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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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Kampf und Spiel, von Geselligkeit und Gelage, - jawohl! -
von Diskussion und Wissenschaft, von Geschäft und Politik,
von Religion und Kunst, - jawohl! - und nicht eine dieser
Interessen aus meinem Leben scheiden könnte, - was dann?

Dann - ja dann ist nicht etwa die These falsch und
flach und hohl - sondern ich und die Tausende von andern
Frauen, die mit mir daherkamen, sind eben keine "echten"
Frauen, sondern nur zu zwei Dritteln oder gar nur zur
Hälfte Frauen! - Einen bequemeren und platteren Schild
hat kaum irgend jemand sich jemals geschmiedet! - Daß
man von einer "Echtheit", das heißt hier Kulturfremdheit
und Verwilderung, die von Tag zu Tag seltener wird und
deren vollständiges Verschwinden eben nur von der Eroberung
größerer Bildungsmöglichkeiten abhängt, - nicht ausgehen
darf, um ein "Gesetz" aus ihr zu konstruieren, das für
Millionen Exemplare, die dieser "Echtheit" längst entsprungen
sind, Gültigkeit haben soll, - das ist so flach auf der Hand
liegend, daß es beinahe eine Schande ist, es erst zu explizieren.
Überhaupt wird Weiningers Polemik in dem Moment, wo
sie aus den Grenzen der reinen Spekulation heraustritt in
den Kreis der Erfahrungen, der Tatsachen, des sichtbarlich
Wahrnehmbaren erstaunlich platt. So heißt es gleich nach
der so fest fundierten Behauptung, W gehe ganz und gar
in der Sexualsphäre auf, - an Entwicklung möge glauben
wer da wolle, nur darauf komme es an, wie sie (die
Frauen, an anderer Stelle die Juden) heute sind. So? Nur
darauf kommt es an, wie sie heute sind? Nicht etwa auch
darauf, wie sie wurden und wie sie sichtlich werden? -
In rasender Rotation bewegen sich die Gestirne, Glühendes
erstarrt, Starres wird flüssig, Flüssiges verdampft, Äonen
türmen Gebirge auf und waschen sie wieder fort, Meere
werden zu Land und Länder zu Meer, tausende Formen
durchläuft das Leben, ehe die primitive Zelle in komplizierter
Vielfältigkeit triumphiert, alles wandelt sich ruhlos,

Kampf und Spiel, von Geselligkeit und Gelage, – jawohl! –
von Diskussion und Wissenschaft, von Geschäft und Politik,
von Religion und Kunst, – jawohl! – und nicht eine dieser
Interessen aus meinem Leben scheiden könnte, – was dann?

Dann – ja dann ist nicht etwa die These falsch und
flach und hohl – sondern ich und die Tausende von andern
Frauen, die mit mir daherkamen, sind eben keine »echten«
Frauen, sondern nur zu zwei Dritteln oder gar nur zur
Hälfte Frauen! – Einen bequemeren und platteren Schild
hat kaum irgend jemand sich jemals geschmiedet! – Daß
man von einer »Echtheit«, das heißt hier Kulturfremdheit
und Verwilderung, die von Tag zu Tag seltener wird und
deren vollständiges Verschwinden eben nur von der Eroberung
größerer Bildungsmöglichkeiten abhängt, – nicht ausgehen
darf, um ein »Gesetz« aus ihr zu konstruieren, das für
Millionen Exemplare, die dieser »Echtheit« längst entsprungen
sind, Gültigkeit haben soll, – das ist so flach auf der Hand
liegend, daß es beinahe eine Schande ist, es erst zu explizieren.
Überhaupt wird Weiningers Polemik in dem Moment, wo
sie aus den Grenzen der reinen Spekulation heraustritt in
den Kreis der Erfahrungen, der Tatsachen, des sichtbarlich
Wahrnehmbaren erstaunlich platt. So heißt es gleich nach
der so fest fundierten Behauptung, W gehe ganz und gar
in der Sexualsphäre auf, – an Entwicklung möge glauben
wer da wolle, nur darauf komme es an, wie sie (die
Frauen, an anderer Stelle die Juden) heute sind. So? Nur
darauf kommt es an, wie sie heute sind? Nicht etwa auch
darauf, wie sie wurden und wie sie sichtlich werden? –
In rasender Rotation bewegen sich die Gestirne, Glühendes
erstarrt, Starres wird flüssig, Flüssiges verdampft, Äonen
türmen Gebirge auf und waschen sie wieder fort, Meere
werden zu Land und Länder zu Meer, tausende Formen
durchläuft das Leben, ehe die primitive Zelle in komplizierter
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[26/0032] Kampf und Spiel, von Geselligkeit und Gelage, – jawohl! – von Diskussion und Wissenschaft, von Geschäft und Politik, von Religion und Kunst, – jawohl! – und nicht eine dieser Interessen aus meinem Leben scheiden könnte, – was dann? Dann – ja dann ist nicht etwa die These falsch und flach und hohl – sondern ich und die Tausende von andern Frauen, die mit mir daherkamen, sind eben keine »echten« Frauen, sondern nur zu zwei Dritteln oder gar nur zur Hälfte Frauen! – Einen bequemeren und platteren Schild hat kaum irgend jemand sich jemals geschmiedet! – Daß man von einer »Echtheit«, das heißt hier Kulturfremdheit und Verwilderung, die von Tag zu Tag seltener wird und deren vollständiges Verschwinden eben nur von der Eroberung größerer Bildungsmöglichkeiten abhängt, – nicht ausgehen darf, um ein »Gesetz« aus ihr zu konstruieren, das für Millionen Exemplare, die dieser »Echtheit« längst entsprungen sind, Gültigkeit haben soll, – das ist so flach auf der Hand liegend, daß es beinahe eine Schande ist, es erst zu explizieren. Überhaupt wird Weiningers Polemik in dem Moment, wo sie aus den Grenzen der reinen Spekulation heraustritt in den Kreis der Erfahrungen, der Tatsachen, des sichtbarlich Wahrnehmbaren erstaunlich platt. So heißt es gleich nach der so fest fundierten Behauptung, W gehe ganz und gar in der Sexualsphäre auf, – an Entwicklung möge glauben wer da wolle, nur darauf komme es an, wie sie (die Frauen, an anderer Stelle die Juden) heute sind. So? Nur darauf kommt es an, wie sie heute sind? Nicht etwa auch darauf, wie sie wurden und wie sie sichtlich werden? – In rasender Rotation bewegen sich die Gestirne, Glühendes erstarrt, Starres wird flüssig, Flüssiges verdampft, Äonen türmen Gebirge auf und waschen sie wieder fort, Meere werden zu Land und Länder zu Meer, tausende Formen durchläuft das Leben, ehe die primitive Zelle in komplizierter Vielfältigkeit triumphiert, alles wandelt sich ruhlos,

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/32>, abgerufen am 23.11.2024.