daß Wahrscheinlichkeit nicht Gewisheit, und Verdacht nicht Ueberweisung sey; das führte er, für einen Bauer, recht gut aus; und blieb bei der Folgerung: Am Ende könne doch noch der Teufel sein Spiel haben, und die Gefangene unschuldig seyn."
Jndem die Bauern so am Tische sich strit- ten; und um besser schreien zu können, den Bierkrügen weidlich zusprachen, saß in einer weiten Entfernung von ihnen auf der Ofen- bank ein junges, derbes Bauernmensch, die Dienstmagd eines Freihüfners und Witwers auf einem noch fast zwei Stunden weit entleg- nen Fränkischen Dorfe. Sie war in Bar** zu Markte gewesen, hatte verschiednes einge- kauft, war von einem Gewitterschauer über- rascht worden; war deshalb in der Schenke eingekehrt, und wolte warten, bis es ausge- regnet habe; wo sie dann des Abends, zumal da man Mondenschein vermuthete, langsam heim- zukehren gedachte. Es war wirklich eine flinke, und auch (was sie mit so regenscheu gemacht
daß Wahrſcheinlichkeit nicht Gewisheit, und Verdacht nicht Ueberweiſung ſey; das fuͤhrte er, fuͤr einen Bauer, recht gut aus; und blieb bei der Folgerung: Am Ende koͤnne doch noch der Teufel ſein Spiel haben, und die Gefangene unſchuldig ſeyn.“
Jndem die Bauern ſo am Tiſche ſich ſtrit- ten; und um beſſer ſchreien zu koͤnnen, den Bierkruͤgen weidlich zuſprachen, ſaß in einer weiten Entfernung von ihnen auf der Ofen- bank ein junges, derbes Bauernmenſch, die Dienſtmagd eines Freihuͤfners und Witwers auf einem noch faſt zwei Stunden weit entleg- nen Fraͤnkiſchen Dorfe. Sie war in Bar** zu Markte geweſen, hatte verſchiednes einge- kauft, war von einem Gewitterſchauer uͤber- raſcht worden; war deshalb in der Schenke eingekehrt, und wolte warten, bis es ausge- regnet habe; wo ſie dann des Abends, zumal da man Mondenſchein vermuthete, langſam heim- zukehren gedachte. Es war wirklich eine flinke, und auch (was ſie mit ſo regenſcheu gemacht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0100"n="92"/>
daß Wahrſcheinlichkeit nicht Gewisheit, und<lb/>
Verdacht nicht Ueberweiſung ſey; das fuͤhrte<lb/>
er, fuͤr einen Bauer, recht gut aus; und blieb<lb/>
bei der Folgerung: Am Ende koͤnne doch<lb/>
noch der Teufel ſein Spiel haben, und die<lb/>
Gefangene unſchuldig ſeyn.“</p><lb/><p>Jndem die Bauern ſo am Tiſche ſich ſtrit-<lb/>
ten; und um beſſer ſchreien zu koͤnnen, den<lb/>
Bierkruͤgen weidlich zuſprachen, ſaß in einer<lb/>
weiten Entfernung von ihnen auf der Ofen-<lb/>
bank ein junges, derbes Bauernmenſch, die<lb/>
Dienſtmagd eines Freihuͤfners und Witwers<lb/>
auf einem noch faſt zwei Stunden weit entleg-<lb/>
nen Fraͤnkiſchen Dorfe. Sie war in Bar**<lb/>
zu Markte geweſen, hatte verſchiednes einge-<lb/>
kauft, war von einem Gewitterſchauer uͤber-<lb/>
raſcht worden; war deshalb in der Schenke<lb/>
eingekehrt, und wolte warten, bis es ausge-<lb/>
regnet habe; wo ſie dann des Abends, zumal da<lb/>
man Mondenſchein vermuthete, langſam heim-<lb/>
zukehren gedachte. Es war wirklich eine flinke,<lb/>
und auch (was ſie mit ſo regenſcheu gemacht<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[92/0100]
daß Wahrſcheinlichkeit nicht Gewisheit, und
Verdacht nicht Ueberweiſung ſey; das fuͤhrte
er, fuͤr einen Bauer, recht gut aus; und blieb
bei der Folgerung: Am Ende koͤnne doch
noch der Teufel ſein Spiel haben, und die
Gefangene unſchuldig ſeyn.“
Jndem die Bauern ſo am Tiſche ſich ſtrit-
ten; und um beſſer ſchreien zu koͤnnen, den
Bierkruͤgen weidlich zuſprachen, ſaß in einer
weiten Entfernung von ihnen auf der Ofen-
bank ein junges, derbes Bauernmenſch, die
Dienſtmagd eines Freihuͤfners und Witwers
auf einem noch faſt zwei Stunden weit entleg-
nen Fraͤnkiſchen Dorfe. Sie war in Bar**
zu Markte geweſen, hatte verſchiednes einge-
kauft, war von einem Gewitterſchauer uͤber-
raſcht worden; war deshalb in der Schenke
eingekehrt, und wolte warten, bis es ausge-
regnet habe; wo ſie dann des Abends, zumal da
man Mondenſchein vermuthete, langſam heim-
zukehren gedachte. Es war wirklich eine flinke,
und auch (was ſie mit ſo regenſcheu gemacht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/100>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.