Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, so ich in meiner Rocktaschen verborgen. Doch siehe,
als ich gegen die Straßen komme, so vom Wege nach
Loddin führet (vorhero hatt' ich es in meiner Betrüb¬
niß übersehen) trauete kaum meinen Augen, als ich all¬
dorten mein Ackerstück bei sieben Scheffeln groß, bega¬
tet *), besäet und bestaudet antraff, so daß die liebe
Roggensaat, schon bei eines Fingers Länge lustig aus
der Erden geschossen war. Konnte nicht anders gläu¬
ben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk für¬
gespielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es
war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den al¬
ten Paasch sein Stück so daneben stieß imgleichen be¬
säet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den mei¬
nigen geschossen waren, kunnte gar leicht bei mir ab¬
nehmen, daß der gute Kerl solliches gethan, anerwogen
die andern Stücken allesammt wüste lagen. Verziehe
ihm dahero gerne, daß er den Morgenseegen nit gewußt
und dem Herrn dankend vor so viel Liebe bei meinen
Kapselkindern und ihn brünstiglich anflehend: er wölle
mir Kraft und Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro
auch unverdrossen auszuhalten, und alle Kümmernüß und
Trübsal so er nach seinem grundgütigen Willen uns fer¬
ner auferlegen söllte, williglich zu tragen, lief ich mehr
denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten
Paassch seinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben seine
Kuh zuhauete, so er für grimmigem Hunger nunmehro

*) zur Saat vorbereitet, d. i. gepflügt und geeggt.

gen, ſo ich in meiner Rocktaſchen verborgen. Doch ſiehe,
als ich gegen die Straßen komme, ſo vom Wege nach
Loddin führet (vorhero hatt’ ich es in meiner Betrüb¬
niß überſehen) trauete kaum meinen Augen, als ich all¬
dorten mein Ackerſtück bei ſieben Scheffeln groß, bega¬
tet *), beſäet und beſtaudet antraff, ſo daß die liebe
Roggenſaat, ſchon bei eines Fingers Länge luſtig aus
der Erden geſchoſſen war. Konnte nicht anders gläu¬
ben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk für¬
geſpielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es
war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den al¬
ten Paaſch ſein Stück ſo daneben ſtieß imgleichen be¬
ſäet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den mei¬
nigen geſchoſſen waren, kunnte gar leicht bei mir ab¬
nehmen, daß der gute Kerl ſolliches gethan, anerwogen
die andern Stücken alleſammt wüſte lagen. Verziehe
ihm dahero gerne, daß er den Morgenſeegen nit gewußt
und dem Herrn dankend vor ſo viel Liebe bei meinen
Kapſelkindern und ihn brünſtiglich anflehend: er wölle
mir Kraft und Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro
auch unverdroſſen auszuhalten, und alle Kümmernüß und
Trübſal ſo er nach ſeinem grundgütigen Willen uns fer¬
ner auferlegen ſöllte, williglich zu tragen, lief ich mehr
denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten
Paaſsch ſeinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben ſeine
Kuh zuhauete, ſo er für grimmigem Hunger nunmehro

*) zur Saat vorbereitet, d. i. gepflügt und geeggt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="25"/>
gen, &#x017F;o ich in meiner Rockta&#x017F;chen verborgen. Doch &#x017F;iehe,<lb/>
als ich gegen die Straßen komme, &#x017F;o vom Wege nach<lb/>
Loddin führet (vorhero hatt&#x2019; ich es in meiner Betrüb¬<lb/>
niß über&#x017F;ehen) trauete kaum meinen Augen, als ich all¬<lb/>
dorten mein Acker&#x017F;tück bei &#x017F;ieben Scheffeln groß, bega¬<lb/>
tet <note place="foot" n="*)">zur Saat vorbereitet, d. i. gepflügt und geeggt.</note>, be&#x017F;äet und be&#x017F;taudet antraff, &#x017F;o daß die liebe<lb/>
Roggen&#x017F;aat, &#x017F;chon bei eines Fingers Länge lu&#x017F;tig aus<lb/>
der Erden ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en war. Konnte nicht anders gläu¬<lb/>
ben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk für¬<lb/>
ge&#x017F;pielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es<lb/>
war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den al¬<lb/>
ten Paa&#x017F;ch &#x017F;ein Stück &#x017F;o daneben &#x017F;tieß imgleichen be¬<lb/>
&#x017F;äet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den mei¬<lb/>
nigen ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en waren, kunnte gar leicht bei mir ab¬<lb/>
nehmen, daß der gute Kerl &#x017F;olliches gethan, anerwogen<lb/>
die andern Stücken alle&#x017F;ammt wü&#x017F;te lagen. Verziehe<lb/>
ihm dahero gerne, daß er den Morgen&#x017F;eegen nit gewußt<lb/>
und dem Herrn dankend vor &#x017F;o viel Liebe bei meinen<lb/>
Kap&#x017F;elkindern und ihn brün&#x017F;tiglich anflehend: er wölle<lb/>
mir Kraft und Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro<lb/>
auch unverdro&#x017F;&#x017F;en auszuhalten, und alle Kümmernüß und<lb/>
Trüb&#x017F;al &#x017F;o er nach &#x017F;einem grundgütigen Willen uns fer¬<lb/>
ner auferlegen &#x017F;öllte, williglich zu tragen, lief ich mehr<lb/>
denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten<lb/>
Paa&#x017F;sch &#x017F;einen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben &#x017F;eine<lb/>
Kuh zuhauete, &#x017F;o er für grimmigem Hunger nunmehro<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0041] gen, ſo ich in meiner Rocktaſchen verborgen. Doch ſiehe, als ich gegen die Straßen komme, ſo vom Wege nach Loddin führet (vorhero hatt’ ich es in meiner Betrüb¬ niß überſehen) trauete kaum meinen Augen, als ich all¬ dorten mein Ackerſtück bei ſieben Scheffeln groß, bega¬ tet *), beſäet und beſtaudet antraff, ſo daß die liebe Roggenſaat, ſchon bei eines Fingers Länge luſtig aus der Erden geſchoſſen war. Konnte nicht anders gläu¬ ben, als daß der leidige Satan mir ein Blendwerk für¬ geſpielet; doch wie ich mir auch die Augen riebe, es war Roggen und bliebe Roggen. Und weilen den al¬ ten Paaſch ſein Stück ſo daneben ſtieß imgleichen be¬ ſäet und die Hälmlein zu gleicher Höhe mit den mei¬ nigen geſchoſſen waren, kunnte gar leicht bei mir ab¬ nehmen, daß der gute Kerl ſolliches gethan, anerwogen die andern Stücken alleſammt wüſte lagen. Verziehe ihm dahero gerne, daß er den Morgenſeegen nit gewußt und dem Herrn dankend vor ſo viel Liebe bei meinen Kapſelkindern und ihn brünſtiglich anflehend: er wölle mir Kraft und Glauben gewehren, bei ihnen nunmehro auch unverdroſſen auszuhalten, und alle Kümmernüß und Trübſal ſo er nach ſeinem grundgütigen Willen uns fer¬ ner auferlegen ſöllte, williglich zu tragen, lief ich mehr denn ich ginge in das Dorf zurücke und auf den alten Paaſsch ſeinen Hof, wo ich ihn antraf, daß er eben ſeine Kuh zuhauete, ſo er für grimmigem Hunger nunmehro *) zur Saat vorbereitet, d. i. gepflügt und geeggt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/41
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/41>, abgerufen am 23.11.2024.