Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.
Mit den Worten "richtig", "echt", "absolut", "an sich" Er selbst bezeichnet den "Juden an sich" oder das
Mit den Worten »richtig«, »echt«, »absolut«, »an sich« Er selbst bezeichnet den »Juden an sich« oder das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="8"/><lb/> Unter das »Gesetz« wird dann auch das Phänomen der<lb/> Homosexualität subsumiert. Nichts weniger als originell ist<lb/> die Enthüllung, daß Homosexuelle Merkmale des anderen Geschlechtes<lb/> im Wesen und auch im äußeren Habitus manchmal<lb/> aufweisen. Aber es ist geradezu terroristisch, gewisse Züge,<lb/> Eigenschaften und Anlagen als nur »männliche« oder nur<lb/> »weibliche« zu bezeichnen, die oftmals weder das eine noch das<lb/> andere, sondern nur <hi rendition="#g">menschliche</hi> sind. Wer zum Beispiel<lb/> unerotische Kollegialität zwischen beiden Geschlechtern befürworte<lb/> und durchführen könne, habe schon einen starken<lb/> Einschlag des anderen Geschlechtes in sich – und ist,<lb/> nach Weininger, gar kein »richtiger« Mann, respektive kein<lb/> richtiges Weib!<lb/></p> <p>Mit den Worten »richtig«, »echt«, »absolut«, »an sich«<lb/> wird in Weiningers sämtlichen Ausführungen ein haarsträubender<lb/> Mißbrauch getrieben. Sie dienen geradezu als<lb/> Verklausulierungen der »verwirrenden <hi rendition="#g">Wirklichkeit</hi>« gegenüber<lb/> dort, wo sich diese – subordinationswidrigerweise –<lb/> durchaus nicht in das Prokrustesbett seiner Formeln und<lb/> Gesetze hineinpressen lassen will. Dann war es eben kein<lb/> »echter« Typus, kein »echter« Jude, kein »echtes« Weib –<lb/> sondern eine der vielen »Zwischenstufen«!<lb/></p> <p>Er selbst bezeichnet den »Juden an sich« oder das<lb/> »Weib an sich« als <hi rendition="#g">metaphysische Begriffe</hi>, weil sie so<lb/> echt (d. h. mit erstaunlichen Defekten und Monstrositäten<lb/> behaftet), nach seiner eigenen Aussage – gar nicht existieren.<lb/> – Umso verwerflicher muß dann die Irreführung<lb/> erscheinen – durch Besprechung der Juden oder der<lb/> Weiber – während das Ur-Jüdische und das Ur-Weibliche<lb/> »an sich« gemeint sind, – wobei auch noch fraglich bleibt,<lb/> ob diese gedachten, konstruierten Typen wirklich die von<lb/> ihnen ausgesagten Merkmale aufweisen würden, wenn sie<lb/> existierten. Es ist dies eine »Echtheit«, der das Leben und<lb/> alle Tendenzen einer natürlichen Vorwärtsbewegung unausgesetzt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0014]
Unter das »Gesetz« wird dann auch das Phänomen der
Homosexualität subsumiert. Nichts weniger als originell ist
die Enthüllung, daß Homosexuelle Merkmale des anderen Geschlechtes
im Wesen und auch im äußeren Habitus manchmal
aufweisen. Aber es ist geradezu terroristisch, gewisse Züge,
Eigenschaften und Anlagen als nur »männliche« oder nur
»weibliche« zu bezeichnen, die oftmals weder das eine noch das
andere, sondern nur menschliche sind. Wer zum Beispiel
unerotische Kollegialität zwischen beiden Geschlechtern befürworte
und durchführen könne, habe schon einen starken
Einschlag des anderen Geschlechtes in sich – und ist,
nach Weininger, gar kein »richtiger« Mann, respektive kein
richtiges Weib!
Mit den Worten »richtig«, »echt«, »absolut«, »an sich«
wird in Weiningers sämtlichen Ausführungen ein haarsträubender
Mißbrauch getrieben. Sie dienen geradezu als
Verklausulierungen der »verwirrenden Wirklichkeit« gegenüber
dort, wo sich diese – subordinationswidrigerweise –
durchaus nicht in das Prokrustesbett seiner Formeln und
Gesetze hineinpressen lassen will. Dann war es eben kein
»echter« Typus, kein »echter« Jude, kein »echtes« Weib –
sondern eine der vielen »Zwischenstufen«!
Er selbst bezeichnet den »Juden an sich« oder das
»Weib an sich« als metaphysische Begriffe, weil sie so
echt (d. h. mit erstaunlichen Defekten und Monstrositäten
behaftet), nach seiner eigenen Aussage – gar nicht existieren.
– Umso verwerflicher muß dann die Irreführung
erscheinen – durch Besprechung der Juden oder der
Weiber – während das Ur-Jüdische und das Ur-Weibliche
»an sich« gemeint sind, – wobei auch noch fraglich bleibt,
ob diese gedachten, konstruierten Typen wirklich die von
ihnen ausgesagten Merkmale aufweisen würden, wenn sie
existierten. Es ist dies eine »Echtheit«, der das Leben und
alle Tendenzen einer natürlichen Vorwärtsbewegung unausgesetzt
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Zitationshilfe: | Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/14>, abgerufen am 16.07.2024. |