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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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ter ehrliche Hausgenoßen habe. Er nahm sich
daher vor, einige Monate hindurch alle Näch-
te in einem kleinen, dicht an das Hauptge-
wölbe stoßenden und mit einer Glasthüre ver-
sehenen Stübchen zu schlafen. Alle Abende
trug er sich selbst, ganz heimlich, ein paar
Betten auf eine Bank dorthin. Niemanden,
als seinen Prinzipalen, sagte er ein Wort da-
von; schon mehrere Wochen hatte er diese
Uebung fortgesezt und nicht das geringste
Verdächtige bemerkt. Da gewöhnlich immer
nur neue Diener recht eifrige Diener zu
seyn pflegen; da auch der beste Vorsaz, wenn
man keinen Nuzzen spürt, bald erkaltet; so
war es sehr möglich, daß dieses unbequeme
Nachtlager sich schon seiner Endschaft nahte,
und daß jener nichtswürdige Räuber nur
noch ein paar Wochen hätte warten dürfen,
um dann sicher wieder plündern zu können.
Doch daß er gerade jezt ein Herz sich faßte,
auch dies war vielleicht eine Fügung des

ter ehrliche Hausgenoßen habe. Er nahm ſich
daher vor, einige Monate hindurch alle Naͤch-
te in einem kleinen, dicht an das Hauptge-
woͤlbe ſtoßenden und mit einer Glasthuͤre ver-
ſehenen Stuͤbchen zu ſchlafen. Alle Abende
trug er ſich ſelbſt, ganz heimlich, ein paar
Betten auf eine Bank dorthin. Niemanden,
als ſeinen Prinzipalen, ſagte er ein Wort da-
von; ſchon mehrere Wochen hatte er dieſe
Uebung fortgeſezt und nicht das geringſte
Verdaͤchtige bemerkt. Da gewoͤhnlich immer
nur neue Diener recht eifrige Diener zu
ſeyn pflegen; da auch der beſte Vorſaz, wenn
man keinen Nuzzen ſpuͤrt, bald erkaltet; ſo
war es ſehr moͤglich, daß dieſes unbequeme
Nachtlager ſich ſchon ſeiner Endſchaft nahte,
und daß jener nichtswuͤrdige Raͤuber nur
noch ein paar Wochen haͤtte warten duͤrfen,
um dann ſicher wieder pluͤndern zu koͤnnen.
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[114/0122] ter ehrliche Hausgenoßen habe. Er nahm ſich daher vor, einige Monate hindurch alle Naͤch- te in einem kleinen, dicht an das Hauptge- woͤlbe ſtoßenden und mit einer Glasthuͤre ver- ſehenen Stuͤbchen zu ſchlafen. Alle Abende trug er ſich ſelbſt, ganz heimlich, ein paar Betten auf eine Bank dorthin. Niemanden, als ſeinen Prinzipalen, ſagte er ein Wort da- von; ſchon mehrere Wochen hatte er dieſe Uebung fortgeſezt und nicht das geringſte Verdaͤchtige bemerkt. Da gewoͤhnlich immer nur neue Diener recht eifrige Diener zu ſeyn pflegen; da auch der beſte Vorſaz, wenn man keinen Nuzzen ſpuͤrt, bald erkaltet; ſo war es ſehr moͤglich, daß dieſes unbequeme Nachtlager ſich ſchon ſeiner Endſchaft nahte, und daß jener nichtswuͤrdige Raͤuber nur noch ein paar Wochen haͤtte warten duͤrfen, um dann ſicher wieder pluͤndern zu koͤnnen. Doch daß er gerade jezt ein Herz ſich faßte, auch dies war vielleicht eine Fuͤgung des

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/122>, abgerufen am 23.11.2024.