ten nichts gegen den Augenschein. Sie ward zum Strange verurtheilt, und Viktorine aber- mals freigelassen. Doppelt vergnügt mochte jezt diese nichtsnüzzige seyn. Sie hatte un- gestraft ihren Gatten ermordet; hatte sich ne- benbei an Felicien gerächt, die sie seit jener Verrätherei im Herzen zwar entschieden haßte; die sie aber doch beibehielt, damit sie, im Fall der Verabschiedung, nicht ein mehreres von ih- rem ausschweifenden Leben entdecken möchte.
Der Tag der Hinrichtung ward anberaumt. Felicie war bereits auf dem Hingang zum Gal- gen begriffen; und in eben dem Augenblick mußte, durch eine sonderbare Schickung, Au- gustino, jener Neapolitanische Apotheker, bei der St. Markus-Brücke landen. [Er] sieht eine große Menge Volks herbeieilen, fragt um die Ursache dieses Zusammenlaufs; und er- fährt: daß eine Kammerfrau von Viktorinen gehängt werden solle, weil sie ihren Gebieter vergiftet habe. Er stuzt nicht wenig über diese
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ten nichts gegen den Augenſchein. Sie ward zum Strange verurtheilt, und Viktorine aber- mals freigelaſſen. Doppelt vergnuͤgt mochte jezt dieſe nichtsnuͤzzige ſeyn. Sie hatte un- geſtraft ihren Gatten ermordet; hatte ſich ne- benbei an Felicien geraͤcht, die ſie ſeit jener Verraͤtherei im Herzen zwar entſchieden haßte; die ſie aber doch beibehielt, damit ſie, im Fall der Verabſchiedung, nicht ein mehreres von ih- rem ausſchweifenden Leben entdecken moͤchte.
Der Tag der Hinrichtung ward anberaumt. Felicie war bereits auf dem Hingang zum Gal- gen begriffen; und in eben dem Augenblick mußte, durch eine ſonderbare Schickung, Au- guſtino, jener Neapolitaniſche Apotheker, bei der St. Markus-Bruͤcke landen. [Er] ſieht eine große Menge Volks herbeieilen, fragt um die Urſache dieſes Zuſammenlaufs; und er- faͤhrt: daß eine Kammerfrau von Viktorinen gehaͤngt werden ſolle, weil ſie ihren Gebieter vergiftet habe. Er ſtuzt nicht wenig uͤber dieſe
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ten nichts gegen den Augenſchein. Sie ward
zum Strange verurtheilt, und Viktorine aber-
mals freigelaſſen. Doppelt vergnuͤgt mochte
jezt dieſe nichtsnuͤzzige ſeyn. Sie hatte un-
geſtraft ihren Gatten ermordet; hatte ſich ne-
benbei an Felicien geraͤcht, die ſie ſeit jener
Verraͤtherei im Herzen zwar entſchieden haßte;
die ſie aber doch beibehielt, damit ſie, im Fall
der Verabſchiedung, nicht ein mehreres von ih-
rem ausſchweifenden Leben entdecken moͤchte.
Der Tag der Hinrichtung ward anberaumt.
Felicie war bereits auf dem Hingang zum Gal-
gen begriffen; und in eben dem Augenblick
mußte, durch eine ſonderbare Schickung, Au-
guſtino, jener Neapolitaniſche Apotheker, bei
der St. Markus-Bruͤcke landen. Er ſieht
eine große Menge Volks herbeieilen, fragt um
die Urſache dieſes Zuſammenlaufs; und er-
faͤhrt: daß eine Kammerfrau von Viktorinen
gehaͤngt werden ſolle, weil ſie ihren Gebieter
vergiftet habe. Er ſtuzt nicht wenig uͤber dieſe
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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