Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.alles wird, wächst, schwindet, kehrt wieder, - nirgends Weininger verläßt nun vollständig das Gebiet der "W befaßt sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur Wenn eine "echte" Frau z. B. Latein lerne, so tue Daß W "nichts ist als Sexualität" - M "noch etwas alles wird, wächst, schwindet, kehrt wieder, – nirgends Weininger verläßt nun vollständig das Gebiet der »W befaßt sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur Wenn eine »echte« Frau z. B. Latein lerne, so tue Daß W »nichts ist als Sexualität« – M »noch etwas <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="27"/> alles wird, wächst, schwindet, kehrt wieder, – nirgends<lb/> Stillestehen und Ende, – »alles fließt« – und im Buche<lb/> eines Gelehrten des XX. Jahrhunderts wird Wandlung durch<lb/> Entwicklung – bezweifelt!<lb/></p> <p>Weininger verläßt nun vollständig das Gebiet der<lb/> Theorie und begibt sich auf den Boden der Tatsachen. Aussage<lb/> folgt auf Aussage, – und was da kurz und eilig, in<lb/> rascher Folge nacheinander behauptet wird, ohne durch die<lb/> geringste reale Beweisführung gestützt zu sein, mutet wie ein<lb/> einziges Wirrsal an, – ein Labyrinth, in dem sich der, der<lb/> es konstruierte, selbst nicht mehr zurechtfindet. Mit einer<lb/> so dezidierten Bestimmtheit werden da fixe Vorstellungen<lb/> als unanzweifelbare Tatsachen hingestellt, – daß sie der<lb/> Polemik förmlich entheben, da ihre monströse Verkehrtheit<lb/> schon durch ihre Zitierung erhellt:<lb/></p> <p>»W befaßt sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur<lb/> für den Mann, den sie liebt, oder um des Mannes willen,<lb/> von dem sie geliebt sein möchte.« Lüge! Mehr läßt sich<lb/> auf eine solche Behauptung nicht erwidern. »Ein Interesse<lb/> für diese Dinge an sich fehlt ihr vollständig.« Abermals<lb/> Lüge, einfach schlechtweg Lüge!<lb/></p> <p>Wenn eine »echte« Frau z. B. Latein lerne, so tue<lb/> sie das nur, um etwa ihren Sohn darin zu überhören! –<lb/> Bedarf die – Albernheit (man kann es beim besten Willen<lb/> nicht anders nennen) dieser Behauptung und ihrer Benützung<lb/> als Faktor zur Beweisführung weiblicher Minderwertigkeit<lb/> – einer Debatte?<lb/></p> <p>Daß W »nichts ist als Sexualität« – M »noch etwas<lb/> darüber« – das zeige sich besonders deutlich in der Art,<lb/> wie M und W ihren Eintritt in die Periode der Geschlechtsreife<lb/> erleben. M empfinde die Zeit der Pubertät krisenhaft<lb/> und beunruhigend, was auch begründet sei durch – hier<lb/> wird ein physiologisches Phänomen genannt – »über das<lb/> der Wille keine Gewalt hat«. Das Weib aber finde sich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0033]
alles wird, wächst, schwindet, kehrt wieder, – nirgends
Stillestehen und Ende, – »alles fließt« – und im Buche
eines Gelehrten des XX. Jahrhunderts wird Wandlung durch
Entwicklung – bezweifelt!
Weininger verläßt nun vollständig das Gebiet der
Theorie und begibt sich auf den Boden der Tatsachen. Aussage
folgt auf Aussage, – und was da kurz und eilig, in
rascher Folge nacheinander behauptet wird, ohne durch die
geringste reale Beweisführung gestützt zu sein, mutet wie ein
einziges Wirrsal an, – ein Labyrinth, in dem sich der, der
es konstruierte, selbst nicht mehr zurechtfindet. Mit einer
so dezidierten Bestimmtheit werden da fixe Vorstellungen
als unanzweifelbare Tatsachen hingestellt, – daß sie der
Polemik förmlich entheben, da ihre monströse Verkehrtheit
schon durch ihre Zitierung erhellt:
»W befaßt sich mit außergeschlechtlichen Dingen nur
für den Mann, den sie liebt, oder um des Mannes willen,
von dem sie geliebt sein möchte.« Lüge! Mehr läßt sich
auf eine solche Behauptung nicht erwidern. »Ein Interesse
für diese Dinge an sich fehlt ihr vollständig.« Abermals
Lüge, einfach schlechtweg Lüge!
Wenn eine »echte« Frau z. B. Latein lerne, so tue
sie das nur, um etwa ihren Sohn darin zu überhören! –
Bedarf die – Albernheit (man kann es beim besten Willen
nicht anders nennen) dieser Behauptung und ihrer Benützung
als Faktor zur Beweisführung weiblicher Minderwertigkeit
– einer Debatte?
Daß W »nichts ist als Sexualität« – M »noch etwas
darüber« – das zeige sich besonders deutlich in der Art,
wie M und W ihren Eintritt in die Periode der Geschlechtsreife
erleben. M empfinde die Zeit der Pubertät krisenhaft
und beunruhigend, was auch begründet sei durch – hier
wird ein physiologisches Phänomen genannt – »über das
der Wille keine Gewalt hat«. Das Weib aber finde sich
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