der neben ihr stand, als suche sie etwas in ihm, und erseufzte für sich: Ja wohl hat sie es nicht gethan!
Nur äußerst leise, ganz in sich selbst ver- schluckend, hatte sie diese Worte ausgespro- chen. Gleichwohl waren sie dem jungen Bauer- kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag für ihn in den Worten selbst, und mehr noch in der Jnnigkeit, womit sie ausgestoßen worden, etwas äußerst merkwürdiges. Je länger er drüber nachdachte, je bedenklicher schienen sie ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben, verharrt' er noch ein gutes Weilchen in seinem angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge- nau einem erst aufwachenden Menschen nach; stand auf, ging zur Thüre hinaus, rief den Wirth bei Seite, und erzälte ihm das Gehörte. Die- ser fand grade nicht viel Merkwürdiges drin- nen; aber als jener immer drauf beharrte, daß der Ton doch gar zu sehr vom Herzen ge- kommen sei, ward auch die Wirthin herbei geru- fen, und diese -- wie Weiber über Weiber,
der neben ihr ſtand, als ſuche ſie etwas in ihm, und erſeufzte fuͤr ſich: Ja wohl hat ſie es nicht gethan!
Nur aͤußerſt leiſe, ganz in ſich ſelbſt ver- ſchluckend, hatte ſie dieſe Worte ausgeſpro- chen. Gleichwohl waren ſie dem jungen Bauer- kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag fuͤr ihn in den Worten ſelbſt, und mehr noch in der Jnnigkeit, womit ſie ausgeſtoßen worden, etwas aͤußerſt merkwuͤrdiges. Je laͤnger er druͤber nachdachte, je bedenklicher ſchienen ſie ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben, verharrt' er noch ein gutes Weilchen in ſeinem angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge- nau einem erſt aufwachenden Menſchen nach; ſtand auf, ging zur Thuͤre hinaus, rief den Wirth bei Seite, und erzaͤlte ihm das Gehoͤrte. Die- ſer fand grade nicht viel Merkwuͤrdiges drin- nen; aber als jener immer drauf beharrte, daß der Ton doch gar zu ſehr vom Herzen ge- kommen ſei, ward auch die Wirthin herbei geru- fen, und dieſe — wie Weiber uͤber Weiber,
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der neben ihr ſtand, als ſuche ſie etwas in
ihm, und erſeufzte fuͤr ſich: Ja wohl hat
ſie es nicht gethan!
Nur aͤußerſt leiſe, ganz in ſich ſelbſt ver-
ſchluckend, hatte ſie dieſe Worte ausgeſpro-
chen. Gleichwohl waren ſie dem jungen Bauer-
kerl hinter ihr nicht entgangen. Ja, es lag
fuͤr ihn in den Worten ſelbſt, und mehr noch in
der Jnnigkeit, womit ſie ausgeſtoßen worden,
etwas aͤußerſt merkwuͤrdiges. Je laͤnger er
druͤber nachdachte, je bedenklicher ſchienen ſie
ihm. Um nichts durch Uebereilung zu verderben,
verharrt' er noch ein gutes Weilchen in ſeinem
angenommenen Schlafe; ahmte dann ganz ge-
nau einem erſt aufwachenden Menſchen nach;
ſtand auf, ging zur Thuͤre hinaus, rief den Wirth
bei Seite, und erzaͤlte ihm das Gehoͤrte. Die-
ſer fand grade nicht viel Merkwuͤrdiges drin-
nen; aber als jener immer drauf beharrte,
daß der Ton doch gar zu ſehr vom Herzen ge-
kommen ſei, ward auch die Wirthin herbei geru-
fen, und dieſe — wie Weiber uͤber Weiber,
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/102>, abgerufen am 23.11.2024.
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