Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.thätig Tag und Nacht arbeiteten, kündeten so zu sagen unausgesetzt mit ihren Schaufelzungen das Lob des Mannes, der so treu, kräftig und von allen Nachbarn geachtet im Hause waltete. Und doch sollte dies Alles, wenn es nach der Ansicht des Landesherrn ging, kein Jahr mehr bleiben, sondern wie mit einem Tuche weggewischt werden. Schon lange war die Regierung der Ansicht, das Wehr am Höft müsse fallen und somit auch die Mühle, der linke Arm des Flusses müsse schiffbar werden, wie der rechte. Es hieß, die Interessen der längs des Arms gelegenen Ortschaften forderten es. Man würde, hieß es ferner, falls gehörige Baggerungsarbeiten vorgenommen würden, auf dieser Seite eine kürzere und bessere Wasserstraße gewinnen, als drüben. Schon vor sechs Jahren war dem Müller der Antrag gestellt worden, seine Mühle zu verkaufen, er hatte sich dessen geweigert. Neue Anträge liefen ein. Der Müller stützte sich darauf, daß seine Mühle seit Menschengedenken dastehe und seit undenklicher Zeit im Besitz seiner Familie sei. Ein Proceß begann, ein Proceß ums Wehr; der Müller vertheidigte den Rechtsboden, auf dem er fußte, Schritt für Schritt. Nun war ihm zuletzt mit Anwendung des Expropriationsrechtes gedroht worden. Der Kampf verstimmte ihn oft tief, aber er wurde nie an sich irre, entschlossen, nur der Gewalt zu weichen und mit allem Nachdruck das Haus zu vertheidigen, das seine Vorfahren gebaut. thätig Tag und Nacht arbeiteten, kündeten so zu sagen unausgesetzt mit ihren Schaufelzungen das Lob des Mannes, der so treu, kräftig und von allen Nachbarn geachtet im Hause waltete. Und doch sollte dies Alles, wenn es nach der Ansicht des Landesherrn ging, kein Jahr mehr bleiben, sondern wie mit einem Tuche weggewischt werden. Schon lange war die Regierung der Ansicht, das Wehr am Höft müsse fallen und somit auch die Mühle, der linke Arm des Flusses müsse schiffbar werden, wie der rechte. Es hieß, die Interessen der längs des Arms gelegenen Ortschaften forderten es. Man würde, hieß es ferner, falls gehörige Baggerungsarbeiten vorgenommen würden, auf dieser Seite eine kürzere und bessere Wasserstraße gewinnen, als drüben. Schon vor sechs Jahren war dem Müller der Antrag gestellt worden, seine Mühle zu verkaufen, er hatte sich dessen geweigert. Neue Anträge liefen ein. Der Müller stützte sich darauf, daß seine Mühle seit Menschengedenken dastehe und seit undenklicher Zeit im Besitz seiner Familie sei. Ein Proceß begann, ein Proceß ums Wehr; der Müller vertheidigte den Rechtsboden, auf dem er fußte, Schritt für Schritt. Nun war ihm zuletzt mit Anwendung des Expropriationsrechtes gedroht worden. Der Kampf verstimmte ihn oft tief, aber er wurde nie an sich irre, entschlossen, nur der Gewalt zu weichen und mit allem Nachdruck das Haus zu vertheidigen, das seine Vorfahren gebaut. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0026"/> thätig Tag und Nacht arbeiteten, kündeten so zu sagen unausgesetzt mit ihren Schaufelzungen das Lob des Mannes, der so treu, kräftig und von allen Nachbarn geachtet im Hause waltete.</p><lb/> <p>Und doch sollte dies Alles, wenn es nach der Ansicht des Landesherrn ging, kein Jahr mehr bleiben, sondern wie mit einem Tuche weggewischt werden. Schon lange war die Regierung der Ansicht, das Wehr am Höft müsse fallen und somit auch die Mühle, der linke Arm des Flusses müsse schiffbar werden, wie der rechte. Es hieß, die Interessen der längs des Arms gelegenen Ortschaften forderten es. Man würde, hieß es ferner, falls gehörige Baggerungsarbeiten vorgenommen würden, auf dieser Seite eine kürzere und bessere Wasserstraße gewinnen, als drüben. Schon vor sechs Jahren war dem Müller der Antrag gestellt worden, seine Mühle zu verkaufen, er hatte sich dessen geweigert. Neue Anträge liefen ein. Der Müller stützte sich darauf, daß seine Mühle seit Menschengedenken dastehe und seit undenklicher Zeit im Besitz seiner Familie sei. Ein Proceß begann, ein Proceß ums Wehr; der Müller vertheidigte den Rechtsboden, auf dem er fußte, Schritt für Schritt. Nun war ihm zuletzt mit Anwendung des Expropriationsrechtes gedroht worden. Der Kampf verstimmte ihn oft tief, aber er wurde nie an sich irre, entschlossen, nur der Gewalt zu weichen und mit allem Nachdruck das Haus zu vertheidigen, das seine Vorfahren gebaut.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
thätig Tag und Nacht arbeiteten, kündeten so zu sagen unausgesetzt mit ihren Schaufelzungen das Lob des Mannes, der so treu, kräftig und von allen Nachbarn geachtet im Hause waltete.
Und doch sollte dies Alles, wenn es nach der Ansicht des Landesherrn ging, kein Jahr mehr bleiben, sondern wie mit einem Tuche weggewischt werden. Schon lange war die Regierung der Ansicht, das Wehr am Höft müsse fallen und somit auch die Mühle, der linke Arm des Flusses müsse schiffbar werden, wie der rechte. Es hieß, die Interessen der längs des Arms gelegenen Ortschaften forderten es. Man würde, hieß es ferner, falls gehörige Baggerungsarbeiten vorgenommen würden, auf dieser Seite eine kürzere und bessere Wasserstraße gewinnen, als drüben. Schon vor sechs Jahren war dem Müller der Antrag gestellt worden, seine Mühle zu verkaufen, er hatte sich dessen geweigert. Neue Anträge liefen ein. Der Müller stützte sich darauf, daß seine Mühle seit Menschengedenken dastehe und seit undenklicher Zeit im Besitz seiner Familie sei. Ein Proceß begann, ein Proceß ums Wehr; der Müller vertheidigte den Rechtsboden, auf dem er fußte, Schritt für Schritt. Nun war ihm zuletzt mit Anwendung des Expropriationsrechtes gedroht worden. Der Kampf verstimmte ihn oft tief, aber er wurde nie an sich irre, entschlossen, nur der Gewalt zu weichen und mit allem Nachdruck das Haus zu vertheidigen, das seine Vorfahren gebaut.
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