theilweise entschuldigen. R's Gläubiger büß- ten noch jezt wenig oder nichts ein; die Wit- we gewan, indem sie zu verlieren schien.
Jnzwischen kam Ostern herbei, und mit ihm nahte sich die Zeit des kirchlichen Aufgebots und der förmlichen Heirath. Was R. thun wolte, mußte er bald thun, oder seine Ent- fernung ward ein immer stärkrer, immer ta- delnswertherer Betrug. Seine Schuldner zahl- ten, troz seiner Mahnung, immer noch nicht; seine Gläubiger erwarteten jezt Zinsen. Er war zum Fortwandern gerüstet, nur seine Börse war es nicht. Einst, als er seinen ge- wöhnlichen Morgenbesuch -- man kan leicht denken, mit welcher Gemüthsstimmung! -- bei der Witwe ablegte, fand er sie in dem ihr so wichtigen Geschäfte des Geldzälens be- griffen. Ein aufgekündigtes Kapital von fünf tausend Thalern, sämtlich in Golde, war ein- gegangen. Nur ihrem Bräutigam ward jezt die Thüre geöfnet, gleich hinter ihm wieder abgeschlossen. Sie erzälte ihm: daß sie die
theilweiſe entſchuldigen. R's Glaͤubiger buͤß- ten noch jezt wenig oder nichts ein; die Wit- we gewan, indem ſie zu verlieren ſchien.
Jnzwiſchen kam Oſtern herbei, und mit ihm nahte ſich die Zeit des kirchlichen Aufgebots und der foͤrmlichen Heirath. Was R. thun wolte, mußte er bald thun, oder ſeine Ent- fernung ward ein immer ſtaͤrkrer, immer ta- delnswertherer Betrug. Seine Schuldner zahl- ten, troz ſeiner Mahnung, immer noch nicht; ſeine Glaͤubiger erwarteten jezt Zinſen. Er war zum Fortwandern geruͤſtet, nur ſeine Boͤrſe war es nicht. Einſt, als er ſeinen ge- woͤhnlichen Morgenbeſuch — man kan leicht denken, mit welcher Gemuͤthsſtimmung! — bei der Witwe ablegte, fand er ſie in dem ihr ſo wichtigen Geſchaͤfte des Geldzaͤlens be- griffen. Ein aufgekuͤndigtes Kapital von fuͤnf tauſend Thalern, ſaͤmtlich in Golde, war ein- gegangen. Nur ihrem Braͤutigam ward jezt die Thuͤre geoͤfnet, gleich hinter ihm wieder abgeſchloſſen. Sie erzaͤlte ihm: daß ſie die
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theilweiſe entſchuldigen. R's Glaͤubiger buͤß-
ten noch jezt wenig oder nichts ein; die Wit-
we gewan, indem ſie zu verlieren ſchien.
Jnzwiſchen kam Oſtern herbei, und mit ihm
nahte ſich die Zeit des kirchlichen Aufgebots
und der foͤrmlichen Heirath. Was R. thun
wolte, mußte er bald thun, oder ſeine Ent-
fernung ward ein immer ſtaͤrkrer, immer ta-
delnswertherer Betrug. Seine Schuldner zahl-
ten, troz ſeiner Mahnung, immer noch nicht;
ſeine Glaͤubiger erwarteten jezt Zinſen. Er
war zum Fortwandern geruͤſtet, nur ſeine
Boͤrſe war es nicht. Einſt, als er ſeinen ge-
woͤhnlichen Morgenbeſuch — man kan leicht
denken, mit welcher Gemuͤthsſtimmung! —
bei der Witwe ablegte, fand er ſie in dem ihr
ſo wichtigen Geſchaͤfte des Geldzaͤlens be-
griffen. Ein aufgekuͤndigtes Kapital von fuͤnf
tauſend Thalern, ſaͤmtlich in Golde, war ein-
gegangen. Nur ihrem Braͤutigam ward jezt
die Thuͤre geoͤfnet, gleich hinter ihm wieder
abgeſchloſſen. Sie erzaͤlte ihm: daß ſie die
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/274>, abgerufen am 23.11.2024.
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