) ihr alſo war vorne überge¬
*)
König majeſtät'ſcher Größe!Der umſonſt deckt unſre Blöße, Quell der Liebe, komm, erlöſe!
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[262/0278]
Spitzen, auf welchem der lange Büttel ſprang, als er
uns ankommen ſahe und mit der Mützen winkete, ſo
viel er kunnte. Hierüber vergingen mir aber meine Sin¬
nen, und iſt es meinem Lämmelein auch nit viel anders
ergangen. Denn ſie hat hin und her geſchwanket wie
ein Rohr, und abereins ausgerufen, ihre gebundenen
Händeleins gen Himmel ſtreckende:
Rex tremendae majestatis! —
qui salvandos salvas gratis,
Salva me fons pietatis. — *)
Und ſiehe, wie ſie es kaum ausgeſprochen, iſt die
liebe Sonne wieder herfürgetreten und hat einen Regen¬
bogen auf dem Gewölk geformiret, recht über den Berg,
alſo, daß es luſtig anzuſehen geweſt. Und war dieſes
offenbarlich ein Zeichen des barmherzigen Gottes, wie
er uns oftermalen ſolche Zeichen giebt; aber wir blin¬
den und ungläubigen Menſchen achten es nit ſonderlich.
So hat ſie es auch nit geachtet, denn obwohl ſie an den
erſten Regenbogen gedacht, ſo uns unſere Trübſal für¬
gebildet, hat es ihr doch unmüglich geſchienen, daß ſie
annoch könnte errettet werden, und iſt alſo matt wor¬
den, daß ſie auf das liebe Gnadenzeichen weiter gar
nicht geachtet, und ihr Kopf, (dieweil ſie ihne nicht mehr
an mich lehnen konnte, angeſehen ich ſo lang ich gewach¬
ſen in dem Wagen gelegen) ihr alſo war vorne überge¬
*) König majeſtät'ſcher Größe! Der umſonſt deckt unſre Blöße,
Quell der Liebe, komm, erlöſe!
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/278>, abgerufen am 16.07.2024.
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