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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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dult, höchstens mit einer christlichen War-
nung; schlich aber um die Wohnung und die
Wirthschaft des Beleidigers so lange ganz im
Stillen, bis er seinen Vortheil ersah, und das
beste Roß im Stalle, die schönste Kuh im Ho-
fe, oder sonst ein vorzügliches Stück Haus-
vieh. -- todt dalag. War ihm diese schänd-
liche That nun gelungen, und fand man den
Schaden, dann gesellte er sich, wie von ohn-
gefähr, zu den Gekränkten; ließ sich alles er-
zälen; hörte mit sichtlicher Theilnahme zu;
bedauerte und tröstete; mischte aber auch im-
mer in seine Worte die Erinnerung: "Ob sie
"nicht dran gedächten, wie er neulich von ih-
"nen gekränkt, sie von ihm gewarnt worden
"wären? Gott verlasse diejenigen nicht, die
"ihm vertrauten; aber er strafe auch jene,
"die seine Lieblinge antasteten!"

Freilich hätte eine solche Rede wohl gegen
ihn Verdacht erregen können! Doch nicht ge-
rechnet, daß er sich deren gegen Menschen be-
diente, die eben nicht mistrauisch waren, so

N 3

dult, hoͤchſtens mit einer chriſtlichen War-
nung; ſchlich aber um die Wohnung und die
Wirthſchaft des Beleidigers ſo lange ganz im
Stillen, bis er ſeinen Vortheil erſah, und das
beſte Roß im Stalle, die ſchoͤnſte Kuh im Ho-
fe, oder ſonſt ein vorzuͤgliches Stuͤck Haus-
vieh. — todt dalag. War ihm dieſe ſchaͤnd-
liche That nun gelungen, und fand man den
Schaden, dann geſellte er ſich, wie von ohn-
gefaͤhr, zu den Gekraͤnkten; ließ ſich alles er-
zaͤlen; hoͤrte mit ſichtlicher Theilnahme zu;
bedauerte und troͤſtete; miſchte aber auch im-
mer in ſeine Worte die Erinnerung: „Ob ſie
„nicht dran gedaͤchten, wie er neulich von ih-
„nen gekraͤnkt, ſie von ihm gewarnt worden
„waͤren? Gott verlaſſe diejenigen nicht, die
„ihm vertrauten; aber er ſtrafe auch jene,
„die ſeine Lieblinge antaſteten!“

Freilich haͤtte eine ſolche Rede wohl gegen
ihn Verdacht erregen koͤnnen! Doch nicht ge-
rechnet, daß er ſich deren gegen Menſchen be-
diente, die eben nicht mistrauiſch waren, ſo

N 3
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[197/0205] dult, hoͤchſtens mit einer chriſtlichen War- nung; ſchlich aber um die Wohnung und die Wirthſchaft des Beleidigers ſo lange ganz im Stillen, bis er ſeinen Vortheil erſah, und das beſte Roß im Stalle, die ſchoͤnſte Kuh im Ho- fe, oder ſonſt ein vorzuͤgliches Stuͤck Haus- vieh. — todt dalag. War ihm dieſe ſchaͤnd- liche That nun gelungen, und fand man den Schaden, dann geſellte er ſich, wie von ohn- gefaͤhr, zu den Gekraͤnkten; ließ ſich alles er- zaͤlen; hoͤrte mit ſichtlicher Theilnahme zu; bedauerte und troͤſtete; miſchte aber auch im- mer in ſeine Worte die Erinnerung: „Ob ſie „nicht dran gedaͤchten, wie er neulich von ih- „nen gekraͤnkt, ſie von ihm gewarnt worden „waͤren? Gott verlaſſe diejenigen nicht, die „ihm vertrauten; aber er ſtrafe auch jene, „die ſeine Lieblinge antaſteten!“ Freilich haͤtte eine ſolche Rede wohl gegen ihn Verdacht erregen koͤnnen! Doch nicht ge- rechnet, daß er ſich deren gegen Menſchen be- diente, die eben nicht mistrauiſch waren, ſo N 3

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/205>, abgerufen am 15.05.2024.