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Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904.

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nicht erschwingen: darum ihr Herren, wendet euch mit
eurem Ruf: "Die Frau gehört ins Haus", vor allem an die
Proletarierin, die tatsächlich hineingehört, da es ohne sie
verfällt, wendet euch mit diesem Ruf an das Unternehmertum,
damit es ihr diese Möglichkeit gewähre!

Was die bürgerlichen Berufe, um deren uneingeschränkte
Zulassung heute gekämpft werden muß, selbst betrifft, so
glaube man ja nicht, daß ich die Berufstätigkeit der Frau als
ein Glück betrachte. Glück und Befriedigung gewährt wohl
nur künstlerische oder wissenschaftliche Betätigung - die
sogenannten freien Berufe - im Gegensatz zu den sicheren
Brotberufen. (Die Verfasserin dieser Zeilen gehört selbst zu
den Menschen, die nur mit großer Überwindung auch nur zwei
Tage hintereinander ganz das gleiche tun können.) An dem
grauen, trostlosen Einerlei der meisten Brotberufe leiden aber
auch die Männer. Daß die Frauen um Zulaß zu diesen Berufen
kämpfen, beweist am besten, daß nicht Abenteurerlust, sondern
zwingende soziale Gründe sie aus dem "Hause" heraustreiben.
Aus innerer Vorliebe strebt man wahrhaftig nicht
ins Amt oder ins Bureau: aber wenn man die Wahl hat,
zu verhungern oder sich bei Verwandten herumzudrücken,
oder aber sich zu prostituieren - mit oder ohne Ehe
- so geht man eben doch noch lieber ins Bureau; ja,
selbst dann schon, wenn man ganz ohne jede ernste Beschäftigung
in tödlicher Langeweile und Inhaltslosigkeit
und in beständiger Abhängigkeit "im Hause" herumstreift.

Führt man als störendes Hindernis weiblicher Berufstätigkeit
die Geschlechtsfunktionen, vor allem die Mutterschaft
an, - denn selbstverständlich muß die Erwerbsmöglichkeit
auch für die verheiratete Frau beansprucht werden,
- so ist gegen diesen Einwurf einzuwenden, daß die schuldige
Rücksicht
, die man der berufstätigen Frau zur Zeit,
da sie der Schonung bedarf, ganz gewiß zu erweisen
hat
(nicht, daß sie ihrer überhaupt nicht bedürfte, wie viele

nicht erschwingen: darum ihr Herren, wendet euch mit
eurem Ruf: »Die Frau gehört ins Haus«, vor allem an die
Proletarierin, die tatsächlich hineingehört, da es ohne sie
verfällt, wendet euch mit diesem Ruf an das Unternehmertum,
damit es ihr diese Möglichkeit gewähre!

Was die bürgerlichen Berufe, um deren uneingeschränkte
Zulassung heute gekämpft werden muß, selbst betrifft, so
glaube man ja nicht, daß ich die Berufstätigkeit der Frau als
ein Glück betrachte. Glück und Befriedigung gewährt wohl
nur künstlerische oder wissenschaftliche Betätigung – die
sogenannten freien Berufe – im Gegensatz zu den sicheren
Brotberufen. (Die Verfasserin dieser Zeilen gehört selbst zu
den Menschen, die nur mit großer Überwindung auch nur zwei
Tage hintereinander ganz das gleiche tun können.) An dem
grauen, trostlosen Einerlei der meisten Brotberufe leiden aber
auch die Männer. Daß die Frauen um Zulaß zu diesen Berufen
kämpfen, beweist am besten, daß nicht Abenteurerlust, sondern
zwingende soziale Gründe sie aus dem »Hause« heraustreiben.
Aus innerer Vorliebe strebt man wahrhaftig nicht
ins Amt oder ins Bureau: aber wenn man die Wahl hat,
zu verhungern oder sich bei Verwandten herumzudrücken,
oder aber sich zu prostituieren – mit oder ohne Ehe
– so geht man eben doch noch lieber ins Bureau; ja,
selbst dann schon, wenn man ganz ohne jede ernste Beschäftigung
in tödlicher Langeweile und Inhaltslosigkeit
und in beständiger Abhängigkeit »im Hause« herumstreift.

Führt man als störendes Hindernis weiblicher Berufstätigkeit
die Geschlechtsfunktionen, vor allem die Mutterschaft
an, – denn selbstverständlich muß die Erwerbsmöglichkeit
auch für die verheiratete Frau beansprucht werden,
– so ist gegen diesen Einwurf einzuwenden, daß die schuldige
Rücksicht
, die man der berufstätigen Frau zur Zeit,
da sie der Schonung bedarf, ganz gewiß zu erweisen
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[67/0073] nicht erschwingen: darum ihr Herren, wendet euch mit eurem Ruf: »Die Frau gehört ins Haus«, vor allem an die Proletarierin, die tatsächlich hineingehört, da es ohne sie verfällt, wendet euch mit diesem Ruf an das Unternehmertum, damit es ihr diese Möglichkeit gewähre! Was die bürgerlichen Berufe, um deren uneingeschränkte Zulassung heute gekämpft werden muß, selbst betrifft, so glaube man ja nicht, daß ich die Berufstätigkeit der Frau als ein Glück betrachte. Glück und Befriedigung gewährt wohl nur künstlerische oder wissenschaftliche Betätigung – die sogenannten freien Berufe – im Gegensatz zu den sicheren Brotberufen. (Die Verfasserin dieser Zeilen gehört selbst zu den Menschen, die nur mit großer Überwindung auch nur zwei Tage hintereinander ganz das gleiche tun können.) An dem grauen, trostlosen Einerlei der meisten Brotberufe leiden aber auch die Männer. Daß die Frauen um Zulaß zu diesen Berufen kämpfen, beweist am besten, daß nicht Abenteurerlust, sondern zwingende soziale Gründe sie aus dem »Hause« heraustreiben. Aus innerer Vorliebe strebt man wahrhaftig nicht ins Amt oder ins Bureau: aber wenn man die Wahl hat, zu verhungern oder sich bei Verwandten herumzudrücken, oder aber sich zu prostituieren – mit oder ohne Ehe – so geht man eben doch noch lieber ins Bureau; ja, selbst dann schon, wenn man ganz ohne jede ernste Beschäftigung in tödlicher Langeweile und Inhaltslosigkeit und in beständiger Abhängigkeit »im Hause« herumstreift. Führt man als störendes Hindernis weiblicher Berufstätigkeit die Geschlechtsfunktionen, vor allem die Mutterschaft an, – denn selbstverständlich muß die Erwerbsmöglichkeit auch für die verheiratete Frau beansprucht werden, – so ist gegen diesen Einwurf einzuwenden, daß die schuldige Rücksicht, die man der berufstätigen Frau zur Zeit, da sie der Schonung bedarf, ganz gewiß zu erweisen hat (nicht, daß sie ihrer überhaupt nicht bedürfte, wie viele

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Zitationshilfe: Meisel-Heß, Grete: Weiberhaß und Weiberverachtung. Eine Erwiderung auf die in Dr. Otto Weiningers Buche »Geschlecht und Charakter« geäußerten Anschauungen über »Die Frau und ihre Frage«. Wien, 1904, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meiselhess_weiberhass_1904/73>, abgerufen am 21.11.2024.