kleinsten Umstände dann genauer, wie die Rä- der einer Uhr, zusammenpassen. Auch R. sol- te nun diese traurige Erfahrung machen. -- Glücklich und schnell genug war sein Geschäfte zu Coblenz vollendet; den nächsten Morgen solte seine Abreise schon wieder vor sich gehen. Blos die Einladung eines Kaufmanns, der vor der Stadt ein schönes Landhaus besaß, machte, daß R. noch einen Tag zugab; ja, auch dies that er nicht aus eigner Neigung, sondern aus Gefäl- ligkeit gegen seine Gattin. Gegen Mittag fuh- ren sie auf dieses Landhaus; die Gesellschaft, die sie da fanden, war nicht groß, aber, sonder- bar genug, unter derselben befand sich der ein- zige Mensch, der in ganz Coblenz für R. ge- fährlich werden konte, ja fast werden mußte. Siebald hieß er, ein junger, artiger, erst an- gehender, kaum vor vier Wochen aus England zurückgekehrter Wechselherr, und Anbeter von der Tochter im Hause. Von seinem ganzen Le- ben und Weben wußte R. kein Jota; jener von dem Leztern nur alzuviel.
kleinſten Umſtaͤnde dann genauer, wie die Raͤ- der einer Uhr, zuſammenpaſſen. Auch R. ſol- te nun dieſe traurige Erfahrung machen. — Gluͤcklich und ſchnell genug war ſein Geſchaͤfte zu Coblenz vollendet; den naͤchſten Morgen ſolte ſeine Abreiſe ſchon wieder vor ſich gehen. Blos die Einladung eines Kaufmanns, der vor der Stadt ein ſchoͤnes Landhaus beſaß, machte, daß R. noch einen Tag zugab; ja, auch dies that er nicht aus eigner Neigung, ſondern aus Gefaͤl- ligkeit gegen ſeine Gattin. Gegen Mittag fuh- ren ſie auf dieſes Landhaus; die Geſellſchaft, die ſie da fanden, war nicht groß, aber, ſonder- bar genug, unter derſelben befand ſich der ein- zige Menſch, der in ganz Coblenz fuͤr R. ge- faͤhrlich werden konte, ja faſt werden mußte. Siebald hieß er, ein junger, artiger, erſt an- gehender, kaum vor vier Wochen aus England zuruͤckgekehrter Wechſelherr, und Anbeter von der Tochter im Hauſe. Von ſeinem ganzen Le- ben und Weben wußte R. kein Jota; jener von dem Leztern nur alzuviel.
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kleinſten Umſtaͤnde dann genauer, wie die Raͤ-
der einer Uhr, zuſammenpaſſen. Auch R. ſol-
te nun dieſe traurige Erfahrung machen. —
Gluͤcklich und ſchnell genug war ſein Geſchaͤfte
zu Coblenz vollendet; den naͤchſten Morgen ſolte
ſeine Abreiſe ſchon wieder vor ſich gehen. Blos
die Einladung eines Kaufmanns, der vor der
Stadt ein ſchoͤnes Landhaus beſaß, machte, daß
R. noch einen Tag zugab; ja, auch dies that er
nicht aus eigner Neigung, ſondern aus Gefaͤl-
ligkeit gegen ſeine Gattin. Gegen Mittag fuh-
ren ſie auf dieſes Landhaus; die Geſellſchaft,
die ſie da fanden, war nicht groß, aber, ſonder-
bar genug, unter derſelben befand ſich der ein-
zige Menſch, der in ganz Coblenz fuͤr R. ge-
faͤhrlich werden konte, ja faſt werden mußte.
Siebald hieß er, ein junger, artiger, erſt an-
gehender, kaum vor vier Wochen aus England
zuruͤckgekehrter Wechſelherr, und Anbeter von
der Tochter im Hauſe. Von ſeinem ganzen Le-
ben und Weben wußte R. kein Jota; jener
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/294>, abgerufen am 23.11.2024.
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