Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

ziehen. Ob ich schon vergessen, daß ich in meiner An¬
trittspredigt gesaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth
und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein
wenig verziehen, und sie selbsten einmal nach der Lie¬
pen senden dieweilen sie hoffe, bei ihrer Freundschaft
und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche
Rede, insonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir
fast schwer aufs Gewissen, und ich schämete mich für
meinen Unglauben, sintemalen nicht allein mein Töch¬
terlein, besondern auch meine Magd einen stärkern Glau¬
ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener
beim Worte sein. Erachtete also, daß der Herr um
mich armen, furchtsamen Miethling zurücke zu halten,
und gleicher Weiß mich zu demüthigen diese arme Magd
ewecket, so mich versuchen gewußt wie wailand die Magd
im Pallast des Hohenpriesters den furchtsamen St. Pe¬
trum
. Wandte dahero wie Hiskias mein Angesicht
gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn,
was kaum geschehen als mein Töchterlein abermals mit
einem Freudengeschrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein
christliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬
stiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleisch,
einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz,
bei einer Metzen wohl, in die Kammer gesetzet. Da
kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeschrei
wir allesammt erhoben. Auch schämete mich nit, für
meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬
serm gemeinen Morgengebet, so wir auf den Knieen

ziehen. Ob ich ſchon vergeſſen, daß ich in meiner An¬
trittspredigt geſaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth
und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein
wenig verziehen, und ſie ſelbſten einmal nach der Lie¬
pen ſenden dieweilen ſie hoffe, bei ihrer Freundſchaft
und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche
Rede, inſonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir
faſt ſchwer aufs Gewiſſen, und ich ſchämete mich für
meinen Unglauben, ſintemalen nicht allein mein Töch¬
terlein, beſondern auch meine Magd einen ſtärkern Glau¬
ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener
beim Worte ſein. Erachtete alſo, daß der Herr um
mich armen, furchtſamen Miethling zurücke zu halten,
und gleicher Weiß mich zu demüthigen dieſe arme Magd
ewecket, ſo mich verſuchen gewußt wie wailand die Magd
im Pallaſt des Hohenprieſters den furchtſamen St. Pe¬
trum
. Wandte dahero wie Hiskias mein Angeſicht
gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn,
was kaum geſchehen als mein Töchterlein abermals mit
einem Freudengeſchrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein
chriſtliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬
ſtiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleiſch,
einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz,
bei einer Metzen wohl, in die Kammer geſetzet. Da
kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeſchrei
wir alleſammt erhoben. Auch ſchämete mich nit, für
meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬
ſerm gemeinen Morgengebet, ſo wir auf den Knieen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="45"/>
ziehen. Ob ich &#x017F;chon verge&#x017F;&#x017F;en, daß ich in meiner An¬<lb/>
trittspredigt ge&#x017F;aget: daß ich bei meiner Gemein in Noth<lb/>
und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein<lb/>
wenig verziehen, und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten einmal nach der Lie¬<lb/>
pen &#x017F;enden dieweilen &#x017F;ie hoffe, bei ihrer Freund&#x017F;chaft<lb/>
und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche<lb/>
Rede, in&#x017F;onderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir<lb/>
fa&#x017F;t &#x017F;chwer aufs Gewi&#x017F;&#x017F;en, und ich &#x017F;chämete mich für<lb/>
meinen Unglauben, &#x017F;intemalen nicht allein mein Töch¬<lb/>
terlein, be&#x017F;ondern auch meine Magd einen &#x017F;tärkern Glau¬<lb/>
ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener<lb/>
beim Worte &#x017F;ein. Erachtete al&#x017F;o, daß der Herr um<lb/>
mich armen, furcht&#x017F;amen Miethling zurücke zu halten,<lb/>
und gleicher Weiß mich zu demüthigen die&#x017F;e arme Magd<lb/>
ewecket, &#x017F;o mich ver&#x017F;uchen gewußt wie wailand die Magd<lb/>
im Palla&#x017F;t des Hohenprie&#x017F;ters den furcht&#x017F;amen <hi rendition="#aq">St. Pe¬<lb/>
trum</hi>. Wandte dahero wie <hi rendition="#aq">Hiskias</hi> mein Ange&#x017F;icht<lb/>
gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn,<lb/>
was kaum ge&#x017F;chehen als mein Töchterlein abermals mit<lb/>
einem Freudenge&#x017F;chrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein<lb/>
chri&#x017F;tliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬<lb/>
&#x017F;tiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Flei&#x017F;ch,<lb/>
einen Beutel mit Grütze <hi rendition="#aq">item</hi> einen Beutel mit Salz,<lb/>
bei einer Metzen wohl, in die Kammer ge&#x017F;etzet. Da<lb/>
kann nun männiglich gießen, welch groß Freudenge&#x017F;chrei<lb/>
wir alle&#x017F;ammt erhoben. Auch &#x017F;chämete mich nit, für<lb/>
meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬<lb/>
&#x017F;erm gemeinen Morgengebet, &#x017F;o wir auf den Knieen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0061] ziehen. Ob ich ſchon vergeſſen, daß ich in meiner An¬ trittspredigt geſaget: daß ich bei meiner Gemein in Noth und Tod wölle verharren. Möchte dannenhero noch ein wenig verziehen, und ſie ſelbſten einmal nach der Lie¬ pen ſenden dieweilen ſie hoffe, bei ihrer Freundſchaft und anderswo was rechtes für uns aufzutreiben. Solche Rede, inſonderheit von meiner Antrittspredigt fiel mir faſt ſchwer aufs Gewiſſen, und ich ſchämete mich für meinen Unglauben, ſintemalen nicht allein mein Töch¬ terlein, beſondern auch meine Magd einen ſtärkern Glau¬ ben hätten denn ich, der ich doch wöllte ein Diener beim Worte ſein. Erachtete alſo, daß der Herr um mich armen, furchtſamen Miethling zurücke zu halten, und gleicher Weiß mich zu demüthigen dieſe arme Magd ewecket, ſo mich verſuchen gewußt wie wailand die Magd im Pallaſt des Hohenprieſters den furchtſamen St. Pe¬ trum. Wandte dahero wie Hiskias mein Angeſicht gen die Wand und demüthigte mich vor dem Herrn, was kaum geſchehen als mein Töchterlein abermals mit einem Freudengeſchrei zur Thüren hereinfuhr. Siehe ein chriſtliches Herze war zur Nacht heimlich ins Haus ge¬ ſtiegen und hatte uns zwo Brode, ein gut Stück Fleiſch, einen Beutel mit Grütze item einen Beutel mit Salz, bei einer Metzen wohl, in die Kammer geſetzet. Da kann nun männiglich gießen, welch groß Freudengeſchrei wir alleſammt erhoben. Auch ſchämete mich nit, für meiner Magd meine Sünden zu bekennen, und in un¬ ſerm gemeinen Morgengebet, ſo wir auf den Knieen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/61
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/61>, abgerufen am 04.12.2024.