Nachricht. Die eigentliche Beschaffenheit der Sache dämmert sofort vor den Augen seines Geistes. Er drängt sich zu den Gerichtsper- sonen hin, die immer einer solchen Hinrich- tung beizuwohnen pflegen. Er bittet sie, die- se Strafhandlung nur noch auf einige Minu- ten zu verschieben, weil er etwas Wichtiges ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird ihm gewährt; und nun erzählt er das Ge- spräche, das er mit Viktorinen hielt, als sie Gift von ihm für ihren Gemal begehrte. Daß eine solche Erzählung den Richtern auffallen mußte, ergibt sich von selbst. Man schickt so- fort nach Viktorinen. Sie kömmt, zuversicht- lich genug. Aber kaum erblickt sie den Apo- theker, so erblaßt sie und sinkt ohnmächtig zu Boden. Man bringt sie ins Gefängniß, und in der nächsten Stunde auf die Folter. Doch gleich bei den ersten Versuchen bekennt sie nun alles -- ihre Mitwissenschaft um den Mord ihres ersten Gemals, Faßinos Vergiftung,
Nachricht. Die eigentliche Beſchaffenheit der Sache daͤmmert ſofort vor den Augen ſeines Geiſtes. Er draͤngt ſich zu den Gerichtsper- ſonen hin, die immer einer ſolchen Hinrich- tung beizuwohnen pflegen. Er bittet ſie, die- ſe Strafhandlung nur noch auf einige Minu- ten zu verſchieben, weil er etwas Wichtiges ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird ihm gewaͤhrt; und nun erzaͤhlt er das Ge- ſpraͤche, das er mit Viktorinen hielt, als ſie Gift von ihm fuͤr ihren Gemal begehrte. Daß eine ſolche Erzaͤhlung den Richtern auffallen mußte, ergibt ſich von ſelbſt. Man ſchickt ſo- fort nach Viktorinen. Sie koͤmmt, zuverſicht- lich genug. Aber kaum erblickt ſie den Apo- theker, ſo erblaßt ſie und ſinkt ohnmaͤchtig zu Boden. Man bringt ſie ins Gefaͤngniß, und in der naͤchſten Stunde auf die Folter. Doch gleich bei den erſten Verſuchen bekennt ſie nun alles — ihre Mitwiſſenſchaft um den Mord ihres erſten Gemals, Faßinos Vergiftung,
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Nachricht. Die eigentliche Beſchaffenheit der
Sache daͤmmert ſofort vor den Augen ſeines
Geiſtes. Er draͤngt ſich zu den Gerichtsper-
ſonen hin, die immer einer ſolchen Hinrich-
tung beizuwohnen pflegen. Er bittet ſie, die-
ſe Strafhandlung nur noch auf einige Minu-
ten zu verſchieben, weil er etwas Wichtiges
ihnen zu entdecken habe. Seine Bitte wird
ihm gewaͤhrt; und nun erzaͤhlt er das Ge-
ſpraͤche, das er mit Viktorinen hielt, als ſie
Gift von ihm fuͤr ihren Gemal begehrte. Daß
eine ſolche Erzaͤhlung den Richtern auffallen
mußte, ergibt ſich von ſelbſt. Man ſchickt ſo-
fort nach Viktorinen. Sie koͤmmt, zuverſicht-
lich genug. Aber kaum erblickt ſie den Apo-
theker, ſo erblaßt ſie und ſinkt ohnmaͤchtig zu
Boden. Man bringt ſie ins Gefaͤngniß, und
in der naͤchſten Stunde auf die Folter. Doch
gleich bei den erſten Verſuchen bekennt ſie nun
alles — ihre Mitwiſſenſchaft um den Mord
ihres erſten Gemals, Faßinos Vergiftung,
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/348>, abgerufen am 23.11.2024.
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